Ort: Luxor, Köln
Vorband: Dry the river

Also ich würde mich für komplett bescheuert halten. Wenn ich neulich hier geschrieben habe, dass ich beim sommerlichen Plattenkauf die Bands Wu Lyf und Wye Oak verwechselt habe, ist das nichts gegen das, was mich am gestrigen Abend zum Antlers Konzert ins Kölner Luxor führte.
Die Geschichte geht so:
Im Herbst war ich im Konzertticket Kaufrausch. Gallagher, Elbow, dEUS, Wye Oak standen auf meinem Einkaufszettel, der beim Konzertvorschau gucken mit jedem scrollen länger und länger wurde. Die Antlers, da könnte ich doch auch hin, in der Woche ist sonst nichts und haben die nicht dieses tolle Lied geschrieben, in dem Robert Smith singt? Also legte ich auch die Antlers in den Warenkorb und vergaß das alles in den nächsten Tagen wieder.
Wochen später, wir standen noch nach dem St. Vincent Konzert zusammen und unterhielten uns über unsere nächsten Konzerte, sagte ich ganz beiläufig: „ich geh noch zu den Antlers. Von denen kenne ich zwar nur das eine Lied mit Robert Smith, aber sonst ist nichts in dieser Woche.“ (was überdies so nicht stimmte.). „Nee, das ist nicht von den Antlers“, bekam ich als Antwort, „das ist von …“. Genau, uns viel der Name der Band nicht ein. „Es ist aber nicht von DEN Antlers, die wir in Berlin gesehen haben.“ entgegnete ich. Unsere Verwirrtheit war nun komplett, aber wir bekamen an diesem Abend das Antlers’sche Rätsel nicht mehr gelöst. Zwei Tage später erhielt ich eine Mail mit folgender Betreffzeile:
The Antlers = The Crystal Antlers – Crystal Castles.
Die Gleichung geht mathematisch nicht ganz auf, ein Rest Castles bleibt. Genau, die Crystal Antlers sahen wir vor einigen Jahren in Berlin und von Crystal Castles ist „Not in love“.
Und wer sind nun diese The Antlers, deren Ticket bei mir zuhause in der Schublade liegt?
Eine YouTube Recherche später machte ich die folgende Kurzeinschätzung: Grundsätzlich nicht verkehrt, der Abend wird sich lohnen, wenn sie mehr von ihren neuen Sachen spielen als von den alten. Die klangen mir poppiger und weniger bodenständig angefolkt wie die Stücke, die ich von den älteren Alben hörte. Aber egal wie es läuft, so ganz falsch wird er bestimmt nicht werden.
Über die britischen Dry the river, die Vorband des Abends, las ich am Nachmittag auffallend viel. Da ich die Band nicht kenne, bemühte ich erneut die Google Video Suche, um mir einige Antworten auf meine Fragen geben zu lassen. Das Resultat war ernüchternd. Ich fand nur Akustik-Folk-Gitarren Songs. „Na dann sind die ja gar nicht so prickelnd, ich kann also beruhigt einen Zug später nehmen“, dachte ich und war ganz froh, dass ich die abendliche Hetze etwas entzerren konnte. Bestätigt wurde dies durch eine sms, die ich als Rückmeldung auf meine Terminabsichten-sms erhalten hatte: „ist eben folk.“. Genau, so scheint es zu sein, meine Eindrücke wurden von anerkannter Seite bestätigt.
Das erste Dry the river Stück strafte alle Vermutungen Lügen. Trotz 15 minütiger Verspätung kamen wir noch pünktlich, um bartlose, langhaarige Männer dabei zuzusehen, wie sie sich ihre Gitarren umschnallten und mit tätowierten Armen an die Arbeit machten. Sah der Gitarrist nicht aus wie der Sänger von Biffy Clyro? Und was spielen die da? Das klingt doch nach Rock und weniger nach dem seichten Folkpop der YouTube Videos.* Wenn die das die nächste halbe Stunde so durchhalten, wird es toll! Es wurde toll, Dry the river – so mein erster Liveeindruck – sind eine Band, die ich mir merken muss und deren Album ich mir unbedingt kaufen sollte. Ich mag ja auch Band of Horses, und so oder so ähnlich sind die Stücke der fünf Londoner. Vom Punkrock über die Geige bis hin zum Folk und wieder zurück. Eine sehr interessante Mischung, die Dry the river mir boten. Stealth Rock, so steht es auf ihrer Facebook Seite.
Dass mir keine näheren Details im Gedächtnis blieben, liegt an den Antlers. Sie setzten nochmals eine Schüppe drauf und verwischten alle Vorbandspuren. Au Mann, wie schön konnte ich an diesem Donnerstagabend zu dem schnarchigen Gitarrenrock der vier New Yorker wegdösen. Kein Tönchen trübte meine Verträumtheit. Es war ein schöner Beginn des Wochenausklangs. So dürfen Donnerstagabende öfters sein.
In dieser Masse hörte ich die Antlers Songs zum ersten Mal, nachmittags blieben mir nur wenige Internetminuten, um in den ein oder anderen Song hineinzuhören. Was mir auffiel war, dass die Antlers einen gewissen Gleichklang in ihren Songs haben. Jedes Stück variierte auf den ersten Blick nur unwesentlich, so dass das Konzert zu einer melancholischen Einheitssuppe mutierte. Die Feinheiten liegen aber natürlich im Detail. Ist klar.

Und wie klingen nun die Antlers? Schwierig zu sagen, nach diesem Abend würde ich ihren Sound so koordinieren: das getragene von Mogwai, das melancholische von Elbow und die Foals im Schlafmantel. Ob das jedoch auf die Albenversionen zutrifft, bleibt abzuwarten, die kenne ich ja (noch) nicht.

Überragend und exemplarisch für den Abend war die letzte Zugabe „Epilogue“. Der falsettartige Gesang Peter Silbermans, die ruhige getragene Melodie, die leisen Passagen, das energische Songende. Und auch das Publikum, das beste seit langer Zeit, lief nochmals zur Höchstform auf. Andächtiges schweigen in den ruhigen Augenblicken, sanftes Mitgehen in den Mitgeh-Momenten. Es war ein sehr fanhaftes Verhalten.
Gehässige Stimmen werden jetzt sagen: „Sie waren bestimmt müde gespielt.“ Papperlapapp, sie waren genauso beeindruckt wie ich.

* ich hätte mir die live Videos ansehen sollen!

Setlist:
01:No widows
02: Every night my teeth are falling out
03: French exit
04: Atrophy
05: Rolled together
06. Parentheses
07: Kettering
08: Corsicana
09: Hounds
10: Putting the dog to sleep
Zugabe:
11: I don’t want love
12: Sylvia
13: Epilogue

Multimedia:
flickr

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