Ein Farbtupfer im tristen Novembergrau. Wohliger und wärmer als fünf zurecht gepanschte Glühweine auf den Weihnachtsmärkten dieser Tage.
Gute 60 Minuten tanzbarer Indiepop. Nicht zu hektisch elektrisch, nicht zu ruhig, aber immer verrückt, wild, energetisch und selbstverliebt. Fühlten sich so Cyndi Lauper Konzerte in den 80ern an? Es war ein toller Konzertabend, den ich so nicht erwartet hatte. Dance, dance, dance…
Der Samstagabend bot zwei Optionen. Wenn man sich rechtzeitig eine Karte gesichert hatte, konnte man im Deutzer Gebäude 9 die neue deutsche Musikhoffnung Polarkreis 18 bewundern. Allein war man dort zumindest nicht, dass Konzert war seit langem ausverkauft.
Ich hatte mich bewusst früh für das im Gloria angesetzte Konzert der Schwedin Lykke Li entschieden. Polarkreis 18, so mutmaße ich, kann ich in naher Zukunft noch bei Tommy Gottschalk auf der Couch sitzen und singen sehen. Wer einige Wochen die deutschen Charts anführt, zudem mit der 1live Krone einen der wichtigen dt. Radiopreise gewinnen wird (mein Tipp!), der landet schlussendlich auch bei Wetten, dass?!. Ob er will oder nicht.
Lykke Li wird dort – Gott sei Dank – nicht so schnell zu bewundern sein, und da sie überdies die besseren Songs auf ihrem Debütalbum Youth Novels angesammelt hat, war die Entscheidung pro Gloria sehr eindeutig und unzweifelhaft ausgefallen. Für mich gab es diesen Samstag keinen Grund, sich über ein verpasstes Konzert und unglückliche Termingestaltung der Veranstalter zu ärgern.
Lykke Li, die mit vollem Namen Lykke Li Timotej Zachrisson heißt, wurde vor einigen Jahren im schwedischen Ystad geboren. Ystad ist der Ort, in dem auch Kommissar Wallander Psychopathen, Serienkillern und sonstigen Schurken hinterher jagt. Von dort ging’s dann nach Portugal, Italien und New York. In der Stadt mit Loch wurde auch „Youth Novels“ aufgenommen, zusammen mit Björn Yttling von Peter, Björn and John (Young Folks könnte man kennen).
Dass der Abend nicht allzu lang werden kann, war so von vorneherein klar. Wenn eine Band oder ein Künstler mit ihrem Erstling unterwegs ist, dann dauern Konzerte meistens nicht länger als eine Stunde.
So war es auch am Samstag. Eine Vorband war nicht gebucht, so tönte um neun Uhr noch entspannte Konservenmusik in das doch recht gut gefüllte Gloria. Lykke Li scheint kein Geheimtipp mehr zu sein. Mädchen Mitte 20 scheinen Lykke Li sehr zu mögen. Zumindest fanden sich viele von ihnen im Gloria.
Um kurz vor halb zehn war dann Schluss mit belanglosem CD-Lärm und die Schwedin, der man ihre Herkunft am leicht nordischen Englischakzent immer mal wieder anhört, betrat für gut eine Stunde die Bühne.
Der Keyboarder war der erste, den man auf der spärlich ausgeleuchteten Bühne sah. Er begann direkt mit seiner Arbeit und bei den ersten Tönen erschallte der erste, und bei weitem nicht letzte und lauteste, Jubelschrei im Gloria. Jeder erkannte die ersten Klänge von Dance, Dance, Dance. Der erste Song also gleich die Übersingle des Albums.
Lykke Li wählte keinen seichten Start ins Programm. Als letzte nach dem Schlagzeuger und Gitarristen kommt sie mit einem Drumstick bewaffnet auf die Bühne. Ein zusätzliches Becken wurde neben dem Schlagzeug aufgebaut. Das ist nur für Lykke da. Wie der Sänger von Friendly Fires (die im übrigen eine sehr nette Coverversion von I’m good i’m gone gemacht haben) oder „Cut off your hands“ unterstützt auch sie bei einzelnen Songs tatkräftig die Schlagzeugbeats. Eine interessante Modeerscheinung in keyboardlastigen Indiebands.
Dance, dance, dance ist das Motto des Abends. Mit „Let it fall“ und besagtem „I’m good i’am gone“ bleibt das Tempo hoch. „Hanging high“ bietet eine kurze Verschnaufpause, doch die eher ruhigen Sachen des Albums kommen nicht zum Zug. Es wird ein sehr tanzbares und poppiges Konzert. Einzig „Everybody but me“, was aber live bedeutend mehr verve hat, und „Window Blues“ beruhigen etwas. Das schöne „Melodies & Desires“ oder auch „My love“ stehen leider nicht auf der Setlist. Naja, alles geht eben nicht. Ich denke, sie fallen dem Elektro-Dance-Konzept zum Opfer.
Denn „Complaint Department“ und „Breaking It Up“ legen die Spur eindeutig in den Club, die beiden Coverversionen “Cape Cod” von Vampire Weekend, welches förmlich mit der Single „Little bit“ verschmilz, und „I can kick it“ von A tribe called Quest ergänzen das Set perfekt und lassen alle Beine mitwippen.
Lykke Li live ist anders als das Album vermuten könnte. Sie ist mehr Beatkönigin als sanfte Songwriterin, die leise und schüchtern „Love is a symphony, come sing with me“ flüstert.
Auf der Bühne hüpft und tanzt sie umher. Das erinnert mich spontan an Cyndi Lauper (bei Myspace höre ich gerade, Cyndi macht jetzt auch in Indieelectric), die im Girls just wanna have fun Video ähnlich mit ausgebreiteten Armen und flatterndem Kleid durch die Wohnung und das Leben tanzte. Mit Mütze, schrillen Klamotten und auf toupierten, haarspraygeschwängerten Haaren.
Lykke Li trägt schwarz. Einen glitzernden 20 Dollar Umhang, wie sie uns verrät. Wir mögen doch alle ihre CDs kaufen, damit sie sich neue Klamotten leisten kann. Naja, wenn wir sie nicht schon im Regal stehen hätten, würden wir das sicherlich tun! Aber nicht, damit sich Lükke neue Capes, Schals oder Handschuhe kaufen kann, sondern weil wir ihre Musik so lieben.
Setlist:
01. Dance, dance, dance
02. Let it fall
03. I’m good, i’m gone
04. Hanging high
05. Cape Cod Kwassa Kwassa (Vamipre Weekend Cover)
06. Little bit
07. Everybody but me
08. Complaint Department
09. Until we bleed
10. Window Blues
11. I don’t mind (jump on it)
12. Breaking it up
Zugabe:
13. Tonight
14. Can i kick it (A tribe called Quest Cover)
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Multimedia:
Fotos: frank@ipernity
Video: Medley (von LesMads.de, sehr empfehlenswert)
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