Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Der Rest

I like trains kenne ich. Ein bisschen. Vor knapp zwei Jahren besuchte ich ihr Konzert an gleicher Stelle und war sehr angetan. Das war 2010 und ihr Album „He who saw the deep“ war just erschienen. Ich hörte es sehr oft und Songs wie „Progress is a snake“ oder „Broken bones“ brannten sich in mein Gedächtnis. Damals fand ich das alles passend, die Musik, die Jahreszeit, das Wetter. Also mollige gitarrenlastige Melancholie, Winter, nasse Kälte.
Zwei Jahre später sind die Eingangsparameter nahezu identisch. I like trains haben derweil ein drittes Album veröffentlicht und letzte Woche erinnerte ich mich an die Band und ihr wohliges Konzert. Mit Paul Cezanne beschloss ich seinerzeit den Abend, sein Satz “I think, everything is lost.” kam mir damals sehr passend als eine ein-Satz Zusammenfassung vor.
„Everything is lost.“ Das passt irgendwie immer. Aber „es ist erst das Ende, wenn es gut ist“ auch. Und da New York nach jetzigem Stand der Dinge nicht untergehen wird (allerdings der tolle Atlantic City Boardwalk teilweise verschwunden ist), ist nichts verloren. Weder hier noch drüben, und erst recht nicht gestern Abend im Gebäude 9.
I like trains. Es war ein gutes Konzert, überraschenderweise kannte ich viele der gespielten Songs. Das bedeutet, zum Leidwesen meines Konzertfreundes, der die dunkle Seite der Band sehr zu schätzen weiß, dass die Nordengländer viele Songs ihres vermeintlich schwächsten zweiten Albums gespielt haben. So waren ein Drittel der Setlist von „We saw the deep“, zugespitzt in der einzigen Zugabe des Abends, „Sea of regrets“, dieses wundervoll getragene poppige Etwas.
Wie schon knapp zwei Jahre zuvor hatte ich auf dem Nachhauseweg das gute Gefühl, in I like trains eine Band gefunden zu haben, zu deren Konzerten man gefahrenlos gehen kann. Mögen ihre bisherigen Alben auch musikalisch indifferent und sehr unterschiedlich sein, live schafft es die Band, einen roten Faden zu spinnen, der die unterschiedlichen Ausrichtungen sehr gut in der Reihe hält und Brüche oder komische Momente überhaupt nicht erst aufkommen lässt.
Da störte es auch nur minimal, dass der Gesang zeitweise nur sehr vage wahrnehmbar war und oft hinter den Instrumenten anstand. Optisch wettgemacht wurde das durch die sehr ambitionierte Videoberieselung, die zu jedem Song die passenden Bilder im Cinemascope Format an die Rückwand der Bühne projizierte. Das sah gut und untermalte die Musik sehr passend. Ergänzt durch gutes Licht und ein unaufgeregtes Auftreten der Band waren die äußeren Eindrucke sehr begeisternd.
Es gelang mir so tatsächlich, voll in das Konzert einzutauchen, die Gedanken abschweifen und mich einfach nur berieseln zu lassen. Ungewohnt schnell verging die Zeit, real dauerte das Konzert gute 90 Minuten. So richtig bewusst wurde mir dies beim drittletzten Song „Terra nova“. Dieser laute Gitarrenstampfer riss mich abrupt aus meiner Verträumtheit. Ein Riesenhit, der mit den nachfolgenden „These feet of clay“ und dem abschließenden „Reykjavik“ den gelungenen Abschluss des Konzertes darstellten. „Reykjavik“ ist ein Song des aktuellen Albums „The shallows“, den ich vorher nicht kannte, der mich aber durch das herrlich gitarrenhaft ausufernde Ende sehr beeindruckte. Mit dieser Sicht stand ich nicht allein. Als wir uns nach dem Konzert über dieses Stück unterhielten, war Begeisterung der gemeinsame Nenner.
Als I like trains zur Zugabe das wunderbare „Sea of regrets“ anstimmten, war der Abend endgültig großartig. Oh ja, David Martin, Guy Bannister, Alistair Bowis und Simon Fogal machten auch an diesem Abend vieles richtig.
Der Rest (also die Vorband) war interessant. Ich gebe zu, ich mag diese Art von Musik nicht sonderlich dolle. Ich weiß auch gar nicht, wie ich sie beschreiben soll. Während der knappen halben Stunde Der Rest kamen mir oft Therapy?! und / oder das Auge Gottes in den Sinn. Mit I like trains teilten sich die drei die schwarze Bühnengarderobe, musikalisch waren sie so unterschiedlich wie Tag und Nacht. Nein, wie Tag und Nacht ist nicht richtig, Tag und Nacht ist nicht so unterschiedlich, wie man vordergründig vermuten könnte. Der Rest wählte einen anderen Ansatz, eine andere Ausgangsbasis, um thematische der I like trains Grundstimmung nahezukommen.

„Wenn Vergebung eine Tugend ist, dann beherrsche ich diese wohl nicht. Aber nichts könnte mir gerade mehr egal sein. Rechts und links rafft es die Unschuldigen hin, mein eigenes Schicksal ist dabei so unwichtig, dass es mir Tränen in die Augen treiben könnte. Leute, die auf der Strecke bleiben, sind das Einzige, an dem es hier wirklich nicht fehlt. Einmal ein Schritt daneben, und du bist im Visier.“
Puh, mal ehrlich: Wer muss allein bei diesen ersten reimlosen Zeilen aus „Vorsicht“ nicht direkt an den weiten Dunstkreis der Hamburger Schule denken? An Dirk von Lotzow und sein dahingebrabbeltes Selbstmitleid, an Jochen Distelmeyers Nonchalance, an die Pop-Philosophie von Tilmann Rossmy oder an die Alltagssoziologie der Kölner Band Erdmöbel?
(via laut.de)

Ähh, ich. Aber wie gesagt, ich stand nicht so auf ihren Ansatz, und „Gloria“ röhrende Bassisten machen mir grundsätzlich Angst.

Kontextkonzerte:
I like trains – Köln, 19.01.2011

Multimedia:
flickr-Album

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