Ort: Gloria, Köln
Vorband: His Clancyness
Spoon. Größtmöglich von mir unterschätzte Band. Als ich sie vor drei Jahren auf dem Primavera Sound sah, hielt die Band aus Texas noch für astreine Briten. Zu sehr erinnerten mich ihr Sound und vor allem die Stimme von Sänger Britt Daniel an alte Britpop Helden. Der Gesang erinnerte mich sehr an Alex Turner und die Songs eher an die La’s, Bluetones und Cast als an amerikanischen Indierock. Wenn ich heute ihr aktuelles Album Hot thoughts höre, und ich höre es sehr oft, muss ich über meine damalige Einschätzung unglaublich lachen. Hot thoughts klingt so wenig nach Britannien wie Frikandel speciaal nach einem chinesischen Traditionsessen. Meine Fehleinschätzung aus dem Jahr 2014 ist vollkommen absurd und irre.
Hot thoughts, um noch kurz dabei zu bleiben, ist unbestritten ein Meisterwerk. Ein großartiges Album, eines der besten des letzten Jahres. Und leider von vielen ein sehr unterschätztes. Die Tour der Band ist lange nicht ausverkauft und ihre Festivalauftritte laufen fernab jeglicher Primetime Bühnenzeiten. Aber wurscht was die anderen sagen, ich freute mich wie Bolle auf das Konzert im Gloria. Sehr schnell nach der Konzertankündigung zog ich meinen Ticketkauf durch. Spoon wollte ich unbedingt ich live sehen. Hot thoughts wollte ich unbedingt live hören. Doch nicht nur das. Auch die Vorband wollte ich irgendwie nicht verpassen. Ich las nachmittags einige vielversprechende Kommentare über His Clancyness unter dem Facebook Event und war neugierig. Allerdings hatte ich wenig Lust, allzu früh im Gloria aufzulaufen. Doch mittlerweile sprach dieses Posting dafür,  dass das Konzert nahe der Ausverkauftgrenze pendelte. ‘Einige wenige Restkarten an der Abendkasse‘, dieser Satz stand nachmittags unter dem Facebook Event. ‘Dann schlage ich doch zwei Fliegen mit einer Klappe‘, sagte ich mir. Um das Konzert nicht aus den hinteren Reihen verfolgen zu müssen, sollte ich also zeitig da sein. Und wenn ich zeitig vor Ort bin, dann kann ich auch His Clancyness sehen, ohne mich dafür extra früh aufmachen zu müssen. Perfekt! Wirre Gedanken, die bei näherem Überlegen nur bedingt nachvollzogen werden können.
Als ich um viertel vor acht das Gloria betrat, war es erschreckend leer. Nahezu ausverkauft, so dachte ich, war wohl nur ein Werbegag. Zuvor wunderte ich mich schon über eine relativ kurze Schlange am Einlass. Das Gloria hat aktuell übrigens die härteste Tür Kölns. Meine Kamera wurde penibel inspiziert, meine Tasche, keineswegs größer als DIN A4 genau begutachtet. Weder bei den Gorillaz noch bei Midnight Oil lugten die Sicherheitsleute so genau, schauten so exakt nach. Dabei wurden just bei diesen beiden Konzerten im Vorfeld genaue Vorgaben darüber gemacht, was mitgeführt werden darf und was nicht. Sicherheitsvorkehrungen sind leider notwendig geworden, damit werden wir in Zukunft wohl immer und überall leben müssen. Und sie stören mich überhaupt nicht und ich bin sehr, sehr weit davon weg, mich über sie aufzuregen. Was mich nur manchmal ärgert, ist die unterschiedliche Auslegung dieser Kontrollen. Wenn ich z.B. Gegenstände im Vorfeld untersage und dies entsprechend publiziere, dann wirken diese Vorgaben willkürlich und unglaubwürdig, wenn ich solche Gegenstände später im Konzertraum bei meinem Nebenmann entdecke.

