Ort: Barrowland, Glasgow
Vorband: Le Volume Courbe

My bloody valentine

1992. Die Roadies von My bloody Valentine haben nach einer großen Ewigkeit der Rückkopplungen und des ohrenbetäubenden Lärms die Verstärker ausgeschaltet. Endlich Ruhe. Was war das denn gerade? Ich war tief beeindruckt. Gut, es war in der Hauptsache Rückkopplungsgefiepse, aber in der Summe mit all dem vorangegangen Lärmausbrüchen und Gitarren war es mehr als das. Es war ein grandioser Konzertabschluss eines überwältigenden Konzertes. Wäre es nicht so gewesen, hätte ich nicht mehr so detaillierte Erinnerungen.
Daher war eine Diskussion absurd, als die Idee entstand, My bloody Valentine im März diesen Jahres in Glasgow anzuschauen. 21 Jahre nach diesem Konzertereignis war es eine Herzensangelegenheit, My bloody Valentine nochmals live zu sehen. Dass die Briten nach fast genauso langer Zeit ein neues Album veröffentlicht haben, nahm ich da schon eher beiläufig zur Kenntnis. Das Liveerlebnis aber war mir wichtig, das wollte ich mir nicht entgehen lassen. Vom neuen Album „MBV“ hatte ich bis zu diesem Samstagabend gerade mal die ersten die Songs gehört. Danach war aber klar: My bloody Valentine klingen 2013 genauso wie 1992, es hat sich nichts geändert. Die übrigen Songs würde ich mir dann im Barrowland in Glasgow anhören.
Um in den Konzertsaal zu gelangen, mussten wir in die dritte Etage. Der Saal ist kurz vor Konzertbeginn knapp zur Hälfte gefüllt, wenn My bloody Valentine in anderthalb Stunden auftreten werden, ist er gerammelt voll. Es war ihr zweites Konzert auf der Insel, nachdem sie im Jahr bereits einige Konzerte in Asien und Australien gespielt haben.
Am Abend zuvor spielten sie in Birmingham, die Setlist des Konzertes versprach einige Ohhs und Ahhs. Sehr schade fand ich, dass „Don’t ask why“ wohl nicht gespielt wird, überraschend fanden wir, dass sie wohl nur drei neue Songs spielen. Nun, vor Konzertbeginn Setlisten googlen ist eigentlich nicht mein Ding, aber dieses Mal siegte die Neugierde. Wir sahen schließlich My bloody Valentine und nicht irgendeine Band. Eine gewisse Grundspannung und große Vorfreude lag in der Luft, als wir uns zu Fuß in Richtung Glasgower Innenstadt aufmachten. Das noch am Tag als sehr kalt empfundene Wetter war gar nicht mehr so störend, der gut 20 minütige Weg kam mir viel kürzer vor als am Nachmittag, als wir am Barrowland ankamen.
In der ersten Etage des Barrowland sind der Merchstand, eine Bar und die Garderobe untergebracht. Es war das erste, was wir nach der Einlasskontrolle entdeckten. Die Einlasskontrolle, ein Kapitel für sich. Zum ersten Mal betrat ich durch einen Metalldetektor eine Konzerthalle. Während gefährlich wirkende Personen bis auf das Kleingeldfach des Portemonnaies penibelst auf Waffen und Drogen kontrolliert wurden, wurde meine Kontrolle durch die scheinbar richtige Antwort „No“ auf die Frage „Are you smoking?“ sehr abgekürzt.
Die Vorband Le Volume Courbe um die Sängerin Charlotte Marionneau begeisterte mich wenig. Die Franzosen hatten ein sehr undurchsichtiges Programm, leichte Neo-Folk-Popnummern wechselten mit Weltmusik und Italowestern-Geigensequenzen.
