Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Vorband:

Todd Rundgren - Maastricht, 24.10.2025

Was hatte ich mir denn dabei gedacht? Relativ unbedacht kaufte ich im Sommer ein Ticket für das Todd Rundgren Konzert in der Muziekgieterij in Maastricht. Es war eine Empfehlung, eine innige Bitte, dieses Konzert zu besuchen. Also gut, was kann da schon schief gehen? Konzerte sind immer unterhaltsam und meistens auch interessant.
In den Tagen vor dem Konzert änderte sich meine Sichtweise ein bisschen und ich bekam ob meines Übermutes leichte Bauchschmerzen. Ob das wirklich was ist? Ob mir das auf einer Konzertdauer von 90 Minuten wirklich gefällt? Was spielt er denn eigentlich aus seinem umfangreichen Backkatalog? Die Setlist vom Brüsseler Konzert erschien dann zwei Tage vor dem Konzert bei Setlist.fm. Es war das erste Konzert der aktuellen Europatournee und somit der einzige einigermaßen valide Anhaltspunkt auf eine etwaige Setlist. A ha, die bekanntesten Songs in der Zugabe und als Medley. Mh, mutig, mh, spannend. Oder sind das nur in meiner Welt die Hits, weil ich keine weiteren Todd Rundgren Songs kenne?

Wie dem auch sei. Ich hatte im Vorhinein keine große Lust, mich näher mit Todd Rundgren zu beschäftigen. Die zwei, drei Songs, die ich anspielte, klangen ganz okay nach Softrock/ Yachtrock. Das musste an Vorabinformation reichen. Und wenn der Abend das oder so Ähnliches hergibt, bin ich zufrieden. Doch den Gefallen machte mir das Konzert nicht. Es war komplett anders und viel inhomogener, als ich es mir vorgestellt hatte. Und so recherchiere ich nach dem Konzert genauer und je mehr ich lese, desto stärker wächst meine Begeisterung für den Musiker/ Produzenten Todd Rundgren, der mich tatsächlich schon am Abend im Konzert vollkommen überzeugt hat. Doch dazu später mehr. Die Musikseite Wikipedia lehrt mich folgendes über Todd Rundgren: Seine größten Hits sind tatsächlich „Hello it’s me“ und „I saw the light“. Die kannte ich. Beide stammen vom 1972er Album Something/Anything?, das gerne auch als sein Meisterwerk betrachtet wird. Weitere Hits sind „Can we still be friends“ (1978) und „Bang the drum all day“ aus dem Jahr 1983. Letzteren kannte ich nicht und lerne ich an diesem Abend auch nicht kennen. „Bang the drum all day“ steht nicht auf der Setlist. Während Something/Anything? stärker nach Softrock klingt, tendiert das Nachfolgealbum A wizard, a true star in Richtung Psychedelic-Pop. Wäre diese Entwicklung vielleicht noch nachvollziehbar und ein bisschen logisch mit Drogenkonsum erklärbar, sind die nächsten Richtungswechsel nicht mehr ganz so nachvollziehbar. Kurz zusammengefasst deckt Todd Rundgren in den Jahren folgende Musikstile ab: Auf Initiation (1975) macht er mit seiner Band Utopia Progressive Rock, schreibt später ein paar Fusion Jazz animierte Songs, nimmt ein Beatles Parodie Album auf (Deface the Music), schließt sich auf The ever popular tortured artist effect dem New Wave an und wendet sich Ende der 1980er Jahre dem Philly Sound (Nearly human) und dem Rap/Dance/HipHop (No world order lite) zu. Der Deutschlandfunk nennt Todd Rundgren in einem Feature ein musikalisches Chamäleon. Und das stellen seine Platte eindrücklich unter Beweis, wenn es den eines Beweises nötig wäre.
Doch damit nicht genug. Neben seinen eigenen Platten und die seiner Band Utopia produzierte er u. a. Alben von Meat Loaf (Bat out of hell, eines der meistverkauften Alben der Geschichte), XTC und den New York Dolls. 2021 wurde Todd Rundgren in die Rock and Roll Hall of Fame aufgenommen.
Er ist also einer der ganz Großen und ein wahrer Tausendsassa in Sachen Musik.

