Ort: Stadtgarten, Köln
Vorband: The Kinbeats
„A girl like you“ katapultierte Edwyn Collins vor knappen 20 Jahren in die europäischen Charts und ins weltweite Radio. Das war 1995, lange nachdem er die Post Punk Band „Orange Juice“ gegründet und wieder aufgelöst hat.
Ehrlich gesagt war Edwyn Collins aus meinem Blickfeld verschwunden. Letztes Jahr las ich nach langer Zeit erstmals wieder bewusst seinen Namen; in Kombination mit dem Berlin Festival tauchte er auf. Eine merkwürdige Sache.
Als ich dann in der vergangenen Woche zufällig auf EinsFestival eine Harald Schmidt Late Night Wiederholung sah, stand er plötzlich in meinem Fernseher.
„Losing sleep“ hieß der Song, den er im Studio präsentierte, und „Losing sleep“ heißt auch Edwyn Collins neues Album. Der Song hat Spuren von dieser Billy Bragg Raubeinigkeit, die ich so mag, und überhaupt nichts von dem, was ich bisher mit Edwyn Collins verband.
Gut, das war hauptsächlich „A girl like you“, ich gebe es zu. Also nur ein kleiner Abriss dessen, was man gemeinhin Gesamtwerk nennt.
Sein Auftritt gab mir aber den letzten Tritt, mich in Richtung seines Kölner Stadtgartenkonzerts zu bewegen. Ich war neugierig geworden und wollte mir sein neuestes Album, das seine Plattenfirma mit den Worten
„Losing Sleep“ fasst Edwyn Collins 34-jährige Karriere gebündelt zusammen: Angefangen vom Post-Punk und Brit-Pop bis zur eingängigen Soulmusik“
umschreibt, doch mal live anhören.
Aufgenommen hat Edwyn Collins sein nunmehr siebtes Studioalbum mit einer Reihe illustrer Gastmusiker. Johnny Marr, Alex Kapranos & Nick McCarthy (Franz Ferdinand), Romeo Stodart (The Magic Numbers) und Ryan Jarman (The Cribs) waren unter anderen an der Produktion beteiligt. Wie toll es live ist, wenn all diese Musiker auf einmal mit auf der Bühne stehen, konnte ich hier lesen. Also noch ein Anreiz, mir diesen Mann mal näher anzuschauen, auch wenn dieses best-of Konzert natürlich nicht wiederholbar ist. Dass das in dieser Konstellation für diesen Abend nicht geplant ist, ist klar.
Weiter heißt es im Internet:
„Die Rückkehr des Edwyn Collins mit seinem siebten Album „Losing Sleep“ ist ein kleines Wunder. 2005 erlitt der damals 45-jährige Songwriter binnen weniger Tage zwei Schlaganfälle. Danach lag er sechs Monate im Krankenhaus, konnte weder laufen, noch sprechen, lesen oder schreiben.“
Edwyn Collins kam mit Band und Familie. Seine Frau Grace Maxwell empfang ihn nach Konzertende am Bühnenrand, sein Sohn William durfte (musste) die zweite Zugabe „In your eyes“ singen.
Durfte oder musste deswegen, weil er zu Beginn einen gar nicht glücklichen Eindruck hinterließ. Ein wenig skeptisch dreinblickend stand er auf der Bühne und wusste nicht so recht wohin mit seinen Händen. Die Nervosität verflog jedoch, William steigerte sich in den Song hinein und zeigte dann irgendwie die Rockshow des Abends. Unbestritten hat der Junge Bühnentalent.
Zuvor aber gab es gutes und weniger gutes:
Natürlich spielte Edwyn Collins seinen Überhit „A girl like you“. Wie es sich für einen Überhit gehört, stand er am Ende des regulären Sets. Aber mit Überhits ist das so eine Sache.
An diesem Abend hatte ich den Eindruck, dass es der am wenigsten zündende Song im Konzert war. Das Publikum, altersgerecht anwesend, blieb merklich ruhig.
Vielleicht ging es ja nicht nur mir so: ich kann dieses Lied nicht mehr hören. „A girl like you“ wurde überstrapaziert. Im Jahr seiner Veröffentlichung, war er omnipräsent. Selbst wenn man wollte, konnte man ihm nicht entkommen. Überall und zu jeder Zeit hörte man „dub dub dum dub dub dub dum dub dub dum dub dum dum“.
Genauso gut wie man zu Beginn noch dazu tanzen konnte, konnte man im Verlauf des Jahres das Radio und den Fernseher getrost abschalten, sobald die ersten „dubs“ erklangen. Neben den älteren (aber Anfang der neunziger noch hochaktuellen) „Mystify“, „Lessons in love“ und „Wonderful life“ gehört „A girl like you“ für mich in die Kategorie „sattgehört“.
Schade, denn es war ein guter Song.
Schade auch, dass weite Teile des Konzerts völlig an mir vorbeigegangen sind.
Liegt aber an mir, denn ich ertrage nur ein bestimmtes Maß an Soulpop. Und davon bot Edwyn Collins im Stadtgarten eine ganze Menge. Mit „It dawns on me“, das relativ früh im Set auftauchte, erreichte mein Aufmerksamkeitsdefizit seinen Höhepunkt, mir fielen plötzlich ganz abstruse Dinge ein: zum Beispiel, dass die fiesen Saxophonpassagen, die sehr häufig auftauchten, mich an Lisa Simpson erinnern, ich die rote Krawatte von Gitarrist Andy Hackett, der gefühlt mehrfach davor stand, seine Gitarre im Verstärker zu versenken, ganz hervorragend fand oder das die Entscheidung für „The Kinbeats“ als Vorgruppe (eine deutsche Band, die in London lebt und auf Collins Plattenlabel veröffentlicht) eine immer nachvollziehbarere wurde.
Bevor ich jedoch zu sehr abschweifen konnte, holten mich die guten Momente des Abends zurück. Es war dies zwei Orange Juice Songs (einer davon war „Rip it up“) sowie das Franz Ferdinand Lied des neuen Albums. „Do it again“ hörte ich an diesem Abend zum ersten Mal. Alex Kapranos und Nick McCarthy haben an diesen Song mitgearbeitet, und ihre Handschrift ist eindeutig. „Do it again“ klang sehr nach den anderen Schotten. Es ist ein kleiner Hit!
Und dann spielte Edwyn Collins seinen anderen Hit ….
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Fotos: frank@flickr
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