My bloody Valentine boten das, was wir von erwartet hatten. Das liest sich furchtbar unspektakulär und unaufgeregt, aber genauso war ihr Konzertbeginn. „I only said“ und „When you sleep“ eröffneten einfach so aus der maleng heraus. Ohne großen Tamtam waren Bilinda Butcher, Debbie Googe, Schlagzeuger Colm Ó Cíosóig und Kevin Shields plötzlich auf der Bühne und spielten drauflos. „New you“, als drittes Stück der erste neue Song, er fiel gar nicht weiter auf. Was mir direkt auffiel: die Sphärenhaftigkeit ihrer Songs ist live phänomenal. Auch wenn der Gesang von Belinda Butcher oft im umgebungslärm untergeht, er ist doch da und jederzeit irgendwie spürbar. Immer dann, wenn ihn gar nicht mehr auf der Rechnung hat, hört man ein leichtes säuseln zwischen den schwebenden, verzerrten Gitarren. Neben „New you“ spielen sich noch „Wonder 2“ und „Only tomorrow“ vom aktuellen Album, aber sie spielen auch „Cigarette in your bed“ und „Honey power“ von der Tremolo EP. „Soon“ erkannte das Barrowland bereites nach den ersten Tönen, natürlich! Es ist der große Hit der Band und steht wie kein anderer Song für My bloody Valentine.
Wer „Soon“ hört, weiß, wie Shoegaze klingt und was britische Indiemusik Anfang der 90er ausgemacht hat. Wie groß und wichtig „Soon“ auch viele Jahre später ist zeigen übrigens Asobi Seksu, die ihren Song Sooner 2007 veröffentlichen. Ein legitimer Nachfolger.
Nach „Soon“ verliess ich den vorderen Hallenbereich. Ich drängelte mich an begeistert dreinblickenden Menschen vorbei nach hinten an die Getränkestände. Ich war sehr überrascht, wie voll es auch noch hier hinten im Barrowland zuging. Ja, der Alden war wirklich pickepacke voll. Der getränkestand meldete ausverkauft und ich musste schnell runter in die erste Etage. Als ich wieder in den Konzertsaal zurückkam, liefen die ersten Minuten von „You made me realized“. „Ist der Sound jetzt lauter oder liegt es nur an meinem neuen Standort.“ fragte ich mich sekundenlang. Die nächsten sieben Minuten, die der NME als „holocaust section“ bezeichnet, bekam ich eine gute Antwort: Ja, My bloody Valentine hatten nochmals die Regler aufgedreht. Es dröhnte und hämmerte nahe der Schmerzgrenze. Selbst im hinteren Bereich war die Wucht des Lärms körperlich spürbar. Wow! Ein tolles Erlebnis. Auf 12 Minuten dehnten sie “You made me realize”, und legten ein abschließendes „Wonder 2“ nach. Wenn es nach mir gegangen wäre, hätten sie das nicht mehr tun müssen. „You made …“ wäre ein mehr als würdiger Schlusspunkt gewesen. Was bitte schön sollte nach diesen 12 Minuten noch aufregenderes kommen? Das ging gar nicht und so empfand ich das konzertbeendende „Wonder 2“ als überflüssig. Ja, es störte mich regelrecht. Danach war endgültig Schluss. Kevin Shields sagte noch was und My bloody Valentine verschwanden so, wie sie die Bühne betraten. Unaufgeregt und unspektakulär.

Der Glasgowausflug hat sich gelohnt. Ich möchte jedem ein My bloody Valentine Konzerts sehr ans Herz legen. Es ist ein großes Erlebnis und eine besondere Erfahrung. Ob ich mir die Briten allerdings im Sommer auf einem der vielen Festivals anschauen werde, glaube ich eher nicht. Diesen guten Eindruck möchte ich mir nicht so schnell vermiesen!

Setlist:
01: I only said
02: When you sleep
03: New you
04: You never should
05: Honey power
06: Cigarette in your bed
07: Only tomorrow
08: Come in alone
09: Only shallow
10: Thorn
11: Nothing much to lose
12: To here knows when
13: Slow
14: Soon
15: Feed me with your kiss
16: You made me realise
17: Wonder 2

Multimedia:

Schreibe einen Kommentar