Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Thought Forms

Esben and the witch

Action Mike gibt alles. Es ist bereits nach Mitternacht, als wir noch im Vorraum des Gebäude 9 herumstehen und versuchen, gegen die laute Musik des DJs anzureden. Der Raum hat sich geleert, und die wenigen, die es nach dem Esben and the witch Konzert noch nicht in die kalte Nacht getrieben hat, interessiert die Musik wenig. Einzig Charlie Romijn tanzt neben uns zur Dinosaur Jr. Version von „Just like heaven“. Soviel Elan versprühte sie Stunden zuvor auf der Bühne des G9 nicht. Es hätte auch nicht zu der Musik ihrer Band Thought Forms gepasst. Die machen eher eine Mischung aus Shoegaze und indisch-psychodelischen Post-Rock. Das klingt interessant, es war jedoch leider nicht Fisch und nicht Fleisch. So richtig überzeugen konnten mich die drei Briten also nicht, allerdings a) habe ich nicht – wie viele andere – während ihres Auftritts den Saal verlassen und allerdings b) erkannte ich sie als Vorband und nicht als Esben and the witch (was nicht jedem im Publikum gelang) und allerdings c) war es nicht so schlimm, wie ich zu Beginn des ersten Songs befürchtet hatte. Da kniete der Gitarrist Deej Dhariwal neben seinem Mikrofonständer und brüllte oder brummelte unverständliches ins Publikum, während Charlie Romijn mit ihrer rechten Hand indische Rasseln schlug. In den 80ern hätte man das als Hare-Krishna Zeugs abgetan, heute hat dieser Begriff nur noch wenig Existenzberechtigung (zumindest habe ich seit Kula Shaker nichts mehr über Hare Krishna gelesen oder gehört). Thought Forms‘ Bandaufstellung war klassisch, das Schlagzeug in der Mitte der Bühne wurde von den beiden Gesangsstimmen, die sich in und mit den Songs abwechselten, eingerahmt. Die drei wurden für mich immer dann gut, wenn sie die Lethargie etwas ablegten und sich in wilderen Gitarren austobten. Doch leider waren diese Momente selten, nicht jeder ihrer langen Songs endete in einem kleinen Inferno. Thought Forms waren nicht schlecht, aber sie rissen mich eben nicht vom Hocker und meine Füße im zugigen Gebäude 9 wurden nicht unbedingt warm. Oh Gott ja, es war kalt. Draußen und auch drinnen. Prinzipiell habe ich nichts gegen Konzerte im Winter, im Gegenteil, ich finde sie sogar schöner. Die Luft ist weniger stickig, der Schwitzfaktor ist geringer und die Frische der Luft – nachdem man den Konzertort verlassen hat und draußen noch ein wenig rumsteht und sich voneinander verabschiedet – ist angenehmer als eine warme Sommernacht. Aber am Freitag war es selbst mir eine Spur zu kühl. Vielleicht hätten wir auch nicht rechts an der Bühne stehen sollen, in der Nähe der Holztür, deren Planken Schlitze zuließen, durch die die kalte Luft strömte. Vielleicht aber haben wir nicht zufällig diesen Platz gewählt, wir standen so direkt vor den beiden Sängerinnen beider Bands. Denn sowohl Charlie Romijn als später auch Rachel Davies machten die linke Bühnenhälfte zu ihren Lieblingsorten. Esben and the witch. Der Kölner Stadtanzeiger kündigte ihr Konzert mit dem Begriff „Nightmare Pop“ An. Was immer genau ich darunter verstehen soll. Lastfm listet unter dem Begriff sowohl Soko als auch Joy Division und eine Reihe anderer Bands, die ich nicht kennen möchte. Arte.tv bezieht sich bei der Begriffserklärung schon eher auf die Südengländer, jedoch nicht ohne zuvor melodramatische Eingangsworte zu finden. Hach, das liest sich toll:

„Die Zeiten von Dark Wave oder neumodisch Bat Cave genannt, bei denen der Trauerrand unter den Fingernägeln der Grusel-Fans vor Begeisterung zitterte, sind aus, vorbei und tot. Jetzt fürchtet man sich gern beim „Nightmare Pop“: Schaurige Musik, alptraumhafte Texte, düstere Performances.“

Und weiter:

