Ort: Yuca, Köln
Vorband: Sänger der Band Die Sonne

Lanterns on the lake

Es ist ein regnerischen Spätwinterabend, ein Abend, an dem man lieber daheim bleiben möchte. Das Aufraffen fällt mir schwer, aber es nützt nichts, ich habe noch einen Termin, einen Termin mit einer Band, die ich vor vielen bereits einmal live gesehen habe und die mich seinerzeit auf eine bestimmte Art und Weise beeindruckt hat: Lanterns on the lake, eine fünfköpfige Band aus England, genauer aus Newcastle. Ihr Dreampop verzückte mich und sorgte auf dem 2011er Weekender für ein erstes Überraschungsmoment. Seinerzeit hatten sie gerade ihr Debütalbum veröffentlicht, Gracious tide, take me home, und spielten die Art von Musik, die ich oft hörte: ruhige, gitarrengetriebene Songs mit oftmals melodischen Ausbrüchen zum Songende hin. Lanterns on the lake erinnerten mich an die Escapologists oder Savoy Grand, beides Bands, die auch aus dem Norden Englands stammen. Und an Seachange, diese großartigste aller Bands aus Nottingham, die leider viel zu früh ihre Karriere beendet hat und die mich seinerzeit sehr in meinem Musikverhalten beeinflussten. Wie heißt es bei Indiepedia:

„…wegen Erfolglosigkeit aufgelöst haben…“

In einer gerechten Welt, … aber lasse ich das.

Lanterns on the lake waren damals also relevant für mich, im Laufe der Zeit relativierte sich diese Relevanz etwas und verlor ich die Band aus meinem Blickfeld. Das sie zuvor bereits dreimal in Köln aufgetreten sind, es ist mir glatt entgangen. Dass sie ein weiteres Album veröffentlicht hatten, ich habe es nicht gewusst. Nun denn, als ihr Konzert zum aktuellen Album Beings angekündigt wurde, wollte ich trotzdem hin. Zu schön waren meine Erinnerungen an ihren Ostseeauftritt, und zu wenig sprach wirklich dagegen, nach Ehrenfeld zu fahren.
Das Konzert fand im Yuca statt. Das Yuca ist der kleine Ableger des Club Bahnhof Ehrenfeld und ein Konzertsaal, den ich zuvor noch nicht betreten hatte. Ebenso wie der größere Bruder CBE nebenan ist das Yuca ein kleiner und feiner Konzertort. Über uns rattert die S-Bahn, die Räumlichkeiten selber vermitteln unaufgeregten Industriecharme aus freigelegtem Mauerstein und nachten betonwänden. So wie heutzutage ein moderner Klub eben aussehen muss, der sich von seiner ursprünglichen Nutzung als Lager oder Baracke emanzipiert hat. Was früher unter den Bahnlinien war, ich weiß es nicht. Zu selten besuchte ich diese Gegend der Stadt.
Für eine kleine und feine Indieband ist das Yuca perfekt: der Raum ist nahezu quadratisch, die Bühne groß und weit genug, um ausreichend Platz zu geben. Hier herrscht nicht die Enge eines Kellerclubs und nicht das schlauchartige eines Kneipenklubs. Das Yuca ist ein guter Konzertsaal. Und gestern nicht wirklich gut besucht. Als ich aus dem Regen in den Saal trat, warteten vielleicht 50 Leute auf das Konzert. ‘Damit hätten sie ihr Kölner Stammpublikum erhalten‘, höre ich vor Beginn jemanden sagen. Okay, denke ich, die Zahl der Besucher deckt sich auch mit meinen Vorstellungen. Mehr, aber auch nicht weniger Besucher habe ich nicht erwartet.
Wir unterhalten uns über dieses und jenes, monieren die Umbaupausenmusik (ein Reggaeversionen alter The Police und anderer Rockpopklassiker) und zweifeln die Glaubhaftigkeit der Songtexte des gerade gehörten Sängers an: ‘Meine Liebe reicht bis ins Weltall‘. Kann der das ernsthaft so meinen? Der Sänger ist Mitglied der Band Die Sonne, das bekomme ich gerade noch so mit. Akustisch singt er knappe zwei Hände voll Songs seiner Band. Alte, neue, bekannte und weniger bekannte Sachen, die Titel haben wie „Aber die Landschaft“. Eine weitere Frage, die wir uns stellten, war die: Wieso klingen und singen viele deutschsprachige Künstler mit Akustikgitarre (oder auch ohne) so austauschbar identisch? Eine Antwort auf die Poisel-Frage fanden wir nicht.

