Ort: E-Werk, Köln
Vorband: –
Muse, so ganz bin ich mir nicht darüber im klaren, warum ich Dienstag letzter Woche um 10 Uhr morgens wie wild bei Ticketmaster um ein Ticket für das 1live Radiokonzert kämpfte und es schlussendlich doch bekam. Schon klar, die ersten vier Alben sind großartig, das letzte, „The Resistance“, allerdings besonders scheußlich. Da setzte bei mir Kaufverweigerung ein und Muse wurden mir gleichgültiger.
Anfang der Nuller- Jahre war ich ganz klar auf ihrer Seite. „Showbiz“ und „Origin of symmetrie“ mit einem sehr beeindruckenden Konzert in eben diesem E-Werk (oder war es gar schon hochverlegt auf die andere Straßenseite?) setzten große Ausrufungszeichen und Matt Bellamy war einer der Musiker der Stunde. Stilistisch wurden Muse eher mit Radiohead als mit Oasis in einen Topf geworfen, was genauso richtig ist wie sie nicht mit den Emo Bands ihrer Zeit gleichzusetzen, auch wenn Muse mit denen durchaus die ein oder andere Gemeinsamkeit hatten. Aber dann setzten Veränderungen ein. Zu Queen wurden Muse mit „Soldier’s Poem“ und „Map Of The Problematique“ vom Album Black Holes And Revelations, und ich wurde stutzig. Das Album ist voller Pathos und Bombast und Matt Bellamys hohe Kopfstimme erschien mir noch nie so aufdringlich Mercury-esk wie hier. Damit hatte ich zugegebenermaßen kleinere Probleme und Muse verloren für mich an Reiz.
The Résistance brachten diesen Reiz nicht zurück. Ein schlimmes „Undisclosed desires“ und die Symphonien am Ende des Albums ließen mich nicht wirklich begeistern. Trotzdem besuchte ich ihr Konzert in der Lanxass Arena und fand es großartig. Dieses Erlebnis muss mir unterbewusst so hängen geblieben sein, dass ich mir Tickets für diesen Abend unbedingt sichern wollte. Wie überragend Muse live sein können, hatte ich ja schon erlebt.
„Da hat aber jemand zu viel George Michael gehört.“ Im Radio sang jemand „I can’t get this memories out of my mind“ und das schrie förmlich nach George Michael’s „I want your sex“. Oh nein, wir wussten nicht, welcher geschmacksverirrte Sänger sich an dem ex-Wham Frühwerk derart vergriff, dass es schon wieder beeindruckend war. Zwei Tage später, der Song lief erneut im Radio, lernte ich in der Abmoderation, dass es sich um die neue Muse Single „Madness“ handelt. Wow, dachte ich, es geht tatsächlich noch abstruser als bei „Undisclosed desires“.
Das „Madness“ vom kommenden Album „The 2nd law“ kein Ausreißer nach unten sein soll, hörten wir an diesem Abend bei den weiteren sechs neuen Songs, die Muse im E-Werk zum ersten Mal live präsentieren. „Save me“, „Panic station“ oder „Survival“ begeistern mich nicht wirklich direkt. Allerdings kann so ein erster Höreindruck – gerade live – das Bild sehr verwässern. In einem Konzert können viele Ablenkmomente dafür sorgen, dass Songs schlechter rüberkommen als sie es in Wirklichkeit sind: Nervende Nachbarn, stressige Anreise, eine schlappe Livedarbietung. Da ich kein Profi bin, passiert es mir sehr oft, dass ich mich von solchen Dingen sehr beeinflussen lasse und Objektivität verliere.
Im Vorfeld des Radiokonzertes wurde eine Show ohne viel Brimborium angekündigt. Also diesmal keine hochfahrenden Klaviere, schwebende Stahlklötze oder gar Pyrokram. Muse ganz intim (eine sehr niedliche 1Liveumschreibung für ein Konzert im E-Werk) und nicht durch Show- und Effektschnickschnack zu sehr vom Fan distanziert, so wurde es versprochen. Dass die Muse Show dann wirklich nur aus der Band, etwas (viel!) Licht und ohne Klavier, Raketenmänner und Konfetti durchgezogen wurde, löste das Versprechen ein.
Als wir das E-Werk betraten war es bereits sehr intim. Der Innenraum war bereits eine halbe Stunde vor offiziellem Konzertbeginn (inoffiziell startete es eine halbe Stunde später gegen halb neun) proppenvoll und die Nähe zum (nächsten) Fan war so bereits sichergestellt. Zum Glück blieb es bei dieser Nähe, enger und ungemütlicher wurde es nicht mehr. Es schien so, als ob bei allen die Vorfreude dafür gesorgt hat, pünktlich anzureisen und nicht erst auf den letzten Drücker die Halle und die vorderen Reihen zu belegen.
