Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Odonis Odonis

Es ist viel los in der Stadt an diesem Dienstag. für Chuck Prophet spielt im Blue Shell, die Stranglers (ja genau, die „Always the sun“ Stranglers) im Luxor, Terry Hoax im MTC (ach je, die gibt’s noch!), Bernd Begemann im Gloria und Maps & Atlases im guten Gebäude 9. Letzteres ist das Konzert meiner Wahl und gleichsam eine berufliche Pflichtveranstaltung.
Als ausgebildeter Photogrammeter und fernstudierender Geoinformatiker sind räumliche Daten und deren Abbildungen mein tägliches Arbeitsbrot. Und wenn schon eine Band meine beruflichen Pflichten in ihrem Namen trägt (Bands mit Namen The Geodetics oder Projection: Ortho kenne ich nicht) muss ich sie natürlich unterstützen.
Vor 2 Jahren kaufte ich mir ihr Album „Perch Patchwork“ und war enttäuscht. Puhh, diese Platte klang auf das erste Hören folkig, für mich zu folkig und so landete sie kaum gehört im CD Regal und wurde nicht mehr angepackt. Als ich nun vor einigen Wochen die Konzertankündigung las, packte mich trotz allem das Gefühl, mir die Mannen aus Chicago ansehen zu wollen. Je näher der gestrige Tag rückte, umso intensiver suchte ich nach Videos und neuem Material, hörte und schaute mich um und entdeckte mal mehr mal weniger folkig aber interessante Melodien. Hatte ich mich etwa mit meiner Schnellschussmeinung über „Perch Patchwork“ geirrt? Sind Maps & Atlases gar nicht so folkig wie mir der Rasputinbart des Sängers Dave Davison vormachen wollte? Ich hörte „Perch Patchwork“ erneut und noch einmal und entdeckte vielschichtiges. Math-Rock, Math-Folk, das klang schon interessanter und ihr aktuelles Album, das letzte Woche veröffentlichte „Beware and be grateful“, bestätigte und ergänzte den durch Internet-Suchmaschinen gewonnen Eindruck.

Auf “Beware And Be Grateful” bewegen sich Maps & Atlases noch weiter weg vom Post- bzw. Mathrock, der ihre frühen Stücke prägte. Geblieben sind die technische Perfektion und die Spielfreude der vier Musiker. Dave Davison beschreibt den neuen Sound der Band so:
“Das klingt vielleicht ein bisschen schwammig aber ich würde unsere Musik als Experimentalpop oder Progressive Pop bezeichnen. Es gibt so viele Untergenres, aber es ist im wesentlichen Experimentalpop.”
Da verwundert es nicht, wenn man in Songs wie Remote And Dark Years Paul Simons Graceland zu hören meint oder sich mitunter an Peter Gabriel erinnert fühlt. (via detector.fm)

Na geht doch. Meine Neugierde stieg und die Freude auf den Abend wurde grösser.
Wir verabredeten uns für gegen halb zehn am Gebäude 9. Ein langer Arbeitstag und anderen Dinge ließen es nicht zu, dass ich es pünktlicher nach Köln schaffen sollte. So kam es, dass wir mindestens eine der beiden Vorbands (nämlich die Acedemies aus Köln) verpassen sollten. Als wir die Halle bestraten, spielte die zweite Band des Abends, Odonis Odonis aus Kanada. „Die Band spielt noch nicht lange“, ich habe die Worte der Kartenverkäuferin am Eingang noch im Ohr, als die drei Musiker 5 Minuten oder drei Songs später ihre Gitarren abschnallten und zusammenpackten.
Was außen durch die Fensterscheiben der ehemaligen Lagerhalle noch dröhnig dumpf laut zu uns herüberschallte war drinnen nur noch laut. New Grunge, sag ich mal. Allerdings ist ein Höreindruck von 5 Minuten nicht sonderlich aussagekräftig. Die Band selbst beschreibt sich auf ihrer Homepage als

is a three-piece industrial surf-gaze outfit fronted by Dean Tzenos and backed by Jarod Gibson (Thighs) and Denholm Whale (Cartoons).

Passt auch.
Wie steht es in Barcelona? Zu Beginn der zweiten Halbzeit gestatten wir uns intensive Blicke auf den Liveticker. 2:1 für Barca, eine erste Überraschung des Abends. Wie es dazu kam, was in den ersten 45 Minuten passierte fesselte uns die nächsten Minuten.
Nein, nein, wir waren aufmerksam und haben nichts vom Konzert verpasst, gegen 10 Uhr hieß das Bühnenprogramm noch Umbaupause. Schwieriger wurde es, als kurze Zeit später Maps & Atlases auf die Bühne kamen. Aber nicht unmöglich, alle 5 Minuten musste ein Fußballupdate über das Mobiltelefon aber sein: Torres für Drogba, Gelbe Karte für Meireles.
Die Maps & Atlases spielten derweil Song Nr. 3.
Gegen fünf nach halb elf dann der letzte Blick auf den Liveticker, eine heimlich geballte Jubelfaust und von da an volle Konzentration auf die Musik.
Wie beschreibe ich den Stil der Maps & Atlases nachvollziehbar? Vielleicht schaffe ich es über die Beschreibung der vier Musiker: Bassist Shiraz Dada, immer tänzelnden Schrittes und mit hochgetragener Gitarre unterwegs, gibt die Foals und Friendly Fires Abteilung, Rauschebartträger Dave Davison steht für Folk und Gitarrist / Keyboarder Erin Elders sowie Schlagzeuger Chris Hainey in Sweatshirts und casual wear repräsentieren den 90er US Indie im Maps & Atlases Sound.
Dieses Gemenge beschreibt es gut und ich finde es immer wieder herrlich, wie treffend Schubladen und Klischees in die wirkliche Welt übertragbar sind.
Obwohl ich mir das aktuelle Album und auch den Vorgänger in den letzten Tagen angehört habe, erkenne ich im Laufe des Konzertes spontan nur einen Song: „Pigeon“, ihren Hit. Was mir in der Konserve gar nicht so auffiel, mich aber live auf Konzertdauer sehr nervte war das Calypso-eske im Schlagzeug, dass in vielen Stücken auftauchte. Das war mehr weltmusik-hibbelig als rock-hibbelig. Paul Simon habe ich oben schon zitiert und im nachhinein denke ich immer mehr, dass dieser Name zurecht in dem Artikel genannt wurde. Dabei werden Maps & Atlases ja gerne als Math-Rock Band bezeichnet. So ganz möchte ich dem nicht zustimmen, aber was bedeuten schon Schubladen und Kategorien?
„Es war nicht so schlimm, oder?“ „Nein, besser als ich heute Mittag noch dachte.“ Maps und Atlases, das was ihr macht, kann man so machen.

Multimedia:
flickr photos

(Ich weiss, die Tonqualität ist so la la.)

Kontextkonzert:

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