Ort: Bürgerhaus Stollwerck, Köln
Vorband: Bear’s Den

Daughter

Lieber Christoph,
Ich weiß nicht mehr genau, bei welchem Death cab for Cutie Konzert in der Live Music Hall wir uns zum ersten Mal unterhalten hatten. Es ist schon einige Jahre her. Seitdem haben wir viele Konzerte miteinander besucht, wir haben Reisen unternommen, Musik ausgetauscht und unsere Vorlieben für die jeweiligen falschen Fußballvereine (aus der Sicht des anderen) kundgetan. Wir haben oft über United und die Blues gestritten.
Was Bands und Konzerte angeht, sind wir meistens auf einer Wellenlänge. Lastfm bescheinigt uns eine hervorragende musikalische Übereinstimmung. Trotzdem hat jeder für uns seine eigene kleine Nische. Ich mag weniger Ukulelenmusik, du weniger härtere Gitarren (sicherlich wirst du das jetzt vehement verneinen). Auch bei vermeintlichen Schnittmengenbands haben wir ab und an Diskussionsbedarf.
So kommt es vor, dass wir ein Konzert komplett anders sehen. Am stärksten war es bei Tahiti80 (vor Jahren im Stadtgarten). Ich mochte sie sehr, du wärst am liebsten nach 10 Minuten gegangen. Ich könnte noch ein, zwei weitere Beispiel anführen, wenn ich sie nicht vergessen hätte. Ein kleinerer Disput war auch die Lautstärke des My bloody valentine Konzertes in Glasgow. Ich möchte es nochmals sagen: Nein, es war nicht so laut. Alles nur Gerede!
Am Montag waren wir bei Daughter im Bürgerhaus Stollwerck. Ich gestehe, ich habe die Londoner erst in neulich entdeckt, obwohl du mir seit Monaten mit ihnen in den Ohren liegst. In dieser Zeit hattest du Daughter schon ein paar Mal gesehen und jedes Mal voller Begeisterung von ihnen erzählt. Ich halte viel von deinem Musikwissen und -geschmack, daher habe ich mir – wie so oft – blind ein Ticket für das Kölner Konzert gekauft, noch gerade rechtzeitig, bevor es ausverkauft war. So verkehrt können die ja nicht sein. Am Tag vor dem Konzert habe ich mir dann ein paar Songs angehört und musste feststellen, ja, Daughter sind toll, das wird sicherlich ein guter Abend.
Über die Vorband Bear‘s Den schriebst du begeisternd, ich habe jedoch innerlich bei den Worten „wie Mumford & Sons“ abgewunken. Gut, ich werde mir live ein Urteil bilden. Vorab in einige Songs reinzuhören, ersparte ich mir. Soviel Zeit war dann doch nicht mehr und Daughter klangen zu interessant, da habe ich mir lieber noch ein paar Videos mehr angeschaut. Also insgesamt drei.
Als wir uns abends im Vorraum des Stollwercks trafen, waren wir schnell in Gesprächen vertieft. Wir trafen den ein oder anderen Bekannten und merkten so gar nicht, dass Bear‘s Den bereits angefangen hatten zu spielen, als wir noch munter beisammenstanden. Wir ließen sie und lauschten von draußen den wirklich sehr Mumford & Sons -haften Songs der Band. Wie es schien, verspürte niemand von uns den Drang sie aus der Nähe sehen zu müssen. Das passiert uns nicht häufig, aber es gibt solche Tage. Und wir hatten auch noch nicht über Fußball gesprochen.
So bot Bear’s Den eine gute Hintergrundmusik für unser Gelaber, sie war aber so präsent, dass wir ab und an genauer hinhörten. Bei „Pompeii“ zum Beispiel. Ihr bestes Lied an diesem Abend, wie wir unisono feststellten. Das war so gegen viertel nach neun. Bear’s Den spielten anschließend noch drei Songs, bevor der Umbau losging.
Wir bemühten uns ins in den Innenraum. Es war ordentlich voll. Ich war gespannt, was mich erwartet. Die Londoner begannen mit „Shallows“. Ein ruhiges Stück. Es lief an mir vorbei und ich fragte mich kurz, warum das so ist. Der erste Song, den ich aus meiner nachmittäglichen Hörsektion wiedererkannte war „Love“. Aber es klang live irgendwie anders und weniger spannend als am Nachmittag. War ich nicht ganz da, oder waren Daughter über vier, fünf Songs in Folge doch nicht so spannend wie die durchgeklickste Hörprobe am Nachmittag vermuten ließ.
Wie ist das nun mit Daughter? Tendenziell erst einmal so, dass sie mich sehr an The XX erinnern. Ihre Songs haben viel von den XX’en, finde ich. Sie sind oft genauso fragil und sanft, allerdings haben sie nicht einen Jamie, der The XX so interessant macht. Daughter haben dafür mehr Pop und mehr Lärm, etwas, das sie schnell von den XXen unterscheidet bzw. wie du richtig sagst, sind

