Ort: Luxor, Köln
Vorband:

Turin Brakes

Es ist nicht gut, emotional belastet in ein Konzert zu gehen. Ist die Laune zu gut und man selbst sehr euphorisch, kann das Konzert meist nicht der eigenen Erwartung und Begeisterung nachkommen. Ist man deprimiert und genervt, ist der Konzertbesuch genauso ärgerlich und anstrengend wie der gesamte Tag davor. Beides ergibt keine win-win Situation. Einer verliert immer. Meist ist es das Konzert.
Auch an diesem Tag konnte das Konzert nicht gewinnen. Es war ein Tag zum zuhause bleiben. Trotzdem machte ich mich auf, ich wiederum wollte den Tag einfach nicht gewinnen lassen. Auch auf die Gefahr hin, dass der Zug nicht kommt oder sonst was Ärgerliches passiert. Frei nach dem Motto: Haste Scheisse am Fuß, haste Scheisse am Fuß. Das wissen nicht nur Fußballer. Genug Blödes war an diesem Tag schon passiert, das reichte eigentlich.

Die Turin Brakes sind immer noch da. Immer noch, weil sie es nach ihrem famosen Debütalbum The Optimist LP 2001 nie mehr so richtig geschafft haben, auf sich aufmerksam zu machen. Sie veröffentlichten seither noch sechs Alben, aus dem öffentlichen Interesse scheint für mich diese Band allerdings verschwunden zu sein. Wann las ich das letzte Mal etwas über die Turin Brakes in einer Musikzeitschrift? Es muss Jahre her sein. Selbst das Internet, das doch jede Kleinstnachricht irgendwie verbreitet, damit es was zu verbreiten gibt, schweigt sich über die Londoner konsequent aus.
Dabei war die Band um die beiden Gitarristen Olly Knights und Gale Paridjanian einst Vorreiter der sogenannten ‚Quiet is the new loud‘ Bewegung. Aus der sind aber nur I am Kloot und Elbow geblieben, Starsailor, das weitere Sternchen dieser Bewegung, ereilte ein ähnliches Schicksal wie die Turin Brakes. Sie gerieten in Vergessenheit.
Ist es daher verwunderlich, dass ihr Konzert in einem halb vollen Luxor stattfindet? Sicherlich nicht. In der letzten Zeit unterhielten wir uns oft über sogenannte ‘alte‘ Bands und deren Idee, neue Fans hinzuzugewinnen. Seien es Nada Surf, Greg Dulli, Weezer. Sie alle stehen für die Musik einer Zeit, die zwar zeitlos erscheint, aber es natürlich nicht wirklich ist. Zumindest nicht für jüngere Generationen, die eher Zeitgeist haben wollen. Das zeitlose wird doch erst interessant, wenn man die x-te Wiederholung von Zeitgeist miterlebt hat. So wie jetzt gerade die 1980er aufgerollt werden. Warum werden die Prince Alben dieser Zeit gerade so hochgejubelt, und nicht zum Beispiel sein famoses Album Musicology? Weil es im Zeitgeist (noch) nicht als zeitlos angesehen wird. Das wird es vielleicht erst in 5, 8 Jahren.
Die Turin Brakes sind weder Zeitgeist noch zeitlos. Sie liegen irgendwo dazwischen, auch wenn Songs wie „Pain killer“ oder „Underdog“ ohne Zweifel Evergreen Potential besitzen. Daher sind die Turin Brakes derzeit raus, und ein halbleeres Luxor die logische Folge.
Mein letztes Turin Brakes Konzert liegt einige Jahre zurück. Es war an gleicher Stelle. Was seitdem mit der Band passiert ist, weiß ich nicht. Ich habe ihr Wirken nicht verfolgt. Nachgelesen habe ich, dass sie in schöner Regelmäßigkeit Alben veröffentlicht haben: 2003, 2005, 2007, 2010 und 2013. Lost Property, ihre aktuelle Scheibe, ist somit das siebte Album der Turin Brakes. Wow. Das hätte ich nicht gedacht.
Die Band freut sich über so relativ viel Zuspruch. Sie hätten schon einige Male im Luxor gespielt, voller sei es jedoch nur bei ihrem ersten Auftritt gewesen lässt uns Olly Knights wissen. Olly Knights meint das Jahr 2001, als die Turin Brakes zusammen mit der Band eines gewissen Stephen Malkmus im Primeclub, wie das Luxor zwischendurch mal hieß, gastierten. ‚Quiet is the new loud‘ war der letzte Hype, der damals von der Insel rüberschwappte. Zwei gute Gründe für ein volles Haus, denke ich.

Natürlich verquatschten wir die Vorgruppe. So wie tags zuvor. Der Joe Cocker-artige Gesang von Dog Byron ließ uns auch nicht gerade in den Saal stürmen. Und selbst ein halbwegs gutes Cure Cover ändert daran nichts. Lieber noch eine Viertelstunde lang erzählen und uns ausmalen, wie der Sänger (oder die Band) wohl aussieht.

Als die Turin Brakes auf die Bühne kommen, sind wir aber da. Und direkt angetan. „96“ eröffnet das Konzert in der typischen Turin Brakes Art. Popmusik mit verstärkten Akustikgitarren und geschmeidiger Harmoniegesang. Sowie früher. Nur das „96“ ein brandneuer Song ist. Die Band hat sich also nicht verändert, denke ich. Da hab ich ja in der Zwischenzeit nichts verpasst. Auch die nachfolgenden Songs ändern nichts am Stil der Musik. Mal ist es beschwingter, mal etwas langsamer. Das Grundkonstrukt bleibt aber immer das gleiche: zweistimmiger Gesang und leicht verträumte Akustikgitarren.
So fällt es mir nicht schwer, mich in das Konzert einzufinden. Ein bisschen mitwippen geht immer. Zwar reißt mich nichts vom Boden, aber langweilig ist mir auch nicht. Mit „Emergency 72“ wird zum ersten Mal auf The Optimist LP zurückgegriffen. Das direkt folgende „Pain Killer“ hielt meine Spannung und Freude. Das Doppel war der schönste Konzertaugenblick an diesem Sonntag. Danach schwächte das Konzert ein bisschen ab, die Qualität der Songs ist eben doch nicht so dicht und stark, wie ein Fundus von sieben Alben erwarten könnte. Es blieb zwar kurzweilig, aber es riß mich immer noch nicht vom Boden. Vielleicht lag es auch an meiner desolaten Grundstimmung, dass mich in den weiteren Konzertminuten nur noch der Smasher „Underdog“ wirklich richtig überzeugen konnte. Ach bestimmt.
Nach der ersten Zugabe kommt die Band nochmals zurück. ‘You sure you want more?’ Wegen meiner, denke ich, mein Zug fährt erst in einer halben Stunde. Da passen noch zwei Songs, draußen regnet’s eh.

Multimedia:

Kontextkonzert:
Turin Brakes – Köln, 16.04.2010 / Luxor

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