„Erfunden haben den Begriff die Mitglieder von Esben & The Witch aus Brighton: zwei Jungs, ein Mädchen, zweimal Gitarre, einmal Bass, dazu Elektro-Beats aus dem Laptop. Ihr Bandname ist inspiriert von einem dänischen Märchen. Statt Fakten zur Band-Bio erzählen die Nightmare-Popper lieber geheimnisvolle Märchen und erklären auf ihrer Homepage, wie der Aderlass funktioniert. Dazu gibt’s Bilder von ausgestopften Eulen und Gespenstern.“

Okaye. So nightmare-haft war das Konzert allerdings nicht. Was vielleicht an den Songs des neuen Albums „Wash the sins not only the face“ liegt, die für mich weniger nach Albtraum klingen als die des Debüts. Zumindest war das mein Eindruck der aktuellen Songs, die neu für mich waren, weil ich „Wash the sins not only the face“ (übrigens, was für ein schöner Albumtitel!) noch nicht gehört habe. Ansonsten war vieles wie vor fast genau zwei Jahren. Das Gebäude 9 gut besucht, die Bühnenbeleuchtung spärlich, das Ambiente kalt. Damals schrie ich auch etwas über den Begriff nightmare pop und darüber, wie dunkel und düster ihr Konzert war. Aber wie gesagt, so dunkel und düster empfand ich es am Freitag nicht.
Sängerin Rachel Davies spielte auch keine Trommeln mehr, das übernahm David Copeman. Ein „richtiges“ Schlagzeug hat die Band nicht. Es sind nur zwei Trommeln und ein Hi-Hat, wichtiger und dominierender in der Bühnenoptik sind die Keyboards, die er auch spielt. Und die Gitarren. Rachel Davies und Thomas Fisher konzentrieren sich auf sie, sie spielen Bass bzw. Gitarre.
Eine gute Stunde lang hören wir Song der beiden Alben, wobei mir „Marching Song“ (neben „Eumenides“ der einzige Song von „Violet Cries“) und „When that head splits“ am besten gefielen. Aber auch die anderen neuen Stücke hinterließen einen sehr guten Eindruck. „Deathwaltz“, „Yellow wood“, ach, irgendwie war alles gut und sehr unterhaltsam. Als die Band nach guten 60 Minuten die Bühne verlässt fällt uns auf, dass auch der „Schlagzeuger“ keine Schuhe trägt.
Doch wieso auch und wieso fiel es uns überhaupt auf?
Nun, während der Umbaupause hatten wir uns über die Doc Martins der Sängerin unterhalten, dass sie noch relativ neu sein müssten und designmässig anders aussehen als die Stiefel, die man hier in Deutschland kaufen kann. Eben die übliche Art von Pausengesprächen, bei denen man Bühnenbeobachtungen teilt. Nein, wir sind beileibe keine Schuhexperten und keine Modeopfer, aber Geschichten über das Einlaufen dieser britischen Klassiker kennen wir schon. Und dann entdeckten wir, dass der Gitarrist in Socken auf der Bühne stand. Seine waren grau, an die rot-grünen Ringelsocken des Keyboarder/Schlagzeugers reichten sie natürlich nicht heran.

Fazit: Esben and the witch sind eine dieser Bands, die man sich immer und zu jeder Zeit sorglos ansehen kann.

Den Begriff Bat Cave google ich als nächstes!

(Gerade habe ich mir ein paar Videos der Thought Forms angesehen. Aus der Konserve klingt das alles viel besser und weit lebendiger als es mir am Freitag im Gebäude 9 erschien. Das irritiert mich…)

Setlist:
01: Iceland Spar
02: Slow wave
03: Marching song
04: Lucia, at the Precipice
05: Despair
06: When that head splits
07: Eumenides
08: Yellow wood
09: Deathwaltz
Zugabe:
10: The fall of Glorieta Mountain
11: Smashed to pieces in the still of the night

Kontextkonzerte:
Esben and the witch – Köln, 13.02.2011

Multimedia:

Dieser Beitrag hat einen Kommentar

  1. e.

    ich könnte hier auch kontextualisieren und mit einem ähnlichen event glänzen. aber ich glaube, der erfahrungshorizont würde kaum erweitert. mir gefiel vor allem diese gedämpfte form des bombasts, aus der sich heraus die getragenen noten quälen.

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