Ort: Reflektor, Lüttich
Vorband:

Grant-Lee Phillips - Lüttich, 17.10.2025

Manchmal braucht es nur eine Akustikgitarre und eine wunderbare Stimme, um ein hervorragendes Konzert zu spielen. Das ist mein Schlussfazit nach guten 80 Minuten Grant-Lee Phillips im schönen Reflektor Club in Lüttich. Denn wow, was für ein tolles Konzert haben wir da gerade gesehen! So minimalistisch, so herzerwärmend. Jeder – und wirklich jeder – verließ mit einem großen Lächeln und leuchtenden Augen den Saal, nachdem das Saallicht anging und die letzte Zugabe verklungen war. Grant-Lee Phillips bestimmt auch. Denn auch er konnte mit dem Abend zufrieden sein. Der Saal war gut besucht  (ich hatte ehrlicherweise nicht mit so vielen Besuchern gerechnet, 200 bis 300 sind es allemal) und der Zuspruch während des Konzertes groß. Viel Applaus, aufmunternde Zwischenrufe und bereits vor Konzertbeginn mit Platten bewaffnete Autogrammjäger, die höchst freundlich bedient wurden, und Songwünschende, die mit einem ‘I have to consider….what’s your name?’ mit einem Funken Hoffnung für en Fragenden retourniert wurden.

Lüttich ist an diesem Abend gut besucht. Es ist Ringkirmes (so würde man in Köln sagen), Standard Lüttich hat ein Heimspiel und es ist eben Freitagabend, sprich Ausgehzeit. Die Anfahrt ist entsprechend wild, aber im anvisierten Parkhaus, das sich als überraschend geräumig herausstellt – eine meiner Sorgen vor der Fahrt – sind noch 20 Plätze frei. Passt also, genauso wie die Frites in der nächstgelegenen Frituur noch in die Abendplanung  passen.

Da es kein Vorprogramm gibt, startet das Konzert gegen halb neun. Ach quatsch, es startet um halb neun; in Belgien werden die ausgegebenen Zeitpläne eingehalten. Die Bühne, und die hatte ich im Reflektor nicht so groß in Erinnerung, ist bis auf zwei Monitorboxen und einen Mikrofonständer leergefegt. Grant-Lee Phillips bringt aus dem Backstage seine Gitarre und zwei Wasserflaschen mit. ‘Sein Hals krächze ein wenig’, erzählt er irgendwann, als er ein Bonbon aus der Hosentasche zieht und es sich genüsslich in den Mund steckt, ‘das müsse am Zugfahren, an den Hotels und am Bühnennebel liegen. Ob er nicht ein bisschen mehr Hall auf seine Stimme kriegen könne, dann würden seine Songs auch mehr nach The Doors klingen.’Ja, Grant-Lee Phillips ist ein kleiner Conférencier. Immer wieder baut er kleine Geschichten in die Ansagen ein und bringt den Saal zum Schmunzeln. Und er ist ein extrem guter und großer Singersongwriter. Egal ob Songs aus seinen alten Grant Lee Buffalo Tagen oder die aktuellen Sachen seines 2025er Albums In the hour of dust, sein Songwriting klingt zeitlos. 

An diesem Abend ist das Set fast zweigeteilt. Sechs Songs („Fuzzy“, „The hook“, „Jupiter and Teardrop“, „Mockingbirds“, „Honey don’t think“, „Mighty Joe Moon“), stammen aus den 1990ern und von seiner Band Grant Lee Buffalo. Die andere Hälfte ist ein großer Ritt durch seine 13 Soloalben. Auf Coverversionen verzichtet er an diesem Abend, obwohl zur Zugabe neben „The hook“ – wurde dann gespielt – auch „Under the Milkyway tonight“ gewünscht wurde. Zuvor schon war der Jubel groß, als der pre-Konzert Request „Fuzzy“ als letzter Song im regulären Set angestimmt wurde. Ein italienischer Grant-Lee Phillips Fan, der mir vorher noch erzählte, wie viel ihm der Song „Fuzzy“ bedeute und wie dringend er ihn an diesem Abend hören möchte, fällt mir glatt um den Hals. Nun ja. ‘Damit ist der Abend vollständig großartig‘, denke ich und freue mich für all die, die “Fuzzy” als wichtigsten und/oder bedeutsamsten Grant-Lee Phillips Songs ansehen. Für mich sind das eher „Honey don’t think“ oder „Mona Lisa“. Die hatte er da schon geliefert. Und ich hatte über die Jahre völlig vergessen, dass „Mona Lisa“ sein kommerziell erfolgreichster Song ist. Dank den Gilmore Girls und Grant-Lee Phillips als Stadt-Troubadour in Stars Hollow.
Humankind vom 2001er Album Mobilize ist der älteste Grant-Lee Phillips Song des Abends. Er peppt ihn ein bisschen auf, indem er am Ende ein paar Zeilen von The Cure’s „Just like heaven“ dranhängt. Das passt ganz gut und sorgt für Szenenapplaus. Das Lob ‘Your song is way much better than The Cure’ am Ende des Songs nimmt er schmunzelnd und wohlwollend entgegen. Zum Beispiel dieser hier: „Little men“ vom aktuellen Album ist ein Hit. Schade, dass Grant-Lee Phillips seit Jahren unter dem Radar läuft. In einer gerechten Welt wäre das anders. Und so spielt und erzählt er sich durch den Abend. Die 80 oder vielleicht doch knapp 90 Minuten vergehen wie im Flug.

Es gibt so Konzerte, die sind von der ersten Sekunde an unschlagbar gut. Oder vielleicht sogar vor der ersten Sekunde. So war das nämlich bei Grant-Lee Phillips. Es war so ein Abend, an dem irgendwie ungeplant alles passte: die Fahrt nach Lüttich war relativ unspektakulär, das anvisierte Parkhaus hatte Kapazitäten, die Pommes in der Friture unschlagbar gut, die Wartezeit vor dem Konzertbeginn unterhaltsam und informativ und das Konzert selbst dann ein TOP 5 Kandidat fuer das Konzerte es Jahres.

„Ich male Landschaften mit Worten“, sagt Grant-Lee Phillips über seine Texte, die inzwischen ein rundes Dutzend Soloalben prägen. Aber nicht nur in den Lyrics neigt der 62-jährige US-Singer-Songwriter zum Cineastischen, Atmosphärischen, Bildhaften. Seine feinen Americana-Kompositionen und diese unendlich sanfte, sensible Stimme setzen die Wort-Landschaften perfekt in Töne um. Auch jetzt wieder, auf Phillips‘ zwölften Werk „In The Hour Of Dust“, einem der besten seit dem Split seiner grandiosen Alternative-Folkrock-Band Grant Lee Buffalo (1992 bis 1999).

sounds and books

Genau so!

Kontextkonzerte:
Josh Rouse & Grant-Lee Phillips – Leuven, 24.04.2019 / Het Depot
Grant-Lee Phillips – Köln, 10.10.2015 / Stadtgarten

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