Um es vorweg zu nehmen. Es war ein weiterer grandioser Abend mit Paul Weller und Band.
Er war zwar nicht ganz so überragend wie vor vier Wochen, als die Band neben absoluter Spiellaune auch Lust auf Feiern und Fußballatmosphäre auf der Bühne hatte, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet. Einen solchen Glücksfall von Konzert kann man als Band nicht routinemässsig wiederholen, sondern er ist ein Ergebnis von begeisternden Umständen. Und wer will schon jeden Abend „All you need is love“ spielen?
Aber dass es so gut werden wird, wie es schließlich wurde, damit habe ich auch nicht gerechnet. Insgeheim hatte ich mich auf einen enttäuschenden Abend vorbereitet, der all das vermissen lassen würde, was er in Washington geboten hat.
Doch mit dieser Vermutung lag ich meilenweit von der Wirklichkeit entfernt. Einzig die Ausgelassenheit fehlte, doch die Spiellaune und die Lust aufs Publikum, die waren gestern abend da. Und spürbar! Merklich spürbar!Paul Weller 06102008
Am Anfang meines Konzertabends stand ein deja-vu Erlebnis der lustigen Art. Als ich das E-Werk betrat und mir einen schönen Platz vor der Bühne suchte, dachte ich, ich seh’ nicht recht. Erblicke ich doch tatsächlich in der ersten Reihe ein Gesicht, das ich auch vor 4 Wochen beim Washingtoner Paul Weller Konzert gesehen habe. So ein Zufall. War sie nun Groupie oder Frau / Freundin eines Crewmitglieds? Oder war es doch nur – wie in meinem Fall auch – ein zufälliger Zusammenfall von Konzertgelegenheit und einem anderem Termin. Neugierig war ich schon, und es wäre bestimmt interessant gewesen zu erfahren, wie sie im Vergleich dieses Konzert erlebt hat, jedoch habe ich mich natürlich nicht getraut, sie zu fragen.
Aber auch sie hätte allen Grund gehabt, begeistert zu sein.
Oder wie die beiden Briten neben mir voller Respekt und Anerkennung feststellten: „An old-school Gig!“ In der Tat, es war viel Gitarre im Spiel, die Sixtiesmelodien wurden bis aufs Äußerste ausgelebt und zum Konzertfinale erhob sich bei „Wild Wood“, „Echoes“ und „Come on“ ein wahres Gitarreninferno und Gewimmer der besseren Kategorie. Im Zugabeblock wurde mit „Changing man“ nochmals einer draufgesetzt. Wunderbarst!
Paul Weller 06102008Bevor jedoch Paul Weller und seine Begleitmusiker die Bühne betraten, standen Moke für eine halbe Stunde im Rampenlicht. Wegen meiner hätten sie dort noch eine weitere halbe Stunde stehen dürfen.
Moke sind eine niederländische Gitarrenband, bei der alles stimmt. Einheitliches Bühnenoutfit, schwarze Hose, schwarzes Hemd, schwarze oder dunkelgraue Krawatte, und Melodien die von Escobar, über U2 (in der Frühphase) bis hin zu Interpol reichen. Moderne Indiegitarrenmusik eben!
Die Band um den aus Nordirland stammenden Sänger Felix Maginn gründete sich 2007 in Amsterdam und hat in unserem Nachbarland bereits einen mittleren Erfolgslevel erklommen. So wurde der Song Last Chance vom holländischen Fernsehen zur Untermalung der Champions League Highlights benutzt und ihr Debütalbum „Shorland“ landete beim Musikmagazin OOR in den TOP 20 der Alben 2007.
Moke, sehr interessant, sehr beachtenswert. „Shorland“ wird in Deutschland im Januar bei PIAS veröffentlicht.
21 Uhr: Paul Weller, Steve Cradock, Andy Lewis, Andy Crofts und Steve Pilgrim schlenderten zu ihren Instrumenten. Nach dem zweiten Song war meine anfängliche Skepsis verflogen. Ich wurde nicht enttäuscht, der Abend war auch dieses mal herausragend.
Nur war alles eine Klasse größer als im 9:30 Club. Die Bühne, dreimal so groß, die Halle ebenso. Und die Stimmung war mindestens doppelt so groß. Und das lag nicht nur an den zahlreich anwesenden Briten.
Paul Weller überraschte mit einer stark modifizierten Setlist. Es war zwar die gleiche Tour, dennoch fragte ich mich mittendrin, ob ich all das wirklich schon vor vier Wochen live gesehen habe. Das Set kam mir angenhem frisch und unbekannt daher. Ein Viertel der Songs wurde ausgetauscht, die Reihenfolge stark verändert. Nur das Grundgerüst aus rockigem Anfang, Klavierteil, Akustikteil und rockigem Ende blieb bestehen.
Die einzelnen Songs erschienen psychedelisierter (na ja, was man Oasis nachsagt kann der Modfather schon lange) und ausufernder als beim letzten Gig. Paul Weller verzichtete diesmal auf große Songtitel wie „Shout to the top“ oder „Town called Malice“ und brachte stattdessen mit andere Ausrufungszeichen.Paul Weller 06102008
Im Akustikteil, der mit „Misty morning“, „Butterfly“ und „Brand new start“ drei Songs umfasste, durfte dann der Nachwuchs ran. Beim unfasslichen Brand new start übernahmen sowohl der Drummer Steve Pilgrim als auch der Keyboarder Andi Crofts, die nun beide Gitarre spielten, für jeweils eine Strophe den Gesangspart. Und Papa Paul hatte seinen Spaß.
Mit besagtem „Brand new start“ wurde der beste Teil des Konzertes eingeleitet. Als die Hocker von der Bühne geräumt wurden, kamen die Gitarren. Mit „Wild Wood“ nahm die Band langsam wieder Fahrt auf, und „Echoes around the sun“ ist live eine Bank. Diese letzte Viertelstunde allein war das kommen wert.
Ach ja, jeder, der nicht vor Ort war, hat ein Konzert des Jahres verpasst!

