Eine Nacht in Essen. Die Mottoreihe des Radiosenders 1live ist in Essen angekommen. Ein Abend voller Konzerte, kultureller Ereignisse und den obligatorischen Partyreihen überflutete die Essener Freitagnacht. Essen, Ruhrgebiet, Kulturstätte 2010. Viel mehr muss ich nicht schreiben. Xavier Naidoo bekam eine Einladung, The Temper Trap ebenso, Wolf Christoph Biermann las über Fußball und in der Großraumdisco Delta Music Park spielten Madsen, Ellie Goulding und Delphic. Madsen, die Schreihälse aus dem Wendland, buchten gleich den großen Saal, Ellie Goulding und Delphic spielten, wie es sich gehört, in der Indiedisco des Musikparks.
Zog es mich bereits früher schon mehr auf die kleineren Tanzflächen, wo tendenziell die bessere und innovativere Musik aufgelegt wurde als auf dem Großflächentanzboden, auf dem man nur gelegentlich zu Madonna oder Midnight Oil seinen Körper bewegen konnte, so ist dies heutzutage natürlich nicht anders. Also, vorbei an der Haupthalle und hin in die allerletzte Ecke des Musicparks. Dort, wo der Toilettenwagen aufgebaut war und das Heizgebläse petroleumgeschwängerte Luft in den Zuschauerraum ventilierte, sollten zwei aus den TOP 3 der BBC – Sounds for 2010 den Abend gestalten: Ellie Goulding und Delphic. Hype as hype can. Also schon wieder Delphic. Nach ihrem – ich habe mich mittlerweile auf wahnsinnig als passende Umschreibung geeinigt – gestrigen Auftritt war ich sehr gespannt auf unser erneutes Wiedersehen.
Zuvor aber Ellie Goulding. Ungefähr genauso neugierig war ich auf den Auftritt des blonden Mädels aus Hereford. Ihr Debütalbum „Lights“ bekomme ich erst in den nächsten Tagen, so sind die beiden Singles „Starry eyed“ (überraschend schon das zweite Stück des Abends, aber vielleicht musste es in eine Radioliveübertragung gezwängt werden und war deshalb so früh angesetzt. Normalerweise bildet es den Abschluss eines Ellie Goulding Konzerts.) und „Under the sheets“ (das dann tatsächlich der letzte Song des Abends war) die einzigen mir bekannten Stücke des Abends.
Beide gefallen mir sehr, und da ich ein gewisses Grundvertrauen in die Kenntnisse der Mitarbeiter der Section Musik bei der altehrwürdigen BBC habe, erwartete ich ähnliches für die übrigen Songs. Leider, leider war das ein Trugschluss. Bei Weitem hält der Rest nicht das, was die BBC und „Starry eyed“ versprechen. Ins belanglose abgleitender Schnullipop, hier und da aufgepeppt mit einer akustischen Gitarre oder überflüssigen Drumeinlagen, so mein erster Eindruck. Nachdem sich die anfängliche Euphorie spätestens ab dem fünften Song ein wenig gelegt hatte, wurde es arg langweilig. Da nervten dann nicht nur die Fotografen, die hochwichtig mit 1live Bändchen und Monsterausrüstung den gesamten Abend die ersten beiden Reihen des linken Bühnenrands blockierten. Wenn einen der Künstler schon weniger als null interessiert, kann man dann nicht wenigstens seine Bilder abseits des Trubels gegenchecken und den kleinen Mädchen den Vortritt lassen? Na egal. Wie gesagt, auch Ellie und ihre drei juvenilen Begleitmusiker wurden anstrengend. Vielleicht ändere ich meine Meinung, wenn ich das Album in Ruhe durchgehört habe, aber nach jetzigem Stand der Dinge glaube ich, dass Ellie Goulding maßlos überschätzt wird. Dann wird das ein sehr kurzer Hype.
Dann weiter zum wahren Sound für 2010. Delphic. Das zweite Mal innerhalb von 24 Stunden. Macht das Spaß? Klares ja. Es machte dieses Mal sogar noch mehr Spaß als tags zuvor im Gebäude 9. Dass lag bestimmt auch daran, dass der Sound in Essen nicht so laut und super-dröhnig war. Das Hören war so um einiges angenehmer. Delphic boten erneut beste Tanzmusik. Die Setlist war identisch mit der des Kölner Konzerts, daher gab es nichts neues zu hören. Was mir aber im zweiten Livedurchgang auffiel: wie viele tolle Songs sind doch auf Delphics Debüt „Acolyte“ versammelt. Und wie stark präsentiert sich doch das Eröffnungstrippel mit „Clarion call“, „Doubt“ und dem sehr überzeugt angelegten „Red light“. Madchester machte mir von beginn an viel Spaß. Und im Unterschied zu Frau Gouldings Auftritt wurde der nicht weniger. „Halycon“ und „This momentary“ sowie der letzte Song des Abends „Acolyte“, weitere Ausrufezeichen einer tollen Band, die hoffentlich ein gutes zweites Album nachlegen kann.
„War das ein geiler heißer Scheiß?“ fragte die überdimensioniert bebrillte 1live Moderatorin am Ende des Konzertabends. Delphic hatte auch sie begeistert, und ja, das war es. Aber ob es das bleibt, ich bin mir unsicher. Freuen würde es mich!

Setlist Ellie Goulding:
01: ?
02: Starry eyed
03: Guns & horses
04: Your biggest mistake
05: The writer
06: Lights
07: Everytime you go
08: This love
09: I wish i stayed
10: Salt & skin
11: Under the sheets

Setlist Delphic:
01: Clarion Call
02: Doubt
03: Red lights
04: Submission
05: Halcyon
06: This momentary
07: Counterpoint
Zugabe:
08: Remain
09: Acolyte

Multimedia:
Fotos Ellie Goulding: frank@flickr
Fotos Delphic: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Delphic – Köln, 06.05.2010
Bloc Party – Köln, 17.02.2009
Health – Köln, 17.10.2009
Florence & the machine – Köln 06.10.2009
Kate Nash – Köln, 06.12.2007

Schreibe einen Kommentar