Ort: Stadtgarten, Köln
Vorband:

Robert Forster - Köln, 07.10.2025

Durch einen Tipp im Internet bin ich auf die belgische Miniserie 1985 in der ARD-Mediathek aufmerksam geworden. Die acht Folgen handeln von den drei Freunden Vicky, Mark und Frankie, die sich ab 1980 in der Provinz auf ein aufregenderes Leben in Brüssel freuen. Mark und Frankie treten der Gendarmerie bei, während Frankies’ Schwester Valerie ein Jurastudium beginnt. Nebenbei moderiert Valerie für den Piratensender Radio Brüssel, in dem auffällig viel Independent Musik gespielt wird. Bald werden die drei auf unterschiedlichste Arten jedoch in den Sumpf aus Korruption und Verbrechen verwickelt, der mit den realen Brabant-Morden in Verbindung steht. Die Brüsseler Gendarmerie zeigte sich seinerzeit teilweise als korrupter Haufen, der Drogen- und Waffenschiebereien unterstützte. 1985 hat dabei einen realen Hintergrund in den bis heute nicht vollständig aufgeklärten Brabant-Morden, bei denen eine Killerbande (Die Killerbande von Brabant) mehrere Raubüberfälle (vornehmlich Delhaize Supermärkte) und Morde beging.

Und was hat das mit meinem Konzertabend zu tun?
Nun, in der zweiten Folge wollen Vicky und ihre Mitbewohnerin aus dem Studentenwohnheim zu einem The Go-Betweens Konzert. Tickets haben sie schon lange, aber Vicky muss das Konzert dann doch leider sausen lassen. Eine Klausur steht am nächsten Tag an, die ihr wichtiger ist als der Konzertbesuch. ‘Das wirst du später nochmal sehr bereuen’, sagt ihre Freundin Chantale, als sie sich auf den Weg macht. Ob sie es tatsächlich bereute, wird leider nicht weiter betrachtet.
Und so ein Zufall, ich sehe diese Folge just an dem Tag, an dem ich mir später noch ein Ticket für das Robert Forster Konzert im Kölner Stadtgarten besorge. Das Konzert kam kurzfristig auf meine Agenda, nachdem die Beatsteaks ihr kleines Clubkonzert im Het Depot in Leuven am selben Abend krankheitsbedingt gecancelt hatten. Dafür hatte ich ein Ticket. Für das Robert Forster Konzert interessierte ich mich jedoch auch, und als günstig auf Ticketswap ein Ticket angeboten wurde, schlug ich zu. Wenn schon nicht das eine, dann wenigstens das andere Konzert, schien mir eine gute Strategie zu sein.

Robert Forster und sein kongenialer Partner Grant McLennan waren The Go-Betweens. In den 1980er Jahren waren sie die großen Kritikerlieblinge. Und wie so oft bei Kritikerlieblingen, waren ihre Singles dann nur in den Indiecharts präsent und der Weltruhm blieb aus. Immerhin, so lese ich bei Wikipedia, wurde in Brisbane/ Australien eine Brücke nach ihnen benannt: Die Go between Bridge über den Brisbane River. Weiterhin lese ich da:

Trotz der Qualität und der poppigen Eingängigkeit ihrer Songs, die mit den Smiths und R.E.M. verglichen wurden, blieben sie immer die nur potentiellen Anwärter auf einen Chart-Hit – der kommerzielle Erfolg blieb aus. Dies lag zum Teil daran, dass die Band Pech mit der Wahl ihrer Plattenlabels hatte. Der europäische Zweig des Labels Beserkley, welches ihnen ihren ersten Vertrag außerhalb Australiens anbot, ging vor der Unterzeichnung pleite und mit ihm verschwanden die Masterbänder der ersten Songs. Ihr erstes Major-Label Sire hielt das Album Spring Hill Fair (1984) für nicht veröffentlichungswürdig für den nordamerikanischen Markt. Der europäische Zweig des Majors Epic, für das die Band ihr darauffolgendes Album produzierte, löste sich während der Aufnahmen auf. Anderen Plattenfirmen, die sie vertraten, fehlte nach Forsters Einschätzung oft ein Interesse an ihrer Musik und ein Verständnis für das, was die Band will.

1989 entschieden sie, die Band aufzulösen. Im Jahr 2000, nachdem beide die 1990er Jahre über Solosachen gemacht hatten, fanden sie wieder zusammen. Sie veröffentlichten bis zum Tod von Grant McLennan 2006 noch drei weitere Alben. Danach war das Kapitel The Go-Betweens dann endgültig geschlossen und Robert Forster machte als Solokünstler weiter Musik. Seit 2006 veröffentlichte er fünf Alben und schrieb ein paar Bücher. Sein aktuelles Album Strawberries erschien in diesem Jahr. Das Konzert im Kölner Stadtgarten ist Teil der Tour zum Album.