Setlist:
01. Out of the sinking
02. Shadow
03. All i wanna do
04. From the floorboards up
05. 22 Dreams
06. Sea Spray
07. Empty Ring
08. One bright Star
09. Let it be me
10. Push it along
11. Have you made up your mind
12. Porcelain Gods
13. Picking up Sticks
14. Broken stones
15. 111
16. All on a misty morning
17. The Butterfly Collector
18. Brand new start
19. Wild Wood
20. Echoes around the sun
21. Come on, let’s go
Zugabe:
22. The Changingman
23. Whirlpools end
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Multimedia:
Fotos: frank@ipernity
Video: –
Lesenswert: –
Archiv: Paul Weller – Washington DC, 13.09.2008
Archiv: Paul Weller – Köln, 18.09.2007

Dieser Beitrag hat 6 Kommentare

  1. Janlg10

    Zweifellos kein schlechtes Konzert, so was kann ich Weller nicht mal im entferntesten zutrauen. Aber wirklich gut, zumindest so gut, wie hier beschrieben fand ichs nicht. Das lag mit Sicherheit am wenigsten an der Band. Vor allem lags am schlechten und viel zu lauten Sound, den ja auch Weller selber zwischendurch ziemlich auf die Palme gebracht haben muss; schließlich hat er einen seiner Gitarrenroadies auf der Bühne ziemlich zur Schnecke gemacht. Darüber hinaus war das Publikum auch nicht wirklich enthusiastisch; obs an der auf Hits weitestgehend verzichtenden Setlist oder am schlechten Sound gelegen mag, oder andere Gründe hatte, vermag ich nicht zu sagen, fand ich aber schade. Im Konzert in München gestern beispielsweise waren Publikum und damit dann auch Weller um einiges ekstatischer. Der Akustikteil in der Mitte des Konzerts war allerdings ein absolutes Highlight. Auch die neue Liveversion von Wild wood ist sehr cool.

    By the way, ein kleiner Fehler in der Setliste: Wild blue yonder wurde nicht gespielt, changing man als vorletztes, als letztes Whirlpools end.

  2. frank

    Danke für den Hinweis, werde ich berichtigen! Einen schlechten Sound hatte ich nicht im Ohr, ist aber definitiv standortabhängig. Der angeraunzte Roadie war übrigens Roger, der dem in washington das Geburtstagsständchen galt. Auch dort wurde er zwischendurch mal von Paul kleingemacht. Herr Weller scheint auf der Bühne perfektionistisch veranlagt zu sein ;-)
    ….Zumindest war das Publikum enthusiastischer als in Washington (was aber nicht schwer ist).
    Standen ein paar Briten in deiner Nähe?!

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