Ort: Muziekgieterij, Maastricht
Bands: Peter Kernel, Swervedriver

Swervedriver

Die zweite Runde des erfolgreichen Showcase-Festivals, das im letzten Oktober Premiere feierte startet am 20. Mai 2018. Sinn von Transformer ist, neue Musik zu entdecken und wahre Legenden zu genießen. Die Bands, die hier spielen, werden eher nicht im Radio zu hören sein, aber Early Adopters und Fans aus den Bereichen Indie, Rock, Punk und Noise werden am Line-Up sicherlich ihre helle Freude haben. Das Festival ist indoor, wasserdicht und bietet eine besondere Auswahl an über 30 raren Bierspezialitäten. Es ist außerdem der Kick-Off für die neue Reihe Transformer Club in der Muziekgieterij, bei es immer montags von 20:30 bis 23:00 Uhr neue Bands für nur € 3 zu entdecken gibt. Nichts wie hin also nach Maastricht am Pfingstsonntag, denn der Montag ist ja frei! (http://movieaachen.de)

Ich hatte das alles ganz anders in Erinnerung. Die Brückenzufahrt zur Norderbrug war weg, der Eingang zur Muziekgieterij ein anderer. Einiges hatte sich im Umfeld der Muziekgieterij ganz schön verändert. Die Gentrifizierung lässt grüßen. Das große Student Hotel und der Kinokomplex zeigen die neue Ausrichtung des ehemaligen Industrieareals. Schon vorher kam mir unser Anfahrtsweg merkwürdig vor. Wo war denn der Kreisverkehr mit der Kirche am gegenüberliegenden Kreisbogen? Warum überqueren wir die Maas erneut? Einige der Fragen lösten sich kurz vor dem Erreichen des Ziels im Boschstraatkwartier im westlichen Maastricht in Luft auf (wir kamen anfahrtstechnisch aus Süden, nicht – wie ich es kannte – aus Westen, und Baustellen sprießen in Maastricht wie wild), andere blieben. Konnte ich mich wirklich so über die Aufteilung in der Muziekgieterij irren? Wo war denn der große Vorraum mit den Sitzgelegenheiten? Und wieso gab es die Getränketheke nicht mehr, an der man auch Snacks kaufen konnte?

Ich war verwirrt aber froh, mal wieder hier zu sein. Maastricht ist eine schöne Stadt, die Muziekgieterij liegt schön an einem kleinen Wasserbecken unweit der Maas mit einer Menge Bars und Essmöglichkeiten in der Nähe. Es ist ein guter Ort für Konzerte. Und es ist gut, dass es solche Orte gibt und sich Menschen darum bemühen, solche Veranstaltungen auch in kleineren Städten auf die Beine zu stellen. Der Saal der ehemaligen Industriehalle fasst 600 Besucher, an diesem Abend wurde er nie voll. Im Rahmen des Transformer 2 Festivals spielten hier drei Bands, drei andere traten in einem zweiten, kleineren Saal auf. Mein Augenmerk bei der Festivalankündigung fiel auf Swervedriver. Die würde ich gerne sehen. Swervedriver sollten eine der drei Bands sein, die im größeren Saal auftraten. Und bei einem Festivalpreis von 10 Euro (!!!) fiel es mir nicht schwer, nach Maastricht zu fahren. Egal, wer noch spielen sollte.
Nachmittags kristallisierte sich noch eine zweite, mir interessant erscheinende Band aus dem Festivalprogramm heraus. Peter Kernel, ein schweizerisch-mexikanisch-kanadisches Trio klang in den YouTube Videos nach den frühen Sonic Youth und PJ Harvey. Dass sie direkt vor Swervedriver getimetablet waren, machte den Ausflug rund. 21 Uhr Peter Kernel, 22.30 Uhr Swervedriver. Das passte mir sehr gut in den Kram.
Nach irritierender Anfahrt und erstem Einfinden in die Muziekgieterij die nächsten Besonderheit. Beim Verlassen des Gebäudes bekam man keinen Stempel aufgedrückt, sondern man schrieb seinen Namen auf eine Liste, der dann beim Zurückkehren einfach abgehakt wurde. Das funktionierte und passte irgendwie zum netten diy- Charme dieses Festivals.

