Ort: Westfalenhalle 2, Dortmund
Vorband: Surfer Blood

Vor vielen Jahren sah ich Interpol zum ersten Mal. Genau wie an diesem mehr schlecht als rechten Novembertag war das Konzert in Dortmund.
Seinerzeit spielten sie im Vorprogramm der englischen Band The British Sea Power in einem Dortmunder Club. Ich glaube, der Laden hieß Sabotage, zumindest war es eine der ersten Visions Partys, denen noch viele folgen sollten. Interpol hatten gerade ihr erstes Album veröffentlicht, und die Welt war hin und weg ob des neuen alten Sounds der New Yorker Band. Es war der Türöffner zur 80er Rückkehr, zum Hochleben des New Wave und des dunklen Synthierockpops. Plötzlich war eine Band in aller Munde, die bis dahin niemanden mehr interessiert hatte: Joy Division. Und der Vergleich war schnell da: Interpol sind die Joy Division der 00er Jahre. Getragener Gitarrenrock, Schwermut und eine distanzierte Coolness machten sie schnell zum Vorreiter einer neuen Bewegung, die in den Editors und anderen ihre Mitläufer fand.
An ihren Dortmunder Auftritt erinnere ich mich besonders gern. Viel Nebel, weißes Bühnenlicht, vier Gestalten in schwarzen Anzügen. All das war so stimmig, so perfekt aufeinander abgestimmt, dass jeder sofort erkennen musste, diese Band wird groß. Dies Band hatte Stil. Sie hatte Style und sie hatte verdammt gute Songs. Ihr Debüt ist und bleibt sensationell. Ein Evergreen. Sieben Jahre ist das her, eine kleine Ewigkeit. Mittlerweile sind Interpol Superstars. Ihr zweites Album Our love to admire katapultierte sie in die Charts dieser Welt, Interpol endgültig eine der stilvollsten Bands der Jetztzeit.

Die Dortmunder Westfalenhalle 2 sieht aus wie ein Flugzeughangar. Ein langer Schlauch mit wenig Charme. Ein Zweckbau, der wunderbar funktioniert bei Messen wie der Intermodellbau oder der Hobbytronic. An Konzertabenden wirkt der Raum trostlos, gerade wenn er nicht komplett voll ist. Auf Zweidrittel würde ich den Zuschauerzuspruch an diesen Abend setzen. Und Zweidrittel sehen in der Westfalenhalle 2 verloren aus. Ich schätze, dass unter normalen Umständen das Konzert im Kölner Palladium stattgefunden hätte. Dort wäre es besser aufgehoben gewesen, soviel schon mal vorneweg, aber derzeit dient das Palladium der Kölner Oper als Ausweichquartier und steht somit für andere Veranstaltungen nicht zur Verfügung.
Die Örtlichkeit war also suboptimal, was jedoch noch lange nicht auf ein schlechtes Konzert schließen lässt. Wie viele gute Konzerte hat es schon an unglücklichen Orten unter schlechtesten Bedingungen gegeben?
Eine Menge, aber das Dortmunder Interpolkonzert gehört leider nicht in diese Kategorie.
Leider, weil ich die Band sehr gerne mag, ihre Songs für sehr zeitlos und toll halte, das neue Album klasse finde und überhaupt. Auf der Rückfahrt habe ich mich über mich selbst geärgert, dass ich Interpol an diesem Abend nicht so gut sah, wie ich es mir vorher vorgestellt hatte. Falsche Erwartungen? Zuviel Vorfreude? Glatte Überschätzung? Vielleicht von allem etwas.

