Ort: zakk, Düsseldorf
Vorband: Agnes Obel

Pete Jobson ist Bassist in der Band I am Kloot. Auf dem Foto ist natürlich nicht Pete Jobson, aber im Düsseldorfer zakk habe ich ihn gesehen. Was lapidar dahergeschrieben ist und total bescheuert klingt, ist eine kleine Sensation.
Meine letzten I am Kloot Konzerte waren allesamt im Kölner Luxor, in einem der unübersichtlichsten Konzerträume, die ich kenne. Wenn man in diesem Schlauchsaal nicht in den ersten vier, fünf Reihen steht, sieht man nicht mehr allzu viel von der Bühne. Und wenn man dann noch das Pech hat, zu weit nach links abzudriften, dann versperrt einem zu allem Überfluss auch noch ein Boxenturm die Sicht.
Im Luxor habe ich Pete Jobson nie spielen gesehen. Nur gehört. Was auch daran liegt, dass er die gesamte Konzertdauer über sitzend den Bass bedient und somit für das Luxorpublikum nahezu unsichtbar wird.
Im zakk war das anders.
Die Bühne ist deutlich höher, auch breiter und keine Boxenaufbauten versperren einem die Sicht.
Im Gegenteil: Selbst das abblätternde Kolophonium am Cellobogen von Anne Ostsee war bei genauem hinsehen zu erkennen. Anne war in Düsseldorf eine Hälfte des Duos Agnes Obel, das gute vierzig Minuten lang im Vorprogramm spielte. Die Dänin Agnes Obel, die sich live immer mal eine Verstärkung dazuholt, die andere.
Sie spielten gut, mich jedoch hatten sie auf dem falschen Fuß erwischt. Ihre sanften und zarten Töne kamen nicht zu mir durch, ich langweilte mich nach kurzer Zeit und erhoffte insgeheim auf ein rasches Ende. Gehen wollte ich jedoch nicht, und da ich weder eine Raucherpause benötige noch mich am Merchandisestand rumdrucksen wollte, harrte ich vor der Bühne aus. Belohnt wurde ich mit einer tollen Coverversion des John Cale Songs „Close watch“ und dem Song Just so, den ich – so vermutete ich spontan – aus irgendeiner Werbung kenne. (Richtig vermutet, das Internet sagt: Die Telekom mal wieder). Es waren Agnes Obels stärkste Songs.
Dafür verpasste ich lustige Rauchergespräche, wie ich in der Umbaupause erfuhr. Ich weiß nicht, was das kleinere Übel war.

Das Konzerttagebuch hat über Agnes Obel sehr trefflich formuliert:

Die Songs, allesamt absolut harmonisch und fehlerfrei vorgetragen, boten kaum Reibungsfläche und Abwechslung. Alles war bis in den letzten Notenschlüssel ausgetüftelt und zu Tode arrangiert. Luft zum Atmen, Raum zur Improvisation, gab es somit fast keine. Mit schöner Stimme trug die sehr sympathisch und natürliche wirkende Künstlerin Lied nach Lied vor, bewegte mich aber kein einziges Mal emotional. Ihre Melancholie kam vakuumverpackt und keimfrei rüber, perfekt um in Zukunft ein größeres Publikum zu erreichen und viele CDs ihres Debüts „Philharmonic“s zu verkaufen.

