Ort: Ancienne Belgique, Brüssel
Vorband: Farida Amadou
Spirit Fest. Das zweite Konzert innerhalb von drei Tagen. Fast so wie früher! Cool, beziehungsweise stabil, wie es heutzutage heißt. Es hätte auch mein drittes Konzert innerhalb der letzten drei Tage sein können, wenn ich es nicht noch rechtzeitig geschafft hätte, die Spirit Fest Bootsfahrt auf dem Rhein am Tag zuvor abzusagen. Drei Tage, drei Konzerte, hey, ich muss erst wieder reinkommen. Und so schaute ich am Samstag Fussball-EM und fuhr am Sonntag nach Düsseldorf.
Obwohl die Stadt nur unweit entfernt von Köln liegt, ist in Düsseldorf alles anders. Hier brauchen wir kein Testergebnis vorlegen, dafür gilt auch am Sitzplatz Mundschutzpflicht. Die Sitzplätze auf der Aussentribüne vor dem Schauspielhaus Düsseldorf auf dem Gustav-Gründgens-Platz sind durchnummeriert und schachbrettmusterartig vergeben. Ich habe es mittlerweile aufgegeben, eine Systematik oder gar Einheitlichkeit hinter den Coronaschutzregeln zu suchen. Es ist, wie es ist. Und hier ist es eben so. Personal achtet darauf, dass die Regeln eingehalten werden.
Der Veranstaltungsbereich ist als open-space konzipiert. Das bedeutet, dass auch abseits der kostenpflichtigen Tribünenplätze Leute auf dem Platz standen oder saßen, und dem Konzert zuhörten. Das stört niemanden und wie man uns vor Beginn der Veranstaltung an der Theaterkasse sagte, ist das sogar ein bisschen gewollt.
Da wir etwas früh sind, schauen wir uns um. Das Düsseldorfer Schauspielhaus ist ein Designkunstwerk. Ende der 1960er Jahre errichtet wirkt es auf mich zeitlos und unaufgeregt elegant. Es hat eine elegant geschwungene Form, die Außenfassade ist in weiß verputzt. Es erinnert mich ein wenig an Gebäude aus der weißen Stadt in Tel Aviv und das New Yorker Guggenheim Museum. Der Platz davor, umrahmt von zeitgemäß aussehenden Hochhäusern, hat seinen ganz besonderen urbanen Charme.
(PS: Wenn du alt genug bist, könntest du das Schauspielhaus von deinem Windows-PC kennen. Es war eines der Motive für den Desktop-Hintergrund von Windows 7. Unnützes Wissen, das ich natürlich nicht hatte. Ich habe das auf der Wikipedia Seite des Schauspielhauses nachgelesen.)
Spirit Fest werden vor dieser Kulisse auftreten. Im Rücken das Schauspielhaus, links und rechts Überbleibsel eines alten Militärflugzeuges, das als multifunktionale Installation Third Space derzeit auf dem Gustav-Gründgens-Platz ausgestellt wird.
Spirit Fest sind Mat Fowler, Cico Beck (Joasinho, The Notwist) und Markus Acher (The Notwist) sowie das japanische Duo Saya und Takashi Ueno a.k.a. Tenniscoats. In Düsseldorf fehlt der Engländer Mat Fowler aufgrund Reisebeschränkungen wegen des COVID Krams. Seit etwa vier Jahren machen sie gemeinsam Musik, vor einigen Tagen erschien ihr drittes Album Mirage Mirage.
Was fällt mir zur Spirit Fest Musik ein? Ich möchte es so beschreiben: melancholische Indiepopmusik mit japanisch-englischem Gesang. Saya Ueno und Markus Acher teilen sich gesanglich die Songs oder singen im Wechselgesang. Die beiden Stimmen passen irgendwie super zusammen, wie generell das gesamte Ensemble wunderbar harmoniert. Kein Instrument spielt sich zu sehr in den Vordergrund, keiner der Musiker beansprucht eine Leaderrolle. Dadurch entstehen ruhige, verträumt und nachdenkliche Songs wie „Rain, Rain“ oder „The snow falls on everyone“. Wer welche Songs schreibt, weiss ich nicht. Ich vermute aber, dass Markus Acher die Songs zu verantworten hat, die diese schöne Notwist Gitarre haben.
Bevor das gut einstündige Konzert beginnt, steht noch etwas Smalltalk auf dem Programm. Wie man sich kennengelernt hätte, was die Alien Disco so mache und wie es allgemein in der japanischen Indieszene aussähe, möchte der Moderator Stefan Schneider von Markus Acher und Saya Ueno wissen. Aufgrund unterschiedlich guter Englischkenntnisse holpert das Gespräch charmant daher, die wichtigsten Fakten kommen aber zur Sprache.
Auf einer Tour mit Lali Puna durch Japan und auf der Suche nach japanischer Indiemusik im CD-Regal bei Tower Records, entdeckte Markus Acher irgendwie die Band Tenniscoats. Irgendwie, weil ich die genaue Geschichte vergessen habe. Die Musiker lernten sich kennen und über Tenniscoats tauchte er weiter in die Szene ein, entdeckte weitere Bands, die alle toll waren, ließ sich Zusammenarbeiten erklären und wurde – wie es mir erscheint – ein riesengroßer Fan japanischer Indierockmusik. Tenniscoats wurden daraufhin quasi Stammgäste der Alien Disco, ein von Markus Acher kuratiertes, kleines Festival in den Münchner Kammerspielen.
Schnell kommt die Sprache auch auf die bekannteren Pizzicato Five und Cornelius. Cornelius? ich stutze. Von Cornelius habe ich doch eine CD zuhause rumstehen. Ich prüfe das und ja, ich besitze sein Album Fantasma und die Erinnerung kommt beim Lesen der Trackliste zurück. „Star fruit surf rider“ war seinerzeit ein Tipp von Klaus Fiehe bei wdr1. Ich muss googlen, das war vor 24 Jahren.
Zugegeben ist das meine einzige Verbindung zu japanischer Indiemusik. (Mono möchte ich nicht als Indiepopband bezeichnen). Somit höre ich während des Gesprächs auch zum ersten Mal von dem Sampler Minna Miteru (A Compilation Of Japanese Indie Music), den Saya Ueno zusammen mit Markus Acher veröffentlicht hat.
https://morrmusic.bandcamp.com/album/minna-miteru-a-compilation-of-japanese-indie-music
**In collaboration with Markus Acher’s Alien Transistor label, Morr Music presents a collection of hard-to-find Japanese independent music, compiled by Saya, who plays with Ueno Takashi in the iconic duo Tenniscoats. They are part of a current music scene, which is little known outside of Japan. „Minna Miteru“ focuses on that very scene: the featured bands and musicians share a certain idea of DIY, and are also connected through frequent collaborations and mutual appreciation.**
Nachdem das mit der japanischen Indiemusik ausführlich besprochen wurde, stellt der Moderator eine letzte Frage: Shall we listen to some Spirit Fest music?
Und bevor der Regen einsetzt, spielen Spirit Fest ein ganz wunderbares Konzert voller ruhiger, melancholischer Songs. Bands, in denen Markus Acher mittut, höre ich wirklich sehr gerne.