All das wusste ich nicht, als ich in die Muziekgieterij komme.
Wie voll würde die Muziekgieterij wohl werden, war noch so eine Frage, die ich mir vor dem Konzert stellte. Ich konnte überhaupt nicht einschätzen, wie viele Zuhörer Todd Rundgren 2025 zieht. Es sind dann gut 500 Leute, und der Saal ist gut zur Hälfte gefühlt. Das Publikum zeigt sich dabei sehr unterschiedlich. Von der Gen-Z bis zum 60+ Ehepaar, vom Fan im Todd Rundgren Shirt bis zu neugierigen Menschen wie uns reicht die Spannweite.  Das Konzert beginnt pünktlich um 20.30 Uhr und endet nach sagenhaften knapp zweieinhalb Stunden gegen 23 Uhr. Hätte mir das vorher einer gesagt, ich glaube, ich hätte mein Ticket verkauft (obwohl ein Schwarzmarkt quasi nicht existent war) und wäre nicht hingefahren. Das wäre mir dann doch zu lang, um mal neugierig reinzuschnuppern.
Aber gut, dass ich das vorher nicht wusste. Ich hätte ich wahnsinnig über diese Entscheidung geärgert, auch wenn ich mich nicht über Sachen ärgern kann, die ich nicht kenne. Denn als ich nach einer guten Stunde kurz auf meine Armbanduhr schaute, bin ich selbst überrascht, dass schon eine Stunde vergangen ist. ‘Himmel ist das Konzert kurzweilig’, denke ich so. Dass es musikalisch hochklassig ist, wurde mir schon ein paar Songs vorher klar. Egal welcher Song, überall entdecke ich bekannte und vertraute Melodien. Und, ungelogen, bei jedem Song denke ich, ‚Wow, ist das gut gemacht, die Songs werden einfach nicht langweilig.’ Und das genreübergreifend. Selbst seine Ska Nummer „Down with the ship“ (die übrigens auf dem 2021er Album Space Force veröffentlicht ist; ein Duett mit Cuomo Rivers) klingt zeitlos, die Softpop- und Yachtrock-Nummern aus den 1970er Jahren sowieso. Da ich mittlerweile auch 80’s Synthieballaden, Prince und Sade sehr gut finde (vor 40 Jahren war das anders), gefallen mir natürlich auch seine Songs aus dieser Ära („Buffalo Grass“, „Beloved infidel“, „Hit me like a train“). Am allerliebsten sind mir jedoch die Softrock-Nummern. „Sweet“ oder „Afterlife“ sind solche Songperlen. Die gehen runter wie Öl. Das muss man allerdings gnadenlos mögen, ansonsten wird’s schnell eintönig und langweilig.

Die Band steht bei dem Konzert klar im Hintergrund. Es gibt keine Musikersoli, keine exaltierten Gitarrenakrobatiken. Todd Rundgren ist der Boss, und das ist zu jeder Sekunde erkennbar. Erst in der Zugabe stellt er seinen Musikerkollegen kurz vor. Überhaupt, Todd Rundgren macht kaum Ansagen, geschweige denn erzählt er irgendwas. Das Konzert ist sehr auf die Musik reduziert.

In der Zugabe kommen dann die von einigen herbeigesehnten Hits. „I saw the light“, „Can we still be friends“ und „Hello it’s me“. Doch zuvor spielt er „Flappie“, ein Cover des niederländischen Kabarettisten Youp van ’t Hek. 2020 schrieb Todd Rundgren eine englische Version, die er – wie er sagt – nicht oft live spielt. Eigentlich nicht als Weihnachtslied gedacht, ist es mittlerweile eines der populärsten Weihnachtslieder im Nachbarland. Und in diesen Konzertabend passt es so gut wie BAP als Umbaupausenmusik vor Little Simz. Nämlich hervorragend! Die Hits im Dreier-Medley zünden nicht 100%ig. Schade, ein stand alone „Can we still be friends“ käme deutlich besser und würde dem Song auch irgendwie gerechter. Dann schon eher „The last ride“ vom 1974er Album Todd. Und wie es sich für alte Rockkonzerte gehört, es gibt einen letzten Song, dem man anhört, dass es der Rausschmeißer ist. An diesem Abend ist es „Fade away“, noch ein letztes Mal Softrock pur.

Wow, was für ein toller Abend damit zuende geht. Ein Konzertabend wie ein Griff in eine Tüte Haribo Color-Rado. Nicht alles, aber das meiste schmeckt. Ich hatte überwiegend großen Spaß und es war eine gute und richtige Idee, sich Todd Rundgren einmal live anzusehen!

Setlist:
01: I think you know
02: Secret society
03: Weakness
04: Stood up
05: Lost horizon
06: Buffalo grass
07: Beloved infidel
08: Hit me like a train
09: Wouldn’t you like to know
10: Sweet
11: Kindness
12: Woman’s world
13: Afterlife
14: Down with the ship
15: Flesh and blood
16: Honest work
17: Rock love
18: God said
19: Fascist Christ
20: Hawking
21: Worldwide epiphany
Zugabe:
Flappie
22: I saw the light / Can we still be friends / Hello it’s me
23: The last ride
24: Fade away

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