‚Jetzt ist auch noch der Sound mies‘, dachte ich beim Opener „Success“ vom aktuellen Album Interpol. Der Bass dröhnte und wummerte zu stark. Das Problemchen wurde jedoch in den anschließenden Songs zurechtgerückt. Also, keine weitere Kritik am schlechten Sound für den Rest des Abends. Dass es trotzdem nicht klappte, lag irgendwie an der Gesamtatmosphäre. Interpolsongs, und gerade Interpolsongs wirken nur in einem besonderen Rahmen. Und der fehlte mir in der Westfalenhalle. Ich fand den roten Faden nicht, das Konzept. Ich mach das mal an einer blöden Einzelbeobachtung fest, um einen Erklärungsversuch über das abzugeben, was ich meine:
Paul Banks trug ein kariertes Hemd und sprengte somit den Rahmen der schwarzen Anzüge seiner Kollegen Daniel Kessler und David Pajo. Das klingt wirklich albern, ich weiß. Aber es passt nicht zu meinem Interpolbild, es passte nicht zu all dem Nebel und der indirekten Bühnenbeleuchtung. Rein optisch war das eine Unebenheit, ein Verstoß gegen das Interpol Corporate Identity.
Wo war das stimmige Drumherum, das mich seinerzeit sprachlos gemacht hat? Ich vermisste es. Interpol gehören zu den Bands, die wenig mit dem Publikum interagieren. Sie spielen quasi vor einer Wand. Die Lichtverhältnisse, der Nebel, all das sagt nur eins: Distanz. Interpol will das Publikum nicht zum mitklatschen animieren, Interpol will allerhöchstens beobachtet werden. Ein Interpolkonzert lebt nicht von der Publikumsanimation, nicht vom mitmachen oder gar vom gemeinsamen Spaß haben. Jeder für sich, so ist eher das Motto.
Das passt toll zur Musik und wirkt dabei keineswegs arrogant.
Es funktioniert jedoch nur, wenn es in der Darbietung perfekt rüberkommt. Carlos Dengler, der mittlerweile die Band verlassen hat, konnte dies besonders gut. Seine Gesten und Posen waren toll und verrieten viel über Interpol. Er war ein, wenn nicht der Fixpunkt in einem Konzert. Er war der heimliche Frontmann der Band, der, über den man sich nach einem Konzert unterhalten konnte. Sein Verlust trägt schwer. Nicht nur was das Songschreiben angeht, auch was die Liveumsetzung betrifft. Das wurde mir gestern klar, und da Carlos Dengler fehlt, irritiert eben auch – übertrieben gesagt – ein farbiges Hemd.

Aber eigentlich ist es ja egal, was wer wie wann trägt. Das Maßgebende, und das gilt auch für ein Konzert, ist und bleibt die Musik. Hier legten Interpol interessanterweise den Schwerpunkt auf die älteren Sachen. Vom neuen Album spielten sie sechs oder sieben Songs, so habe ich es wenigstens in Erinnerung.
Aber auch hier hatte ich meine kleinen Enttäuschungen. Nicht was die Setlist angeht, die war großartig. „pda“, „Say hello to the angels“, „Slow hands“, „Not even jail“, „ Untitled“, „Narc“. Eine miese Setlist liest sich anders. Okay, „Stella“ oder „Leif Erikson“ fehlten, aber ansonsten war alles Schöne dabei. Umso mehr hätte es ein tolles Konzert werden müssen.
Aber die Interpretationen waren merkwürdig aufgepeppt. Mal wurden sie mit zu viel Bass und / oder Beat unterlegt, manchmal auch einfach nur zu schnell gespielt. Gerade das anfangs gespielte „Say hello to the angels“ empfand ich als irrsinnig rasant.
Überdies musste ich feststellen, dass die neuen Stücke live überhaupt nicht funktionieren. Immer wenn ich das Gefühl hatte, na, vielleicht geht doch was, nahmen sie den Elan aus dem Konzert. Im direkten Aufeinandertreffen mit den Songs der ersten beiden Alben fielen sie deutlich ab. Der ganze Abend wurde so mehrmals ausgebremst. Aus der Konserve ist mir das gar nicht so deutlich geworden. Das neue Album finde ich toll, ich höre es sehr gerne und relativ oft. Jammerschade das.
Wie bereits gesagt, ich ärgere mich sehr darüber, dass ich diesem Konzert nicht alles abgewinnen konnte, dass es mehr an mir vorbeizog als mich mitnahm. Mist, denn so wie an diesem Abend möchte ich Interpol nicht in Erinnerung behalten. Ob mir das gelingt, ist allerdings fragwürdig.

Ich rechne nicht mehr mit einem weiteren Album oder gar einer weiteren Tour. Ich glaube, dass Interpol Kapitel ist geschlossen. Und die Band weiß das, und wir werden es bald erfahren.
Man möge mich bitte eines Besseren belehren.

Kontextkonzerte:
Julian Plenti – Köln, 08.12.2009
Interpol – Köln, 19.11.2007
Interpol – Köln, 11.05.2007

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