Ort: Stadtgarten – Studio 672, Köln
Vorband: Cloud Control

Tahiti 80

Es langt jetzt aber auch mit der konzertarmen Zeit und dem ganzen anderen ärgerlichen Kram, der mich in der letzten Zeit arg quälte. Die Abspaltung der Tischtennisabteilung vom sich ach so gerne selbst beweihräuchernden Hauptverein geht voran, auch wenn uns der sich selbst als wichtig ansehende ETSC quer stellt und uns die spieltechnische Freigabe untersagt hat. (Machtgedanken im Vereinskindergarten statt sportlicher und jugendfördernder Unterstützung. Der Sport ist im Sportverein nicht für jeden das wichtigste Kriterium). Aber wir spielen auch gerne drei Klassen tiefer, deine Zickereien bringen also nicht viel außer jeder Menge ärgerlicher E-Mails, Gespräche und Diskussionen. Allein in dieser Woche gingen zwei Abende dafür drauf.
Hätten Air das geahnt, hätten sie sich vielleicht eine andere Sportart als visuelle Untermalung zu „Kelly watch the stars“ gesucht.
Womit ich beim eigentlichen Thema wäre, der Freizeitgestaltung des dritten Abends in dieser Woche.
Mit Air haben Tahiti 80 zwei Dinge gemein. Beide Bands stammen aus Frankreich und beide singen nicht in ihrer Muttersprache.
Aus dem erwähnten und auch anderen Gründen verspürte ich eine große Lust, diese mir größtenteils unbekannte Band im Stadtgarten anzuschauen und anzuhören. Einer der anderen Gründe war die Vorband „Cloud control“. Von denen hatte ich letzte Woche ein tolles Stück Musik gehört, und interessant klingende Konzertberichte über ihre Shows gelesen. Das klang und las sich sehr vielversprechend.
Der Aufhänger für diesen Abend war somit rasch gefunden.
Von den Franzosen hingegen kannte ich noch weniger. Wikipedia und die erste Ergebnisseite in Google gaben mir noch schnell folgendes mit auf den Weg: Tahiti 80 Musik ähnelt der andere französischer Bands wie Phoenix, gut, oder Jamaica, puh.
Allerdings gibt es Tahiti 80 schon einige Jährchen länger. 1993 gründete sich die Band im studentischen Rouen, 1999 erschien ihr Debütalbum „Puzzle“. Sie sind also eine kleine französische Institution, die ich natürlich kennenlernen muss.
Das aktuelle Album „The past, the present & the possible” ist ihr sechstes.
Und dieses soll ja wiederum ganz anders klingen als die Vorgänger. Ich zitiere das Internet:

Tahiti 80 sind sich auf ihrem neuen Album “The Past, The Present & The Possible” absolut treu geblieben und berühren einen auch nach 15 Jahren immer noch mit wundervollen Songs, die unter die Haut gehen. Und dabei verfolgt die neue Platte den wohl radikalsten Ansatz der Band-Geschichte.
Vergleichbar vielleicht mit Blurs Übergang von „Leisure“ zu „Modern Life Is Rubbish“ oder der geheimnisvollen Chamäleonhaftigkeit David Bowies, scheint der Versuch einer künstlerischen Wiedergeburt mehr als offensichtlich. Auf diesem ersten Full-Length-Release des bandeigenen Labels Human Sounds (eine Referenz an „Pet Sounds“ von The Beach Boys) wurden sämtliche Genre-Grenzen überschritten, musikalische Regeln gebrochen und bestehende Erwartungen über den Haufen geworfen – eine Herangehensweise, die bei Tahiti 80 bisher nicht unbedingt selbstverständlich war.

Bei kulturnews.de lese ich:

„Mit Julien Barbagallo und Rapha’l Léger haben sich Tahiti 80 gleich zwei neue Mitglieder an Bord geholt. Und deren Einfluss auf die fünfte Platte der französischen Popcombo ist hörbar groß:
Noch immer liefert das Sextett mit `4am` und `Easy` Songs, die von akustischen Gitarren, Gutelaunehooks und dezidiertem Bläsereinsatz getragen werden. In `Gate 33`, `Solitary Bizness` und `Crack up` allerdings strecken die Franzosen neuerdings ihre Fühler nach manchmal schon experimentell anmutenden Synthieklängen aus – und lassen sogar Elektrobeats zu, die wie aus dem Drumcomputer klingen.
Die Frischzellenkur tut ihnen gut; mit ihrem Ritt auf der Elektrowelle sind Tahiti 80 absolut clubtauglich.

