Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: –
Von Österreich nach Köln. Das war mein Samstag. Am Morgen frühstückte ich noch in Salzburg, schaute an der Uni vorbei um mich gegen Mittag zum kurz vor dem Kollaps stehenden Salzburger Flughafen zu begeben. Gefühlte 30 Maschinen starteten hier innerhalb von 5 Minuten in Richtung Moskau. Innerhalb aller 5 Minuten der nächsten 2 Stunden wohlgemerkt. Genauso viele Maschinen brachten begipste Arme und Beine zurück auf die Insel. Liverpool, Bristol, London, so die die Destinationen auf den Check-in Schaltern. Ein heilloses Durcheinander und ein unendliches Hin und Her von Rollstühlen und Skitaschen.
Später im Flieger wich die Hektik und Betriebsamkeit des Urlauberrückreiseverkehrs einer wochenendlichen Entspannung. Das wurde auch Zeit, war es doch schon später Nachmittag und am Abend wollte ich doch noch auf dieses Konzert: Christiane Rösinger hatte sich im Gebäude 9 angemeldet.
Wem es gerade nicht einfällt: Christiane Rösingers ehemalige Bands heißen Lassie Singers und Britta. Im letzten Jahr hat sie ihr Solodebüt veröffentlicht, „Songs of L. and hate“, das in diversen Blogs und Jahrescharts als eines der besten Alben 2010 gewürdigt wurde.
Ich kann das nicht beurteilen, ich kenne es nicht. Also wieder ein Konzert, von dem ich keine Ahnung habe, was mich erwartet. Das scheint so langsam zur Regel zu werden, Konzerte ohne Vorwissen zu besuchen. In diesem Fall weiß ich auch nicht, warum es mich so unbedingt zu diesem Konzert trieb. Klar, die Lassie Singers waren eine wichtige Band für mich. Ihr mädchenhafter Durcheinandergesang begeisterte mich vor vielen Jahren sehr. („Kühe, Kühe, Kühe“)!
Britta, die Nachfolgeband, indes kenne ich gar nicht. Ende der 90er war Christiane Rösinger aus meinem Musikkosmos verschwunden und tauchte erst im letzten Jahr wieder auf. Es war ein Sampler, der mir den Namen ins Gedächtnis zurückrief. Auf Berlin Vol.3 traf ich ihren Song „Ich muss immer an dich denken“. Und als ichspäter im Jahr nur positives über ihr Album erzählt bekam und wie toll doch der Song „Berlin“ sei, reichte es zwar nicht zum spontanen Plattenkauf, aber doch, um irgendwie unbedingt ihr Konzert besuchen zu wollen.
Dass es mir gelang und ich trotz allem Reisegedöns noch schnell im Gebäude 9 vorbeigeschaut habe, war eine gute und sehr richtige Entscheidung.
Christiane Rösingers Konzert war einer dieser Abende, von denen man nicht viel erwartet, die einem aber alles geben. Traurige Songs, lustige Ansagen und über allem Ironie ließen uns nach knappen 80 Minuten mit guten Gedanken nach Hause fahren. „Sinnlos“ eröffnete den Abend, und Christiane Rösinger rief den Titel gleich zum Motto aus: Es werde ein sinnloser Abend, traurig und desillusionierend.
Genau wie ihr aktuelles Album. Es sei ja „einfach die traurigste Platte aller Zeiten“ und die Berliner Morgenpost ergänzt:
„Die „Süddeutsche Zeitung“ nennt die CD „derzeit die schönste traurige Musik in deutscher Sprache weit und breit“. Andere Frauen kauften sich bei Kummer Handtaschen, sie schreibe Songs, sagt Rösinger. Das Konzert fängt an mit Sinnlos. Geradezu Beklemmungen auslösend ist „Ich muss immer an dich denken“, in dem eine Person immer unerwidert an die andere denkt, sich durchschaut, aber nichts ändern kann. Wohl jeder erkennt sich wieder. „Mir haben ein paar Leute geschrieben, dass sie die CD einerseits ganz toll finden, aber Angst haben, sie sich anzuhören“, sagt Rösinger ratlos.“
Na ja, ganz so arg wurde es dann nicht. tatsächlich durfte auch gelacht werden. Sowohl auf als auch vor der Bühne. Dass Christaine rösinger ein durch und durch sympathische Persönlichkeit sein muß, vermutete ich bereits. An diesem Abend bestätigte sie mein Vorurteil sehr. Ihre ironischen und schwarzhumorigen Bemerkungen waren allerhöchste Unterhaltung und den ein oder andere Verspieler oder das „Strophenvergessen“ nahmen sie sich nicht wirklich krumm.
Neben Stücken von „Songs of L. and hate“, die das Grundgerüst des Konzertes bildeten, spielte die Band auch älteres.
Zwei, drei Lassie Singer Stücke (“Pärchenlüge“, „Mein zukünftiger Ex-Freund“) und verschieden Britta Songs ergänzten die Setlist genauso wie das eingedeutschte Nico Cover “These days“, inklusive Bindereime, wie Christiane Rösinger zuvor anmerkte, als sie erklärte, dass es gar nicht so einfach sei, englische Songs ins deutsche so zu übersetzen, dass Phonetik und Syntax zur Melodie passen, und die Zugabe „One of us cannot be wrong“. Ein Leonard Cohen Song, zu dem sie von Andreas Spechtl an der Gitarre begleitet wird.
Der Österreicher, und damit schliesst sich mein Tageskreis, der uns irgendwie bekannt vorkam, spielte zuvor Klavier und ebenso in der österreichischen Band „Ja, Panik“ wie Schlagzeuger Manuel Dinhof. Noch so eine Band, die ich bisher nicht kenne …
Wem sich also in den nächsten Tagen die Gelegenheit bietet, Christiane Rösinger live zu sehen, sollte sie nutzen. Es könnte ein unvergesslicher Abend werden.
Anmerkungen wie „in Würde altern“ oder „Bildungsbürgermusik“ spar ich mir. Die lese ich dann am Montag in der Zeitung. Nur eins noch. Die 50 jährige Christiane Rösinger gehört definitiv zu den wichtigsten deutschen SongwriterInnen dieser Tage.
Multimedia:
Fotos: frank@flickr
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