Ort: Blue Shell, Köln
Vorband: ahuizotl

In der Umbaupause beobachten wir ein kurzes Gespräch zwischen dem ahuizotl Sänger Barry Langer und der Bleech Bassistin Katherine O’Neill. In unserer Vorstellung betreiben die beiden eine romantische Fachsimpelei über Mikrofonpositionen und Bühnenaufbau. Nach fünf Minuten Bleech Konzert könnte das Gespräch jedoch auch einen anderen Inhalt gehabt haben: „So, wir sind dann jetzt weg und nehmen gleich 7 Zuschauer mit. Euch dann noch viel Spaß.“ *
Oh weh, es war auffallend leer geworden vor der Bühne, als Bleech ihr Konzert eröffneten. Bei einer geschätzten Gesamtzuschauerzahl von knappen 40 ist jeder Kopf wichtig, die vielen ahuizotl Supporter, die jetzt nicht mehr da waren, waren so visuell sehrspürbar.
Darunter leidet natürlich die Konzertatmosphäre und ich hatte den Eindruck, dass die rothaarige Jennifer O‘Neill auch leicht verstimmt über die geringe Aufmerksamkeit die Bühne betrat. Hier „hello everyone“ ließ es mich in den Zwischentönen heraushören, das passte ihr ganz und gar nicht. Gott sei Dank verlief der Abend dann doch harmonischer als ich zu diesem Zeitpunkt befürchtete. Die beiden Frontfrauen schienen sich schnell mit der Situation zu arrangieren und zeigten eine gute und unterhaltsame Show. Schön aufeinander abgestimmter Duettgesang (wie beispielsweise in der ersten Zugabe „Flowerhands“) und ein satt klingendes Schlagzeug (gespielt von Matt Brick) ließen sich gut an. Ehrlich gesagt hatte ich Bleech nicht so rockig erwartet, meine Startkoordinaten für die Band lagen eher im hipperen Keyboardsynthiepoprock.
Keine Ahnung, wie ich darauf kam, aber diese Vorstellung hatte sich seit dem Frühjahr bei mir irgendwie festgesetzt und da ich natürlich mal wieder keine Zeit hatte, vorher ausgiebiger in das aktuelle Album „Nude“ hereinzuhören, wurde ich überrascht. Im positiven Sinn. Es war eine wohltat, dieses in den letzten Jahren etwas angestaubte Genre Rock in dieser Art präsentiert zu bekommen.
Während des Konzertes fiel mir des Öfteren die Kanadierin Melissa auf der Maur ein. Lag es nur an der roten Mähne oder ähnelten sich Bleech und die Musik auf der Maur‘s ein wenig? Ich hörte starke Gemeinsamkeiten, die über das Aussehen der Frau vorne links auf der Bühne hinausgingen. Gerade die alten auf der Maur Alben klingen sehr artverwandt und Bleech zeigen hier eine angenehme Nähe. Vorne links positionierte sich also ganz in schwarz Jennifer O’Neill, auf der rechten Hälfte bespielte die wasserstoffblonde Bassistin Katherine O’Neill die Bühne. Optisch waren Bleech damit sehr präsent. SEHR präsent!
Musikalisch waren sie laut. Und rockig. Zwei, drei Songs benötigten sie um sich warmzuspielen, dann aber waren sie drin. Und ich auch. Den nach dem Konzert kurz ausdiskutierten Aquariumeffekt hatte ich so nicht wahrgenommen. Das vergaß ich gestern zu sagen. Klar ist es kommunikationshemmend, wenn sich das Publikum nicht unmittelbar vor der Bühne drängelt, aber dies berücksichtigend empfand ich den gemeinsamen Konzertgeist von Band und Zuschauer als sehr gut. Bleech kommt dabei zugute, dass sie locker eine Handvoll Hits im Portfolio haben, die in jeder Situation funktionieren. „Weirdo“, „Adrenaline Junkie“ , „Mondays“ oder dieses gestern Abend sehr soundgardengeschwängerte Stück Musik, dessen Titel ich nicht kenne.
In Bleech stecken ganz viel 90er Jahre Rock und ganz viel von den damals so guten und schönen Frauenbands wie Hole oder Magnapop. Dabei sind sie nicht ganz so stürmisch wie Cage the elephant, die ja auch sehr alternative Rockig sind, zielen aber eindeutig in die gleiche Richtung.

“Chunky guitar, thunderous but tight drumming, beautifully timed harmonies. Dressed like punks, female-led Bleech continue the lineage of where grunge left off, except with more balls than Air or Feeder. That’s not to say the songs are full of bile – many are ultimately uplifting – it’s just that all are delivered with intensity and vigour and impact. ‘Adrenaline Junkie’, for example, is charged with positive energy.

So lese ich über ihr aktuelles Album im Internet. Bleech hatte ich vor einem halben Jahr auf dem Primavera Festival verpasst. Ein blöder Umstand (am Samstagnachmittag waren wir im falschen Stadtpark Barcelonas, in dem die Band mit drei weiteren ein kleines Konzert spielen sollte) verhinderte seinerzeit ein erstes kennenlernen. Daher war das Konzert an diesem Abend gesetzt. Hätte es eines weiteren Ansporns benötigt, hätte ihn die Vorgruppe locker bieten können. Ahuizotl, der Bleech Schlagzeuger hatte sichtlich Mühe, das Wort unfallfrei auszusprechen, wurden im Vorfeld angekündigt. Ich hatte die Kölner Band schon einmal gesehen und sie blieben mir nicht nur wegen ihres auffallenden Namens in bester Erinnerung.
Es war im Februar im Gebäude 9, als sie vor einer anderen frauengeführten Band eröffneten. Wild Flag spielten seinerzeit groß auf und gerade bemerke ich, dass es doch einige Parallelen zu dem gestrigen Konzert gibt. Bleech und Wild Flag, beides Frauenbands, beides Frauenbands mit musikalischen Wurzeln in den 90ern, und bei beiden die ahuizotl’s als Vorband. Zufall?
Egal, zurück zur Musik. Die fünf Kölner tragen ihren Musikstil quasi auf dem Leib. Das Yuck T-Shirt des Bassisten und ein RaRaRiot Shirt des Keyboarders (da bin ich mir nicht sicher ob es dem RaRaRiot Shirt nur ähnelt oder es eines ist) sagen alles über die Vorlieben der Musiker, die ich dann auch deutlich aus der Musik heraushöre. Das ist schönster Gegenwarts-Indiepop, wie er mir nicht besser gefallen könnte. Im ersten Hördurchgang nach dem Wild Flag Konzert entdecke ich nicht nur Sharon Stoned – die mir im Februar direkt in den Sinn kamen – sondern auch die T-Shirtbands und tausend andere Referenzen. Dass das nicht gleichzusetzen ist mit Langweile und stumpfen nachspielen, das zeigten ahuizotl sehr eindrucksvoll. Besonders gelungen fand ich die ersten drei Songs ihres knapp 40minütigen Sets. Diese Band hat wahrlich mehr als 40 Zuschauer und ich möchte sie viel öfter im Vorprogramm erleben dürfen. Oh ja, wir waren sehr beeindruckt!

*Selbstverständlich waren sie nicht weg, sie hangen alle nur etwas weiter hinten ab.

Kontextkonzerte:
Wild Flag – Köln, 05.02.2012

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