Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Volley

The Thermals

Ich mag die Thermals nicht, soviel stand für mich nach ihrem Auftritt auf dem Berlin Festival vor einigen Jahren fest. Die drei Amis machten zwar schönen und eingängigen, aber auch irgendwie austauschbaren PowerPopRock. Einzig ihr Sonic Youth Cover „100%“ blieb mir im Gedächtnis. Nee, die Portländer waren nichts für mich, abgehakt, fertig. Um den damaligen Bericht hier zu verlinken, suchte ich ihn nochmal heraus, und überflog nochmals kurz, was ich seinerzeit festhielt:

The Thermals covern “100%” von Sonic Youth. Der zweite Song ihres Sets ist mein Wachmacher. Genau wie Oneida, der Name leitet sich übrigens von einem Volk der Irokesen ab, gingen die Thermals bisher nahezu an mir vorbei. Aber der gewünschte Nebeneffekt eines Festivals ist es ja, solche eher unbekannten Künstler ausgiebiger kennenzulernen. Und die Thermals haben mich überzeugt. Sie erfinden das Rad des Indie-Rock-Alternativ-Pop a la Guided by Voices oder Ramones nicht neu, aber sie drehen es in unterhaltsamer Manier weiter. Schnell sind die Songs, und kurz. Eine der Festivalentdeckungen.

Ich muste kurz lachen, als ich die Zeilen las. Ohh, da habe ich meine gute Meinung über Thermals in den Jahren scheinbar vergessen. Konsequenterweise hielt ich mich jedoch an meine gedachte Meinung über die Thermals  und kümmerte mich nicht weiter um Platten von Hutch Harris, Kathy Foster und Schlagzeuger Westin Glass. Die Thermals verschwanden aus meinem Musikgedächtnis.
Nun, vielleicht sollte öfters meine alten Konzerttagebücher lesen.
Ihre letzten beiden Alben „Personal Life“ und „Desperate Ground“, das im April veröffentlicht wurde, übersah ich beinahe vollkommen. Beinahe, weil ich mir „Desperate Ground“ dann doch vorletzte Woche gekauft habe. Nachdem die beiden Thermals Konzerte in Berlin und Köln feststanden, wollte ich vorher wenigstens noch ein Ohr riskieren, um mich musikalisch auf den neuesten Thermals Stand zu setzen. Und was soll ich sagen, mittlerweile ist „Desperate Ground“ meine Monatslieblingsplatte. Aber wieso plante ich überhaupt Konzertbesuche einer Band, die ich gedanklich nicht sonderlich toll fand?
Nun, KEXP trägt eine Mitschuld. Der Radiosender aus Seattle übertrug im Sommer die 25 jährigen Subpop Feierlichkeiten (u. a. ein Mudhoney Konzert auf der Aussichtsplattform der Space Needle). Dazu gab es einen Internet-Livestream, der einen mit allerlei altem und neuem Subpop Zeug versorgte. (Generell ist das KEXP Internetradio sehr zu empfehlen!). Und als ich dann zwischen Mother Love Bone und Seaweed einen mir unbekannten aber sehr schönen lauten Song hörte, war ich sehr überrascht, dass dieser von den Thermals kam. Seitdem interessierte ich mich wieder etwas mehr für die Band und zögerte auch nicht, mir ein Ticket für das Kölner Konzert zuzulegen. Dass ich sie dann vier Tage zuvor auch in Berlin sehen sollte, war ein bisschen dem Zufall geschuldet. Städtereisen nur mit Konzertanbindung und so…
Nun, in Berlin gab es an ihrem Konzert nichts zu mäkeln, daher nahm ich die Option sehr gerne an und besuchte sie im Kölner Gebäude 9 erneut. Aber was beeindruckte mich so an den Thermals?
Nun, sicherlich ihre unheimliche Schnelligkeit, das radikal herunterspielen dieser 3 Minuten Kracher, die sich schnell auf das Publikum übertragene Freude und Bewegungswütigkeit, die alle drei Thermals von der ersten bis zur letzten Konzertminute an den Tag legen. Im Berliner Bi Nuu fiel mir das bereits nach wenigen Sekunden auf, die Thermals wirken auf ihr Publikum sehr ansteckend. „Born to kill“, „You will find me“, „Returning to the fold“, nach fünf Minuten steppte der Bär, hier wie dort. Die kurzen und knackigen Thermals Songs, das 10 Songs umfassende “Desperate Ground” dauert mit 27 Minuten keine zwei Stadtparkjoggingrunden, müssen einfach jeden mitreißen. Ramones-esk.