Wie ist es eigentlich, wenn eine Bombastband plötzlich ohne Bombast ein Konzert spielt? Fehlte einem etwas? Ist man gar enttäuscht, weil einem das abgespeckte schwächer erscheint als das Stadionerlebnis? Diese Fragen kamen mir in den Sinn, als Muse mit „Panic station“ ihren zweiten neuen Song spielten und ich mir unschlüssig darüber war, ob es tatsächlich ein gutes Konzert sei. Oh je oh je, was ist das denn? Disco? Muse scheinen tatsächlich da weiterzumachen, wo sie mit „Madness“ aufhörten.
Zu diesem Zeitpunkt war das Konzert und die Stimmung schon herausragend. Dass Muse mit Schnickschnack sehr gut funktionieren, erlebte ich bereits, dass sie 2012 auch ohne das gut funktionieren, stand nach den ersten drei Songs (wovon zwei neu waren) außer Frage. Daran änderte auch die mit blauen Leuchtdioden besetzte Bassgitarre von Christopher Wolstenholme nichts. Das kam dem 2001 Konzert an gleicher Stelle schon sehr nahe, erreichte es in Sachen Lärm und Druck allerdings bei weitem nicht. (Als ich auf der Rückfahrt den Radiokommentar zum Muse Konzert hörte war ich sehr überrascht, als der Reporter erzählte, dass er „ein so lautes Konzert im E-Werk noch nie gehört habe“. Ich empfand es nicht als außergewöhnlich laut, ehrlich gesagt.). Also das Konzert als solches war gut, die Setlist der berechenbare Mix aus einigen großen Hits und neuen Stücken. Neben „Madness“ und „Panic Station“ spielten sie vom nächste Woche erscheinenden Album „Animal“, „Save me“, „Supremacy“ und „Survival“ sowie „Follow me“, ein sehr balladesker beginnender Song mit viel Mitklatschpotential und stampfendem Beat-Mittelteil.
„Save me“ gehört Christopher Wolstenholme, er und nicht Matt Bellamy singt das Stück. Mit viel 70er Jahre US-Fernsehserien Melodie kommt es sehr seicht daher. Da waren wir uns hinterher schnell einig. Bleibt „Animal“, das als einziger Neuzugang den traditionellen Muse Song wiederspiegelt: Ruhiger Beginn, der sich gegen Mitte in ein typisches Muse Schlagzeug und eine kleine Gitarrenexplosion hochstilisiert.
Zwischen den neuen Stücken spielten sie natürlich altbekanntes und bewährtes. Herausragend dabei „Plug in baby“ und „Time is running out“. Nach den “Abkühlungen” durch die neuen Stücke brodelte das E-Werk dabei sehr kräftig. Hits bleiben halt Hits. Es waren – zusammen mit den ersten beiden Zugaben – die stärksten Momente des Abends. Nach knappen 60 Minuten beendeten Muse ihren Auftritt mit „Knights of Cydonia“,. Als Zugabe gab es kurz und schmerzlos „Starlight“, „Stockholm Syndrom“ und das neue „Survival“. Zum Finale hätte man das besser lösen können.
Muse scheinen mit ihrem neuen Album „The 2nd law“ also wieder neue Spielarten entdeckt zu haben. Aus technischer Sicht interessant war die doppelhalsige Gitarre mit Touchpad, auf dem Christopher Wolstenholme diese verzerrten Drumsounds zu „Madness“ spielte. Musikalisch waren die neuen Sachen auf‘s erste Hören für mich weniger aufhorchend. Ach Muse, in dieser Form werden wir unsere alte Freundschaft nicht neu aufleben lassen können. Das ist ein bisschen schade, aber eure neuen Songs find ich einfach nicht so dolle.
Das Konzert war aber ein gutes, egal was andere sagen.
Setlist:
01: Supremacy
02: Hysteria
03: Panic Station
04: Resistance
05: Supermassive Black Hole
06: Animals
07: Time Is Running Out
08: Save Me
09: Madness
10: Uprising
11: Follow Me
12: Plug In Baby
13: Knights of Cydonia
Zugabe:
14: Stockholm Syndrome
15: Starlight
16: Survival
Multimedia:
flickr-Album
Alle neuen Songs im Youtube Mitschnitt gibts hier.
Kontextkonzerte:
Muse – Köln, 16.1.2009
Muse – Düsseldorf. 13.12.2006