Also mehr 80er bei Tahiti 80. Ich lass mich überraschen!
Live war von einer Neuausrichtung wenig zu hören. Der Opener „Solitary bizness“, „Defender“ oder “Gate 33” fügen sich charmant in das Gesamtset ein. Und auch „Crack up“, der abgedrehte letzte Song ist trotz Plastikcomputerfieptönen immer noch ein Popsong in bestem Stile französischer Bands.

A apropos, wie stellt man sich eigentlich die Musik einer Band vor, die mit folgenden Schlagworten charakterisiert wird: Französische Band, soll Popmusik machen und heißt Tahiti 80.
Meine Spontanreaktion wäre: Easy listening Melodien mit Love Boat Touch und butterweichen, zuckersüßen Gutelauneliedern.
Und genau so klingen Tahiti 80. Präziser heißt das: Obwohl sie die Erstgeborenen sind, klingen Tahiti 80 wie der kleine Bruder von Phoenix.
Die fünf Franzosen hatten mich vom ersten Song an überzeugt. Meine Freude über die seicht dahinswingenden Popsongs (ab und an, also an diesem Abend, macht so was großen Spaß) wurde noch dadurch verstärkt, dass die Band einen grundsympathischen Eindruck hinterließ.
Ihr Interaktionsgrad mit dem Publikum war hoch, Bassist Pedro Resende, der an diesem Tag seinen Geburtstag feierte, allzeit ein Hingucker, seine an Cliff Huxtable erinnernden Tanzshuffle irre lustig.
Die Höhepunkte der Sympathiewelle kamen am Ende des Konzertes. Die in reine Improvisation abdriftende Version von „Crack up“ irritierte Gitarrist Médéric Gontier so sehr, dass er einfach kurzzeitig die Bühne verließ. Sein Gesichtsausdruck während der beginnenden Freestyle Session sprach Bände: „Und was soll ich jetzt spielen? Wo finde ich den Einsatz?“
Xavier Boyer erwähnte dann augenzwinkernd vor der ersten Zugabe, dass sie „heute einige Dinge zum ersten Mal ausprobiert hätten, und einige Dinge auch zum letzten Mal, zum Beispiel das neue Ende von „Crack up“.
Nach der Zugabe, in der übrigens die beiden Zuschauerwünsche „Heartbeat“ und „Unpredictable“ erfüllt wurden, verabschiedete sich unser Geburtstagskind per Handschlag bei seinen Zuhörern. Viele Hände musste er jedoch nicht schütteln, viel zu wenige besuchten das Konzert von Tahiti 80.
Musikalisch gab es in der guten Stunde davor das wunderbare Instrumentalstück „Antonelli“ und das ein oder andere herrlich schmalzig schmachtende Keyboard („1000 times“, „Easy“), St. Etienne Rhythmen und ganz viel La-Boum Fetenmusik.
Ach, so was können nur Franzosen! Das Konzert mutierte Mitte des Sets in eine Tanzveranstaltung.

Tahiti 80 waren die positive Überraschung des Abends. An Phoenix kommen sie zwar nicht ganz ran („Big day“ macht da die klare Ausnahme), aber im Wettstreit um den schönsten Ort gewinnt die Südsee eindeutig vor der Karibik.
Und wie waren nun Cloud Control, die australische Band, die uns diesen Abend eingebrockt hatte.
Nun, sie hielten unseren Erwartungen an diesem Abend nicht Stand.
Von der Band um die Geschwister Heidi und Ulrich Lenffer hatten wir uns nach dem hören einiger Songs etwas mehr versprochen. Ihr interessant angesetzter Indiepop klang an diesem Abend leider zu gleichförmig und belanglos. Ausnahmen waren die Single „Death cloud“ und „Meditation Song“. Ansonsten hatte ich in ihren übrigen 10 Songs nur in wenigen Momenten den Eindruck, dass sie richtig zu Potte kommen. Doch auch in diesen durchaus guten Augenblicken schafften es die diesjährigen Gewinner des Australian Muisc Prize nicht, den Funken auf mich überspringen zu lassen.

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Jamaica – Köln, 06.10.2010
Phoenix – Dortmund, 19.11.2009
Phoenix – Bochum, 04.11.2006

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