Auf der Zugfahrt hatte ich mir die aktuelle Thermals Platte in Ruhe angehört, ich mochte sie von Mal zu Mal mehr. Hoffentlich spielen sie auch „Faces stay with me“ dachte ich nur und meine Vorfreude auf die beiden Konzerte wuchs enorm. „Faces stay with me“ ist ihr aktueller Popsong, nicht ganz so aggressiv, eher seicht catchy und enorm stimmungsvoll. Nach all dem, was ich in den letzten Tagen über die Thermals so las, scheint es ein gutes Beispiel für die zwei Thermal Welten. Waren die vorletzte Platte und die Platte davor eher etwas poppiger, so ist das aktuelle Album, wie die ersten Alben auch, wieder krachiger und punkiger. „Faces stay with me“ vereint für mich irgendwie beides, es ist ein großer Hit.
Sowohl in Berlin als auch in Köln kommt es früh am Abend und lässt mich noch leichter ins Konzert fallen, als es die Songs davor schon taten. Gut, denke ich, dass ich mir vorher noch ein paar ihrer Songs angehört habe, sonst wäre ich in der eingängig- und Eintönigkeit der 2 Minuten Stücke sicher irgendwann abgedriftet*. Natürlich sin Thermals Songs nicht eintönig, aber durch immer gleiche Schnelligkeit und immer gleiche Spieldauer könnte dies einem so vorkommen (siehe Bad Religion).

Mit etwas über 20 Songs holzen sich die drei durch beide Abende. Schnell macht sich Turnhallenumkleidekabinengeruch breit, gleichermaßen verschwitzt ist Band und Publikum bereits nach einer halben Stunde. Die Thermals hasten förmlich durchs Programm; wenige bis gar keine Pausen zwischen den Songs sorgen beim Schlagzeuger für wunde Handflächen. Gegen Ende des Konzertes dehnt er vermehrt seine Finger und pustet sich immer wieder in die Hände und beim Sänger Hutch Harris kann ich nicht mehr unterscheiden, ob es Schweiß oder Speichel ist, der im Gegenlicht gut sichtbar auf die erste Reihe niedergeht. Im Bi Nuu tropft es mir auf den Kopf, im Gebäude 9 sind die Decken etwas höher und atmungsaktiver. Selten habe ich so warme Konzerte Ende Oktober erlebt, normalerweise die Zeit für temperaturentechnisch angenehmste Konzerte zwischen nicht so heiß und zugig kalt. Aber irgendjemand hat in der Umbaupause die Notausgangstür aufgemacht, so dass sich etwas kühlere Luft breit macht. Ich wäre jetzt gerne Kathy Foster, als einzige scheint sie kein Transpirationsproblem zu haben. Zwar wirbelt sie ihre lockige Mähne ununterbrochen umher und hüpft wie ein Flummi auf und ab, ein Schwitzen sehe ich ihr aber nicht an. Ach, so müsste das sein….
Nach gnadenlosen 70 Minuten sind die Konzerte vorbei. Köln war sehr gut, Berlin vielleicht sogar noch eine Spur zackiger. In jedem Fall waren es zwei gute Abende. Sehr gute. Die Thermals können was!

*Abgedriftet bin ich nur bei Volley. Die Kölner Vorband ging so vollkommen an mir vorbei, dass ich die letzten drei Songs ihres Sets überhaupt nicht mehr wahr nahm. Schade, aber vielleicht ergibt sich nochmal die Gelegenheit, ihnen erneut zuzuhören. Dann werde ich mich mehr konzentrieren.

Kontextkonzerte:
The Thermals – Berlin, 20.10.2013
The Thermals – Berlin Festival, 08.08.2009

Schreibe einen Kommentar