Daughter kein The xx Abklatsch, sie sind originell genug, ohne Referenz-Nennungen auszukommen.

Aber an diesem Abend klangen sie für mich zu einfach. Stück um Stück hatte ich das Gefühl, immer und immer wieder ähnliches zu hören. Klar, es gab Ausreißer: „Winter“ zum Beispiel war großartig, auch das von mir zuhause schon sehr geschätzte „Youth“ war live grandios.
„Youth“ war der vorletzte Song des regulären Sets. Und wie schon den gesamten Konzertabend über beschlich mich auch jetzt ein komischer Gedanke. Schon beim Video schauen fiel mir auf, dass das Stück stark von IlikeTrains – Trommeln getragen wird (die aus „Progress is a snake“). Am Abend verstärkte sich das und als die Trommeln einsetzten, summte ich leise „the wind blows from the east“. In diesem Moment war das Konzert schon viele Minuten alt. Ich empfand, paar Minuten zu viel alt. Anderthalb Stunden spielten Daughter, also die normale durchschnittliche Konzertlänge, aber mit einer knappen Stunde wäre ich heute auch sehr zufrieden gewesen. Es gibt solche Tage.
Ja Christoph, das Konzert hatte für mich Längen, es riss mich nicht sonderlich vom Hocker. Es begeisterte mich nicht annähernd so doll, wie es dich und alle anderen begeisterte. Ich kann dir gar nicht einmal genau sagen, was mich störte. Aber so wie es dir mit Tahiti 80 erging, so ähnlich kam es mir an diesem Montag vor. Ich sage so ähnlich, weil mein Urteil danach nicht ganz so drastisch ausfiel wie deines zu Tahiti80. Ich sag mal so, mir fehlte einfach der aha-Moment.
Noch einmal kamen Daughter zurück. Normalerweise würden sie keine Zugaben spielten, erzählte die Band. Nun, heute Abend schon. Sie brachten ein mash-up aus zwei Covern. Interessant und lustig, hatte ich nicht erst letzte Woche bei den Eels etwas Ähnliches gehört: Ein mash-up zweier ihrer Welthits. Das scheint wohl in Mode zu kommen.
Daughter waren an diesem Abend für mich eindeutig die falsche Band. Es war nicht mein Konzert der Woche.
Aber Christoph, in Barcelona werde ich ihnen eine zweite Live- Chance geben, also wenn sie nicht zeitgleich mit DIIV, Django Django, Metz, Kurt Vile oder den Meat Puppets im Ablaufplan stehen. Versprochen!
Ich lass mich gerne überzeugen und freue mich auf unser nächstes Streitgespräch!
Wer wird wohl die nächsten Tahiti80? Ich bin gespannt.

Viele Grüße
Frank

PS: Einen ordentlichen Konzertbericht zu Daughter im Bürgerhaus Stollwerck gibt es hier: Bericht.

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