Ort: Rockhal, Esch-Alzette
Vorband: Marie Warnant

Luxemburg. Avenue du Rock’n‘Roll. Mitten im ehemaligen Industriegebiet der zweitgrößten Stadt des Landes, Esch-Alzette, entsteht ein neuer Retortenwohn und -geschäftspark.
Es ist das Esch Belval, das ehemalige Minen und Hüttengelände zur Eisenerzförderung, das in derzeit neue Jahrtausend überführt wird. Mit Einkaufszentrum und perfekter Bahnanbindung an die Hauptstadt. Eine Veranstaltungshalle existiert bereits. Die Rockhal, an eben dieser Avenue du Rock’n’Roll gelegen. Der Gebäudekomplex beinhaltet eine große und eine kleinere Konzerthalle, sieht gut aus und macht einen funktionellen Eindruck. Das Parken ist an diesem Abend kein Problem, das ehemalige Industriegebiet ist nahezu menschenleer. Nur vor dem Eingang der Rockhal bildete sich eine längere Menschenschlange. Benjamin Biolay und seine fünfköpfige Band sind zu Besuch, in der kleineren, 1200 Leute fassenden Halle. Also zieht er selbst im benachbarten Luxemburg nicht so viele Menschen. In Frankreich ist Benjamin Biolay groß, sehr groß. Vergleichbar, so las ich irgendwo, mit der Größe eines Herbert Grönemeyers im deutschsprachigen Raum. Leider schaffen es die französischen Künstler nicht immer, ihre Tourneen bis zu uns auszudehnen. Ab und an sieht man sie in Köln, meistens im Rahmen der Le Pop Veranstaltungen im Stadtgarten. Also, kommt der Künstler nicht zu uns, müssen wir halt zum Künstler. Mal wieder. Aber wir machen das gerne, und ein Ausflug an einem Samstagabend, an dem sonst nur das wichtigste Fußballspiel Europas stattfindet, geschenkt.

Die Bühne ist riesengroß und zweigeteilt. Der hintere Bereich, auf dem das Schlagzeug, das Klavier, die Harfe und das Cello positioniert sind, ist leicht erhöht. Die Keyboards stehen vorne links. Genauso wie dieses komische elektronische Gerät, dass an diesem Abend die dominante Rolle in den Biolay’schen Songs einnehmen soll. Verflucht, ich weiß nicht, wie es heißt, es funktioniert so: durch Bewegen der Hand hin- und vom Gerät weg werden elektronische Dinge in gang gesetzt, die Töne erzeugen.
Der Rest der Bühne ist leer und für Benjamin Biolay reserviert. Und er nutzt den Platz, er braucht ihn gar, geht er doch wie ein Tiger in seinem Käfig beständig hin und her. Es sei denn, er sitzt am Flügel. Im Mittelteil des Sets passiert das erstmals. („Ton heritage“,…) und später zur ersten Zugabe erneut.
Die in schwarzen Anzügen sehr stilecht und sehr französisch gekleideten Musiker (inklusiver zu vieler offener Hemdknöpfe!) liefern eine perfekte Abendunterhaltung. Jeder Ton sitzt, alles scheint durcharrangiert, nichts wird dem Zufall überlassen. Alles wirkt sehr groß.
24 werden sie heute spielen, viele davon vom letzten Album „La superbe“. Der Titeltrack ist dabei gleich ein kleiner Höhepunkt. Zusammen mit dem sehr dichten „A l’origine“ bleibt es mir am stärksten im Gedächtnis. Schwer, verhangen, nebelig, die Vielschichtigkeit der Songs wird live durch die Vielzahl der Instrumente gut abgedeckt. Eine tolle Umsetzung, dass einem glatt der Atem wegbleiben könnte. Solch eine Dunkelheit hätte ich nicht erwartet. Benjamin Biolay kann aber auch anders. „Dans la Merco Benz“, eine gute Laune Song. Manchmal übertrieben sie es aber: Bei „L’espoir…“ oder „Qu’est ce que ca…“ verhunzten nervige Keyboards die Songs. Ein bisschen zu viel des seichten La Boom Disco-Feten-Beats. Doch diese kleinen Eskapaden bleiben die Ausnahmen eines ansonsten guten Konzertes.
Ein Konzert, an dem gerade die weibliche Anhängerschaft, und sie war eindeutig in der Mehrzahl, größte Freude hatte. „Benjamin“ Zwischenrufe, spontaner Applaus in den Songs, wenn Alan Delon Benjamin Biolay zur Trompete griff oder sich auf die Knie fallen lässt. Er ist ein großer Charmeur, dieser Prinz Benjamin (so die Zeitschrift Les Echoes über B.B.) ganz klar!
Am Ende des Sets holt er sich seine Belohnung. Ein kleines Mädchen aus der ersten Reihe überreichte ihm eine rote Rose. Voila!

Setlist:
01: Pour ecrire un seul vers
02: Tout ca me tourmente
03: Meme si tu pars
04: Si tu suis mon regard
05: Night shop
06: Lyon presqu’ile
07: Chere inconnue
08: Prenons le large
09: Dans la Merco Benz
10: Ton heritage
11: Nuage noir
12: Novembre toute l’annee
13: Les separes
14: Bien avant
15: La superbe
16: Qu’est ce que ca peut faire?
17: L’espoir
18: Assez parle de moi
19: Quinze septembre
20: A l’origine
Zugabe I:
21: Negatif
Zugabe II:
22: Padam
23: Cerfs volants
24: Brandt raphsodie

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Coralie Clement – Köln, 24.04.2009
Marianne Dissard, Francoiz Breut – Köln, 15.03.2009

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