Es ist mein erstes Robert Forster Konzert, für viele andere im Stadtgarten sicher nicht. Es herrscht eine gewisse Vorfreude, ich spüre das. Ich dagegen weiß nicht so richtig, was mich erwartet. The Go-Betweens habe ich nie bewusst gehört und Robert Forster Songs kenne ich erst seit einigen Wochen. Nein, ein Fan des Australiers bin ich nicht. Aber die Songs von Strawberry gefallen mir gut, das Album klingt nach angenehmen Americana/ Folk Singersongwriter Sachen. Manchmal etwas rockiger („All of the time“), manchmal etwas blues-jazziger wie in „Strawberries“. In Summe dann Grund genug, mir das mal live anzuhören.

‘Robert ist in the building. The show starts in 10 minutes.’ Okay, ich bin pünktlich. Gerade als ich den Saal im Stadtgarten betrete, höre ich die Durchsage. Wenn es keine Vorband gibt, denke ich (und es gibt keine Vorband), wird es ein kurzer Abend. Robert Forster kommt nicht alleine auf die Bühne. Mit dabei hat er seine Band, The Swedish Band, wie sie sich nennen. Schlagzeug, Gitarre, Bass. Gemeinsam mit den drei schwedischen Musikern hat Robert Forster Ende letzten Jahres sein Album Strawberries in Göteborg eingespielt. Nun gehen sie gemeinsam auf Tour.
Der Saal ist nicht voll, das Konzert lange nicht ausverkauft. Die Zielgruppe scheint älter, das Durchschnittsalter, so tippe ich wohlwollend, liegt bei Ende 40. Vom Oasis Ultra (leicht zu erkennen am aktuellen Oasis Tour-Shirt) bis hin zum 60jährigen E-Musik Liebhaber ist alles vertreten. Ich fühle mich gut aufgehoben, die Stimmung ist angenehm unaufgeregt. Hier quatscht gleich keiner rum oder quetscht sich noch vor einen in die ersten Reihen. Hier wird aufmerksam zugehört, den Geschichten von Robert Foster gelauscht (die zu „German farmhouse“ ist dabei besonders lang und unterhaltsam) und die Musiker mit viel wohlwollendem Applaus bedacht. ‘Hier ist ja Party’, bemerkt der Australier irgendwann. Sein deutsch hat er nicht verlernt, auch wenn er schon längere Zeit nicht mehr im „German farmhouse“ in Franken (habe ich das korrekt verstanden?) lebt.
Von den acht Songs der neuen Platte spielen sie sechs, „Diamonds“ und „Such a shame“ lässt er aus. dazwischen dann immer einen The Go-Betweens Song. So entsteht eine Setlist aus heute und damals. Zu meinem Lieblingssong des Abends wird sehr schnell „Breakfast on the train“, ein ewig langes Erzählstück mit gefühlt nicht enden wollenden Strophen. Spätestens mit dem Song haben sie mich. Ab diesem Moment bin ich voll dabei. Die Zeit bis kurz vor 22 Uhr verstreicht unendlich schnell und ist mit wunderschöner Musik untermalt. Das Konzert, von dem ich keine Ahnung hatte, wie es werden würde, entwickelt sich zu einem wunderbar launigen Abend.
Alles ist gut, nur der Frittenfettduft aus dem Backstagebereich, das Restaurant des Stadtgartens hat offensichtlich gut zu tun und die Küche lüftet scheinbar öfter mal durch, lenkt meine Gedanken zeitweise in Richtung Hunger und Essen ab. Und isst jemand hinter mir einen Apfel? Nun denn.

Mit dem Refrain von „Surfing Magazines“ im Ohr verlasse ich den Stadtgarten. Himmel, was für ein schöner Konzertabend das war. ‘Da da da da da da’.

Setlist:
01: Strawberries
02: I love myself (and I always have)
03: Always
04: Clouds
05: Breakfast on the train
06: Too much of one thing
07: All of the time
08: Tell it back to me
09: Draining the pool for you
10: German farmhouse
11: Foolish I know
12: Love is a sign
13: Good to cry
14: Was there anything I could do?
15: One bird in the sky
16: Spring rain
17: Learn to burn
Zugabe I:
18: Dive for your memory
19: Surfing Magazines
20: 121
Zugabe II:
21: People say

Kontextkonzerte:

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