Zurück zu Spoon. Hot thoughts strotzt vor Hits und macht mich mit jedem Hördurchgang sprachloser. Waren es erst die vorderen Songs wie „Hot thoughts“ oder „WhisperI’lllistentohearit“ so entdeckte ich nach und nach auch die Schönheiten von „Tear it down“, „Shotgun“ oder  das fulminante instrumentelle „Us“ mit dem tollen Saxophonteil am Ende des Albums. Meine unangefochtenen Lieblinge sind jedoch „Can I sit next to you“ und das großartige „Hot thoughts“. Beides stand im Gloria auf der Setlist, nur „Us“ mochten Spoon leider nicht spielen. Die einzige Kritelei an diesem Abend.
His Clancyness, so der Name der Vorband. Ich hatte ihn vergessen, überlesen, nicht mehr im Kopf, als die italienische Band mich nach wenigen Minuten begeisterte und die Vorschusslorbeeren bestätigte. Ihr Postindierock erinnerte mich zeitweise an die älteren Sachen von Merchandise. Genau wie bei den Amis waren die Songs etwas länger und hatten diese leicht dramaturgischen Gitarrensequenzen. His Clancyness, mit Abstand die beste Vorband, die ich in den letzten Monaten sah.

Spoon erinnern mit ihrem Bühnenauftritt ein wenig an The National und Britt Daniel an Matt Berninger. Ähnlich wild-konfus tapst der Spoon Sänger über die Bühne, lehnt sich am Bühnenrand an das Publikum und legt sich auch schon mal auf den Bühnenboden, um das Ende eines Keyboardintros abzuwarten. Musikalisch habe ich eine andere Assoziation: Afghan Whigs. Bei meiner letzten Joggingrunde ließ mich „Hot thoughts“ (der Song) spontan und stark an „Gentleman“ denken. Es ist der Durchzug, dieser ähnliche Indiesoulrock, die gleiche unterschwellige Dynamik, die beide Songs verbindet. Seitdem klebt dieser Gedanke wie Ketchup an diesem Song und die Assoziation mit den Afghan Whigs an Spoon. Ohne Frage unangefochten im Zentrum von Spoon steht deren Sänger Britt Daniel, dessen Stimme man sofort unter vielen wiedererkennt. Manchmal verkrümelt er sich in den Bühnenhintergrund, wo ein weiteres Keyboard aufgebaut ist, das er dann mit dem Rücken zu uns bespielt.

Bevor die Band auf die Bühne kommt, steht noch ein letzter, prüfender Blick in den Spiegel. Der hängt im Gloria Backstagebereich direkt neben der Tür zur Bühne. Es fällt mir auf, weil ich von meinem Standort aus folgende Szenerie beobachten kann: Kurz wird rasch der Oberkörper nach rechts gewendet, und sich mit den Händen in die Haare gefasst, bevor es die Treppenstufen hoch und raus auf die Bühne geht. Alle machen das so. Alex Fischel, Rob Pope, Britt Daniel und Eric Harvey. Mehr oder weniger kurz. Der Schlagzeuger Jim Eno ist am penibelsten und wuschelt am intensivsten. Wenigstens in den ersten Sekunden, bis er zum ersten Mal den Kopf im Takt seines Schlagzeugspiels schüttelt, soll die Frisi perfekt sitzen. Die Eitelkeiten der Künstler, die sie aber nicht exklusiv haben. Wer von uns kann schon ohne Prüfblick an einem Spiegel vorübergehen? Na also.

„Do I have to talk you into it“ und „Inside out“ eröffnen den Abend direkt mit zwei Knallern. Einige Songs spielen sie so, dass sie ineinander übergehen. Das ergibt tolle sieben bis acht Minüter. Fünfmal machen Spoon das so, es ist jedes einzelne Mal ein Fest. Ich hatte mich vorher schon gefragt, was die Pfeile vor einigen Songs auf der Setlist bedeuten mögen, jetzt weiß ich es. Ein Pfeil vor einem Song heißt: dieses Stück wird nahtlos an den Vorgänger gehängt.
Apropos Setlist. Die kommt enorm stylisch daher. Sie ist nicht mit irgendeinem Standardschrifttyp a la Arial oder Times New Roman geschrieben, sondern in einer sehr modern wirkenden Schriftart. Und die hat den Hang zum Design vor der Funktionalität, denn die vier Songs der Zugabe („Hot Thoughts“, „Got Nuffin“, „First caress“ und „Rent I pay“) sind einzeilig am unteren Blattrand notiert und im Stehen von den Musikern unmöglich zu erkennen. Aber Köln ist der Abschluss des kleinen Europaausflugs der Texaner und der Zugabenblock war sicher bei jedem Konzert dieser Tour derselbe. So sollte er auch ohne Lesehilfe sitzen. Und er saß an diesem Abend perfekt, und nicht nur der Zugabenblock. Das gesamte Konzert war die reinste Augen- und Ohrenweide!

Kontextkonzert:
Spoon – Primavera Sound Festival Barcelona, 31.05.2014

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