Ort: Stadtgarten, Köln
Vorband: Tellavision

Twin Shadow - Köln, 08.02.2011

Na das war ja ein richtig guter Abend gestern im Stadtgarten.
Sowohl Tellavision als auch Twin Shadow haben mich überzeugt. Hinter Twin Shadow verbirgt sich an diesem Abend eine vierköpfige Band, Tellavision ist ein ein-Mädchen Projekt aus Hamburg. Das machte zusammen gute 90 Minuten Musik, die von ihrer Herangehensweise unterschiedlicher und identische zugleich nicht hätten sein können.

Und über allen lag New York.

„Wo müssen Sie denn heute Abend noch hin?“ Die Frage kam von meinem Therapeuten und ließ mich kurz zusammenzucken. Wie erkläre ich das jetzt am besten, ohne mich in ausschweifende Erklärungen über Musik und Musikgenre zu verrennen? Wie erkläre ich meinem Rückentherapeuten, dass ich am Abend noch ein Konzert der New Yorker Twin Shadow besuchen möchte und daher der Behandlungstermin nicht ganz so lang dauern sollte.
Am liebsten gar nicht. Der Müller-Wohlfahrt der Eifel, so nannte ihn unlängst eine regionale Tageszeitung, gehört zu der Mehrheit Menschen, die Musik als reine Hintergrunddudelei wahrnehmen und (wahrscheinlich) nicht einmal Madonna kennen.
Das hat nichts Dramatisches, um Gottes Willen, wir unterhalten uns immer prächtig über den FC und Eintracht Trier, ich kenne nun Arbeitszeiten und Ausbeutereien der medizinischen Abteilungen im kleinen Profifußball und auch mein Wissen über Muskelstränge im und um den Rücken ist enorm gestiegen.
„Indie?! Aha.“ Ich habe doch einen Versuch gestartet und bereue es sogleich. Ich hätte Popkonzert sagen sollen, das hätte die Sache vereinfacht und das Gespräch abgekürzt.
Passt ja überdies besser, denn alles ist Populärmusik. Das alte Kastenwesen der 80er mit Trennungen in Pop, Rock, Indie und was-weiß-ich-noch ist doch längst passé.
Die Musik dieser Jahre allerdings ist aktueller denn je. Womit ich wieder bei Twin Shadow und Tellavision wäre.
„Das ist noch nicht der Song.“, ruft uns ein junges Mädchen entgegen, das gerade unter ihren Stehtisch krabbelt, um weitere Kabel einzustecken und Tonspuren aufzunehmen. Das junge Mädchen ist Tellavision und sie arbeitet mit und an ihrem Loopgerät. All das ereignet sich auf der Bühne des Stadtgartens, dem Ort, an dem anschließend Twin Shadow auftreten werden.
Tellavision bestreitet das Vorprogramm, und ihr Hauptwerkzeug ist dieses Teufelsgerät Loopmaschine, das Instrument für Künstler, die lieber alles selbst machen oder nicht genug Freunde für eine Band haben.
Der kleine Nachteil am loopen ist, dass es relativ lange dauert bis ein Track startklar ist. Und so ist es immer das gleiche Szenarium: Steckverbindungen herstellen, Mikrofon ausrichten, Instrument 1 aufnehmen, Stopptaste treten, zurückspulen, den Loop abspielen und zeitgleich Instrument 2 aufnehmen…. fertig: Song.
So entsteht Schicht für Schicht das Soundgerüst, über den Tellavision schlussendlich ihren zeitweise sehr an PJ Harvey erinnernden Gesang legt.
Das klingt gut, ist aber auf der Bühne konzentrierte Arbeit und mit allerlei Fallstricken verbunden. Passt der Loop nicht, muss das Instrument noch mal aufgenommen werden, ist die Tonabmischung suboptimal, klingt es nicht so wie gewollt.
Letzteres schien gestern ein oder zweimal vorgekommen zu sein, machte Tellavision zwischendurch doch das ein oder andere säuerliche Gesicht.
Egal, mir gefiel das trotzdem gut, am besten fand ich die beiden ersten Stücke, als sie noch die Gitarre mit verloopte. Im zweiten Song klang sie wunderbar roh und dreckig, meine Lieblingsloopsequenz des Abends.

Neben Anna Calvi sind vielleicht Twin Shadow der heißeste Scheiß des Frühjahres. So war es wenig überraschend, dass ihr Konzert aus dem kleineren Studio in den größeren Stadtgartensaal geupgradet wurde.
Die Band, also live sind sie eine Band, um den Musiker und New York Immi George Lewis jr. hat gerade ihr Debütalbum „Forget“ veröffentlicht, was im Online- und Analogbereich gefühlt sehr stark abgefeiert wurde und wird. Zurecht, wie ich heute finde und daher möchte ich mich jetzt unbedingt anschließen.
Twin Shadow waren wow!
Erfrischender, belebender und ideenreicher Pop. Ihre Melodien klingen so unverbraucht und enthusiastisch wie ich es länger nicht mehr gehört habe.
Ich hatte mich am Abend zuvor kurz durch ihr MySpace Werk gehört und war direkt sehr angetan. Zügiger, sanfter Indietanzflächensound, der auf hoch getragene Gitarren vermuten lässt. Neben dem nicht mehr ganz so aktuellen Indieelektric haben Twin Shadow ganz viele Anleihen im 80er Jahre Softrock und Softpop. „Wave“, „Synthie“, „80s“, „Indie“, das sind die Online-Tags zur Musik von Twin Shadow. Und sie treffen zu, wie Musikbeschreibungen eben zutreffen können.
So darf dann auch ein fieses 80er Jahre Gitarrensolo nicht fehlen („Forget“), stilgerecht gespielt auf einer schneeweiß lackierten Gitarre, die extra für diesen Song herausgekramt wurde. Die wurde übrigens nicht unterm Kinn sondern in wohltuender „normaler“ Bauchhöhe getragen.

Neben „Forget“ werden ihre Hits „Castles in the snow“ und „Slow“ enthusiastisch aufgenommen, die übrigen Songs begeistert. Diese Band hat tatsächlich schon so was wie eine kleine Fangemeinde. Der Stadtgarten und wir sind zu Recht begeistert von diesem Konzert. Das naturgemäß eine überschaubare Länge aufweist. Bands mit nur einem Album spielen nicht sonderlich lang. Nach guten 45 Minuten ist Schluss mit Small Town Boy Basslinien, Love Boat Melodien und hippem Zeugs.
George Lewis jr. hat nichts mehr zu sagen außer: „We have two more songs.“
Mist, meinetwegen hätten sie noch stundenlang weiterspielen können!

Wie gesagt, New York lag in der Luft, auch wenn die weiße Gitarre mehr an Miami Vice erinnerte.

Setlist (sehr stark ohne Gewähr):
01: Shooting holes at the moon
02: Tyrant destroyed
03: When we’re dancing
04: I can’t wait
05: Slow
06: Yellow balloon
07: Castles in the snow
08: Forget

Zugabe:
09: At my heels
10: Tether beat

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:

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