Lanterns on the lake begannen im Anschluss ruhig. Hazel Wilde saß die ersten beiden Songs über an den Tasten, bevor sie bei den weiteren Stücken die Gitarre zur Hand nahm. Es war genau dieses Wechselspiel, das die Dynamik der einzelnen Songs bildlich darstellte. Die Stücke waren eher ruhig, wenn nur eine Gitarre gespielt wurde, die Nummern wurden etwas lauter, wenn Gitarrist Paul Gregory von der Sängerin instrumentetechnisch supportet wurde. Aber wie auch immer: in der Summe stand Indierock, der melodisch und wunderbar verträumt war.
„Faultlines“ ist der einzige Song, den ich mir vorher bewusst angehört habe. Sie spielten ihn relativ früh im Programm. Ich bilde mir aber ein, dass ich auch das Stück mit der zusätzlichen Trommel zum Schlagzeug kenne. Zumindest kam mir der Gedanke während des Konzertes. Wenn es älteren Datums ist, dann könnte es vom Konzert an der Ostsee hängengeblieben sein; oder aber es war nur ein musikalisches déjà-vu.
„Faultlines“ ist ein eher lauter Song, und wer das Stück vom aktuellen Album kennt, weiß dann, wie leise die Band bei ihren leisen Stücken sein muss. Bei „Sapsorrow“, dem vielleicht ruhigsten Stück des Abends, war es sehr still. Und just in einem Moment, in dem das Klavier eine kleine Pause einlegte und Hazel Wilde Luft holen musste, knarzte die Eingangstür des Clubs melodramatisch. Alle horchten und die Sängerin wartete schmunzelnd das Ende des Knarzgeräusches ab, bevor sie den Song weiterspielte. Ich habe nie zuvor jemand zu einem besseren Zeitpunkt den Saal verlassen gehört als hier.
Dieser Moment war der beste Augenblick des Konzertes. „I love you, sleepyhead“ -besser kann ein Konzert nicht zu Ende gehen – setzte den Schlusspunkt.

Nach dem Konzert herrschte eine kleine Uneinigkeit darüber, ob das Konzert gut oder famos war. Ich empfand es als ein bisschen eintönig. Natürlich ist jeder Song für sich toll und wuchtig im Vortrag, aber die Summe der einzelnen Stücke, die vom Aufbau her dann doch immer ein bisschen gleich aussehen, lässt das Konzert eintönig und vorhersehbar erscheinen.
Auf dem Rückweg lausche ich in der Bahn einem Gespräch über Elvis. Es geht um Musik und eine USA Reise. Es fallen Sätze wie ‚man hätte doch wissen können, dass Elvis mit einem Weihnachtsalbum nichts reißen kann.‘ Oder: ‚1973 Aloha empfinde ich als seine schwächeren Konzerte. ‘74/’75 hatte er mehr drive. Und ’71, „I washed my hands in muddy water“. Ich könnte kotzen, dass er mit diesen Sachen nicht auf die Bühne gegangen ist.‘
Nennt man das Nerdgespräche? Gott war das spannend hier zuzuhören. Vielleicht sogar spannender als das Lanterns on the lake Konzert. Obwohl, nein, das wäre unfair.

Kontextkonzert:
Rolling Stone Weekender – Weissenhäuser Strand, 11.11.2011

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