Es ist nichts los im Dortmunder Freizeitzentrum West. Der langjährige Dortmunder Klub hat sich nach seinem Umzug in die Nähe des alten Unionsbrauereigeländese verstärkt dem Ausrichten von Konzerten verschrieben. Auch früher fanden im alten FZW Konzerte statt, aber in der neuen Umgebung mit der größeren und aufgeräumteren Halle werden auch „dickere“ Akts in die Bierstadt gelockt. Phoenix spielen hier im November, The Notwist im Dezember. Eine solche Konzertvielfalt hat diese Ruhrgebietsstadt länger nicht gesehen. Ich hoffe für die Betreiber, dass der Publikumsandrang entsprechend ist und der Laden auch im nächsten Jahr in ähnlich ambitionierter Form weitermachen kann. Es wäre dem Dortmunder Indie-Publikum zu gönnen.
Gestern versteckte es sich allerdings in den eigenen vier Wänden. Rund um das FZW war es nahezu menschenleer.
„Hast Du ne Pfandflasche“, fragte mich der Leergutsammler, der verloren auf der Straße auf- und abging. Ich verneinte und da wir beide nichts anderes zu tun hatten, begannen wir ein Gespräch. „Wer spielt hier heute, Pompeji, ne?!“ Der Mann schien gut informiert, und in den nächsten Minuten sollte ich noch einige interessantes Innenansichten aus der Leergutbranche, wie er es nannte, erhalten. Zwei große Plastiktüten Glasflaschenleergut wiegen ungefähr 40 Kilo und bringen 8 € Pfandgeld. Er kannte alle Veranstaltungshallen im Ruhrgebiet und Köln. E-Werk und Palladium seien lohnenswerte Orte, ebenso das Rheinenergiestadium. Köln biete generell mit den Kauflandöffnungszeiten bis 24 Uhr optimale Umtauschbedingungen, allerdings müsse er vor jeder Fahrt abwägen, denn die Zusatzkarte zum VRR-Verbundticket darf nicht negativ zu Buche schlagen. „Der Unterschied Bruttoeinnahme und Nettogewinn darf nicht zu groß sein.“ Ansonsten sei es kein leichter Job. Die schweren Taschen, die Konkurrenz unter den Sammlern („Wenn einige eine Flasche riechen, dann hast Du keine Freunde mehr.“) hinterlassen Spuren. Er erzählte noch einige Anekdötchen und Geschichten. Am meisten ärgere ihn jedoch das teilweise schreckhafte Verhalten der Besucher. „Wenn wir sammeln, dann halten einige ihre Taschen fester. als ob wir klauen wollten.“ So verging die Zeit, und nachdem wir uns verabschiedet hatten, ging ich nachdenklich in Richtung Eingang.
Im Klub sah es nicht betriebsamer aus. Gerade mal 20 Zuschauer wollten Pompeji sehen und hören. Das war nicht viel, wenn es nach mir ginge, hätte es die zehnfache Zahl sein müssen, denn Pompeii ist eine tolle Band. Noch mal: Pompeii ist eine tolle Band!
Vor fünf Wochen habe ich die Band entdeckt und war sofort begeistert. Amerikanischer Indiepop. Ich mag diese Spielart besonders gern, und wie es so ist, was man selbst toll findet, so glaubt man, müssen auch andere toll finden. Aber die Welt ist nicht gerecht.
So wirkte das FZW wie ein trostloser Herbsttag, als die vier Austiner die Bühne betraten. Dean Stafford, Erik Johnson, Colin Butler, Rob Davidson leben, wohnen und arbeiten in Amerikas heimlicher Musikhauptstadt.
Die Band gründete sich 2004. 2006 veröffentlichte sie mit „Assembly“ ihr erstes Album, 2008 folgte mit „Nothing happens for a reason“ der Nachfolger. Soweit der Biographiesprint.
Als ich hörte, dass die Band im September auf ihre erste Europatour geht, freute ich mich sehr. Vor allem auf Caitlin Baily’s tolles Cellospiel. Setzt sie doch mit ihrem Instrument die feinen Akzente in den Pompeii Songs.
Doch als im FZW nur vier Jungs die Bühne stürmten war klar, dass Caitlin Baily’s nicht mit nach Europa gekommen war. Auf ihr bittersüßes Spiel musste ich also (leider) verzichten. Dafür hatten sie eine andere Überraschung für mich parat.
Live klingen Pompeii eher nach Film School als nach RaRaRiot oder ähnlichen US-amerikanischen Indiebands. Wer „Nothing happens for a reason“ kennt, mag sich jetzt vielleicht wundern, und sind Film School nicht eher eine dieser neuen amerikanischen shoegazeraffinen Bands? Richtig, genauso wie die kombinierte Schlussfolgerung, dass die Songs live gitarrenlastiger interpretiert werden. Das Cello wird durch die Gitarre ersetzt, und die leisen Momente der CD finden so gut wie gar nicht statt. Dean Stafford und Erik Johnson blicken ganz schön oft zu Boden, „Rabbit ears“ und das abschließende „Nothing happens for a reason“ enden im Gitarrensalsa, dass es Sänger Dean Stafford gar auf den Boden wirft.
Das sieht in einem leeren Klub skurril aus. Nur gut, dass er nach dem ersten Song seine Brille abgesetzt und auf eine der Boxen gelegt hat.
Das Liveerlebnis stellt die Band in einen anderen, in einen rockigeren Kontext. Das traut man den Songs so nicht unbedingt zu, macht die Sache aber spannender.
Pompeii haben überzeugt.

Setlist:
01: Where we’re going, we don’t need roads
02: The Viking
03: False Alarm
04: Assembly
05: Ready / Not Ready
06: Rabbit ears
07: Knots
08: Nothing happens for a reason
Zugabe:
09: Sit and wait
10: Relative is relative

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

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