Ort: Studio 672, Köln
Vorband:
In meiner Disco hieß es Anfang der 1990er Jahre auch immer noch Rave-o-lution: Soup Dragons, Charlatans, Happy Mondays, Stone Roses. Die britische Gitarrenpopmusik bediente sich beim Acid House und für eine kurze Zeit waren die Genregrenzen sehr fließend. Wer sich einmal die extended Mixe der Soup Dragons angehört hat, oder das wunderbare Halleluja Album von den Happy Mondays bekommt eine Ahnung darüber, was ich versuche, zu sagen. Die britische Band The Orb gehörte nicht nur dazu, sie waren in dieser Zeit eine der ganz großen Bands im Rave-Geschäft. Als unnützes Wissen zu The Orb hätte ich folgende Information: Ihre 1992er Single „Blue Room“ war mit fast 40 Minuten die längste Single, die jemals an der Spitze der britischen Charts stand. Daraus könnte man ableiten, dass The Orb nicht aus dem Gitarrensektor zur Rave-o-lution kamen, sondern von jeher im Dancebereich verankert waren. Eine Ableitung, die nicht falsch ist. The Orb hatten ihre Gründungsphase in den Londoner Clubs als Ambient und House DJs.

Doch genug der alten Zeit, das ist alles schon viel zu lange her. Und wichtiger ist auch, dass The Orb immer noch zu den Platten machenden Bands gehören. In diesem Jahrtausend haben sie in bisher jedem Jahr eine Platte veröffentlicht. Ausruhen auf dem frühen Ruhm der 1990er Jahre gibt es bei dem Duo nicht. Ihr 2016er Werk nennen sie COW / Chill Out, World! und ambient ist es für mich immer noch. Der Name der Platte ist durchaus als musikalisches Programm zu verstehen: chill out.
Am Samstag war nicht allzu viel los, so war es durchaus keine schlechte Idee, sich Tickets für das The Orb Konzert im Kölner Stadtgarten besorgt zu haben. Kann man sich ja mal angucken und sich entspannt in den Abend ziehen lassen, so mein Gedanke im Vorfeld.
Vormittags wurde dann bekanntgegeben, dass das Konzert vom Stadtgarten Saal ins kleine Studio 672 verlegt wird. Okay, also nicht genug Karten verkauft. Es hätte mich eh gewundert, wenn das Konzert stark besucht gewesen wäre. Ich meine, The Orb, wen locken die schon noch hinter dem Ofen hervor?! Allerdings nahm meine Wahnvorstellung die Form an, dass es dann abends im Studio sicher brechend voll nahe der ausverkauft Grenze sein würde, denn der Saal ist sehr viel kleiner als der Konzertsaal des Stadtgartens und ein paar Tickets werden bestimmt verkauft worden sein. Ein sehr volles Studio finde ich jedoch nicht so optimal. Am Abend konnte ich dann aber relativ schnell meine Bedenken hinsichtlich der Wohlfühlatmosphäre beiseite wischen. Das Studio war vielleicht halb voll, als ich pünktlich um acht Uhr meinen Einlaßstempel auf den Handrücken gedrückt bekam.

Draußen regnete es wie Bolle und die Parkplatzsuche an diesem Samstagabend war nicht ganz einfach. Das Auto parkte ein paar Meter entfernt und ich musste durch den leicht frühlingshaften Regen. Mit tropfender Jacke lauschte ich den ersten Tönen, denn just als ich durch die Tür stapfte betraten Thomas Fehlmann und Alex Paterson die kleine Bühne. Die war vollgestellt mit Elektrokrempel und Apple Computer. Das Set begann einfach so aus dem nichts heraus. Nebelmaschine an, Audio-visuelles ab. Disconebel und Videosequenzen begleiten mich von da an durch den Abend. Die Videos waren mal psychodelisch mit bunten Blümchen, mal existenziell mit dicken Männerbäuchen, die im Takt der Musik wabberten oder surrealer Natur mit Phantasieobjekten und -figuren. Ab und an hakte die Videospur und es dauerte eine Zeit, bis sie zu sehen war. Eine kleine Randbeobachtung von mir, die jedoch total irrelevant für das tolle Konzert ist. Da die Decke im Studio nicht sehr hoch ist, spiegelten sich die Projektionen in den Gesichtern der beiden DJs, so dass sie unfreiwillig oft im hellen Licht standen und Teil der Projektionsfläche wurden. Die Visuals waren das einzige, weswegen es sich aus dem hinteren Bereich des Studios lohnte, auf die Bühne zu gucken. Das machte ich anfangs öfter, später weniger oft. Denn im Laufe des Sets zuckte es immer mehr in meinen Beinen und ich ging dazu über, mehr und mehr zu tanzen. Was soll ich mir auch zwei Stunden lang komische Videofilmchen anschauen. Um Himmels Willen, nicht bei einem quasi DJ Konzert.
The Orb reihten Track an Track. Es gab mal kurze, mal längere, die sich zu einem kleinen Gesamtkunstwerk zusammenwebten. Es klang mal verträumter, mal technoider. Mal waren es House Rhythmen, die mich zum Tanzen verführten, mal poppigere Töne. Für nicht Eingeweihte mag das jetzt nach einer exzessiven Tanzveranstaltung klingen, House, Techno. Aber das hier war nicht Ibiza, Detroit Ende der 1980er Jahre oder die Love Parade, The Orb liefern die Beats auf sehr minimale und unterschwellige Art und Weise. Das war besser!

Da es kein Vorprogramm gab verlief der Abend zeitlich überschaubar. Kurz irritiert war ich über den plötzlichen Abgang der beiden nach schlappen 50 Minuten. Das Studio war doch gerade erst auf Betriebstemperatur, sollte da das Konzert schon beendet sein? Neben mir hörte ich erste Beschwerden: ‘Das war aber kurz.‘ Auch ich war mir unsicher darüber, was ich davon halten sollte. Nach 10 Minuten, in denen in einer endlosschleife Sounds aus den Boxen pluckerten, stellte es sich  als Unterbrechung heraus. Zigarettenpause oder so.  Um kurz nach neun Uhr kamen Thomas Fehlmann und Alex Paterson zurück und starteten mit dem zweiten Teil ihres Sets. Hier brachten sie anfangs ein paar Tracks ihres aktuellen Albums an den Start. Die erkannte ich, weil ich mir das Album kurz vorher angehört hatte. Im Verlauf des Konzertes hörte ich dann Stücke, in die das Twin Peaks Thema gesampelt wurde oder ich mir einbilde, Yello Anleihen („The Race“) herausgehört zu haben. Besser weiß ich es nicht, und wer nach einer genaueren Setlist fragt, dem muss ich mit einem ‘ich hab keine Ahnung‘ antworten. Das ist aber auch nicht weiter wichtig. „Little Fluffy Clouds“ – ein weiterer kleiner Hit – war nicht darunter, wie ich später erfuhr.  Ich nahm das so auf.

Wohin zur Hölle – mit den Depressionen?
Ich geh‘ in die Disko, ich will da wohnen;
Ich geh‘ in die Disko und bringe Depri mit;
Na wie wär’s? Wechselschritt;
Trauernder Tango, flennender Fox,
langes Elend, elender Trotz.
Tanz‘ den Burnout, Tanz‘ das Syndrom;
Immer ‚was neues, kennt man schon.

Kontextkonzert:

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