Aber wir waren ja nicht wegen der Vorgruppe hier.
John Bramwell, Pete Jobson und Andy Hargreaves waren die Objekte unserer Begierde. Die drei sind I am Kloot. Doch während des Bühnenaufbaus entdeckten wir drei weitere Mikrofonständer, einen Stuhl und ein Keyboard. Sie werden doch nicht Verstärkung mitgebracht haben? Doch tatsächlich, drei weitere Musiker unterstützten ab und an die I am Kloot Kerngruppe mit Gitarre, Keyboard, Schifferklavier oder Saxofon.
Ihre Namen habe ich vergessen, aber lustigerweise stellte John die drei Mitmusiker just in einem Moment vor, in dem sie gar nicht auf der Bühne standen. (Genau, sie begleiteten die Band nur zu vereinzelten Songs, hauptsächlich zu den neuen Sachen). Neben ein, zwei kurzen Bemerkungen blieb dies die einzige kleine Geschichte, die der Frontmann an diesem Abend zu erzählen wusste. Im Gegensatz zu früheren Konzerten war er also eher ruhig und schweigsam. Der Altstadtbesuch am Abend vorher schien ausgiebiger gewesen zu sein.
Das Mittun der drei wirkte befremdlich, die fülle der Instrumente irritierend.
Dass sich I am Kloot aber musikalisch ausgedehnt haben, deutete sich bereits auf ihrem aktuellen Album „Sky at Night“ an. Bis dato völlig untypisch sind dort Orchesterstürme zu erhören.
Ob diese neue Opulenz was mit dem Produzentenpaar Guy Garvey und Craig Potter (genau, Elbow) zu tun hat? Die beiden haben an „Sky at night“ kräftig mitgewerkelt.
Für die Liveumsetzung bedeutet dies, dass I am Kloot sind eine ausgewachsene Band geworden. Ob das nun gut oder weniger gut ist, ich bin mir noch unschlüssig.
Auf der einen Seite bringen die neuen Instrumente mehr Abwechslung, auf der anderen Seite leidet die Intimität das Augenblicks. Bombast wäre sicherlich ein zu übertriebenes Wort, aber wir hatten den Eindruck, dass dieses typisch zarte und kaputte in den I am Kloot Songs durch das mehr an Instrumenten auf der Strecke bleibt.
Gott sei Dank (?) gab es noch die Konzertpassagen, in denen John Bramwell alleine mit der Akustikgitarre seine Lieder spielt, oder die Sequenzen, in denen nur die drei Kloots Klassiker wie „Twist“, „Storm Warning“ oder „From your favourite sky“ spielten. Interessanterweise waren dies die großartigen Momente des Abends. Da krabbelte die Gänsehaut, als gäbe es kein Halten mehr.
Aber es gibt jetzt eben auch ein Saxofonsolo, ein Gitarrensolo und ein „Proof“ das unter der Vollinstrumentalisierung beinahe zusammenbrach. Das ging dann doch sehr in Richtung ekeligen Blues. Da ich Blues nicht sonderlich mag, ach was heisst sonderlich, überhaupt nicht!, war das logischerweise gar nicht in meinem Sinne.
Da es aber jeweils nur ein Solo war, hielt sich mein Grauen in Grenzen. Ich hoffe nur, dass der mit „Sky at night“ eingeschlagene Weg nicht zu breit ausgewalzt wird. Das fände ich bedauerlich, denn die wahre Stärke der Band liegt meiner meinung nach woanders.

Oder, um noch mal das abgenudelte Zitat von John Bramwell zu bemühen: „This next song is about drinking and desaster.“ Und den bitte in verrauchter Pubatmosphäre! (argh, geht ja gar nicht.)

Multimedia:
Fotos Agnes Obel: frank@flickr
Fotos I am Kloot: frank@flickr

Kontextkonzerte:
I am Kloot – Köln, 28.03.2010
I am Kloot – Köln, 24.10.2008
Elbow – Köln, 05.11.2008

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. -Christoph-

    Ich habe I Am Kloot auch schon mal mit zusätzlichen Söldner-Musikern erlebt und bin sicher, daß hier weniger deutlich mehr ist.

    Beim Wort „Saxofonsolo“ hatte ich gerade das Gegenteil von Gänsehaut.

  2. konsipura

    Bei der Gods and Monsters – Tour fand ichs sehr passend und stimmig. Eigentlich genauso gut wie auf der Moolah rouge ohne Gastmusiker. Diese Tour krankt für mich eher an den neuen Songs, die mir irgendwie auch nicht so recht zusagen …

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