In Momenten wie diesem gefällt es mir im Gebäude 9 am besten. Leichter Schrammelgitarrenindiepop von der Bühne, Unaufgeregtheiten vor der Bühne des abgewrackt wirkenden Konzertortes am deutzer Messegelände. Das passt wie Erbsen zu Möhren, oder wie Saboteur zum Gebäude 9.
Saboteur, die Jungspunde, die gestern Abend die Eröffnung des Portugal.The Man Konzertes erledigten. Saboteur ist eine Band aus Hamburg, die nichts Hamburgerisches an sich hat, wenn man spontan an die Hamburger Schule oder Goldenen Zitronen oder Kettcar denken mag. Saboteur klingen nach Süddeutschland, in den 90ern hätte man auch Ostwestfalen (da, schon wieder!) sagen dürfen.
Bisher kannte ich nur flüchtig den Namen, nicht aber die Musik, die sich dahinter verbirgt. Warum eigentlich nicht?
Wie bei meinen letzten Konzerten hinterließ die Vorband einen sehr guten Eindruck.
Liam Finn, The Rifles, Mint, Black Box Revelation, alles schön anzusehende Vorgruppen des letzten halben Jahres, und Saboteur reihten sich nahtlos in die Kette ein.
Wo sind all die weniger guten Vorbands geblieben? Die, die entweder musikalisch nicht zum Hauptact passen oder die Biffy Clyro heissen.

Ich war spät dran, daher habe ich leider nicht ihr komplettes Set gehört. Der letzte Rest gefiel mir aber sehr gut. Weicher, melodiöser Gitarrenrock für Indiemädchen und alle die, die die Lemonheads mögen.
Portugal.The Man begannen mit „Church Mouth“. Gleich ein Brachialkracher zu Beginn. Im Mittelteil hatten sie einige Strophen von Harry Nielssons „One is the loneliest number“ eingebaut. Sehr schön, sehr passend. Im Gitarrengewand erinnerte es mich sofort an die Filter-Version.
Im Verlauf des Abends sollten sie noch des Öfteren fremde Songs in ihre eigenen einbauen. Helter Skelter, bei „Telling Tellers Tell me“, war ein weiterer Kandidat.
Die Richtung war damit vorgegeben. Im gut 2 stündigen Konzert wurden die Songs bis ins kleinste ausgeschlachtet. Es gab wuchtige Instrumentalphasen, die die Stücke ins unendliche zogen. Die Band explodierte förmlich. John Baldwin Gourley, Zachary Scott Carothers, und Ryan Neighbors zerfleischten sich an ihren Instrumenten. Die Kompositionen sind komplex, der unbezweifelbar kraftvolle und energetische Sound webt einen dichten Klangteppich. Aus dem Hintergrund dröhnte Jason Sechrist Schlagzeugspiel scheppernd und wuchtig. Unterstützt wurden sie stimmlich durch eine unbekannte Sängerin. Es war eine Wohltat, ihnen zuzusehen.
Portugal.The Man waren für mich die Aufsteiger des letzten Jahres. Im Sommer entdeckte ich ihr erstes Album „Waiter: You Vultures!“, das ich mir irrtümlich zulegte. Tatsächlich wollte ich mir, nachdem ich mich beim radiohören in Portugals kleinen Hit My mind verguckt hatte, das aktuelle Album kaufen. Die komplexen, verstrickten Songs gefielen mir auf Anhieb. Zwei Tage später holte ich mir „Church Mouth“ und war von diesem Album noch mehr begeistert. ‚Melodiöse‘ Songs wie der Titelsong „Church Mouth“ oder „My mind“ zeigten die Weiterentwicklung der Band. Mit beiden Alben im Gepäck sah ich kurz darauf einen beeindruckenden Auftritt Portugals im Gebäude 9, der mich mit offenem Mund und großen Augen zurückließ.
Im letzten Jahr traten sie sehr introvertiert auf, mit Kapuzen und Mützen tief ins Gesicht gezogen, lange Zeit sogar dem Publikum den Rücken zukehrend. Zu Beginn war ich gespannt, ob sie sich ein Jahr später ähnlich verhalten.
Gestern war es anders. John Baldwin stellte sich von den ersten Takten an dem Publikum. Zwar trägt er immer noch gerne Kapuze und Mütze, doch die flog früh auf die Bühne und die Kapuze zog er nur noch ab und an über seinen Kopf. Die anderen verzichteten völlig auf eine Kopfbedeckung.
Die fünf Portugaler waren während des gesamten Auftritts nur spärlich durch Bodenscheinwerfer ausgeleuchtet. Die Deckenfluter hatte Pause. Das schaffte ein passendes Gegenstück zur Musik, den Portugals Songs brauchen kein Licht. Sie lieben die Dunkelheit. In ihr entwickeln sie ihre wahre Stärke und Intensität.
Es war ein toller Abend bei Portugal.The Man.
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Archiv: Portugal.The Man in Köln, 10.09.2007

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