Nachdem wir vergeblich eine Außengastronomie gesucht haben, führte uns der Auftritt von Peter Kernel zurück in die Muziekgieterij. Und was soll ich sagen, Peter Kernel hatte ich anders in Erinnerung. Puh, welch ein Tag anderer Erinnerungen!
Der erste Song des Konzertes klang noch sehr nach den Sachen, die ich auf YouTube hörte. „We are gonna be the same again“ brachte schöne Indiegitarren und eine wunderbare Melodie. Beides hörte ich dann erst wieder beim letzten Song des Sets heraus, dem wunderbaren „Men of the women“, beide vom aktuellen Album The size of the night. Zwischen diesen beiden Stücken kam es mir jedoch so vor, als würde ich einer anderen Band zuhören. Die prägnante Gesangstimme von Barbara Lehnhoff war nicht zu hören, die dissonant Sonic Youth’schen Songstrukturen waren nicht da. Songs wie „The shape in your face“ klangen live anders und leider nicht besser. Das Set war viel langweiliger als die YouTube Videos. Ich habe keine Ahnung, warum das so war. Vielleicht lag es auch am schlecht ausgesteuerten Sound oder an meinem Standort zu nah an der linken Box. So kam ich nie richtig in das Konzert hinein. Das war schade, denn ich hatte mich auf einen spannenden Auftritt der Schweizer Band gefreut. Leider wurde daraus nichts, so dass es an Swervedriver hängen blieb, meinen Ausflug abzurunden.

Peter KernelSwervedriver hatte ich so in Erinnerung. Ich sah die Engländer, die ich in den 1990er Jahren fälschlicherweise für Amis hielt, vor einigen Jahren beim Le Guess Who gesehen. Damals ging ihr Auftritt in der Ronda, einem der Säle der Tivoli Vredenburg in Utrecht, ein wenig unter. Ich war nach zwei Tagen Festival schon ein bisschen konzertüberdrüssig und hatte bereits viele gute Auftritte in den Knochen, so dass ich Swervedriver nicht so richtig genießen und wertschätzen konnte. Hinzu kam, dass sie damals viele neue Sachen ihres letzten Albums I wasn’t born to lose you spielten, die ich nicht kannte.
Als die Band vor ein paar Wochen Albumkonzerte zu ihren ersten beiden Veröffentlichungen Raise und Mezcal Head ankündigte, wurde ich trotzdem hellhörig. Wann und wo spielen sie die? Ist es möglich, das zu sehen? Schnell kam Maastricht auf die Veranstaltungsagenda, der einzig erreichbare Ort. Doch genauso schnell wie ich mich darüber freute, kroch die Enttäuschung in mir hoch. Da war ein Sternchen hinter dem Maastrichttermin auf dem Ankündigungsbanner. Das Sternchen verriet: regular Set. Ich schloss daraus, dass sie an diesem Abend nicht die beiden Alben spielen, sondern was anderes. Direkt wurde das Konzert unspektakulär, blieb aber so interessant, dass ich ein Ticket kaufte. 10 Euro, da machste doch nichts falsch, so der Grundgedanke, der sich Stunden später beim Blick auf die Setlist bestätigen sollte. Dort aufgeführt waren nämlich die Songs vom zweiten Album Mezcal Head. Ah, regular set bedeutet also, dass nicht beide Alben werden gespielt werden, sondern nur eines und hintendran das Beste vom zweiten. Beim Besten vom zweiten Album blieb es bei „Rave down“, in der Zugabe ergänzt um „Never lose that feeling“.

Wie sag ich es jetzt, ohne dass es böse klingt? Festivals mit weniger bekannten Indiebands abseits der Kulturhochburgen haben hinsichtlich des Publikums etwas Spezielles. Es ist ja nicht so, dass man für Swervedriver extra nach Maastricht fährt oder aber in der Stadt so viel Interesse an der Band herrscht, dass das Konzert automatisch gut besucht ist. Also ist es per se schwierig, den Laden voll zu kriegen. Hinzu kommt, dass ich bei solchen Kleinfestivals immer wieder Leute sehe, die nicht primär wegen der Musik da sind (mitunter die Bands gar nicht kennen), sondern wegen des ‘ach, letzte Woche war es doch hier auch ganz schön‘ Gefühls. Und wenn in der Woche davor eben eine Disco Pop Band spielte, war das eben so. So ist das Publikum leider meist nur mäßig an den Bands, aber intensiver an anderen Dingen interessiert. Ausnahmen bestätigen hier natürlich die Regel, aber selbst wenn es Ausnahmen gibt, reißen sie es nicht heraus. Für ein Konzert ist das suboptimal, denn je nach Sachlage ist ein Saal entweder von Anfang an dreiviertel leer oder aber er leert sich im Laufe eines Konzertes deutlich spürbar. Letzteres war bei Swervedriver der Fall, so dass nach 40 Minuten vielleicht noch 100 Leute im Saal waren und der Bereich vor der Bühne erschreckend leer wurde. Dass sowas immer eine komische Atmosphäre erzeugt, brauche ich nicht extra erwähnen. Komischer wurde diese Situation nur dadurch, dass eine Thekenbedienung anfing, die ersten Bierbecher und Flaschen vor der Bühne wegzuräumen und man den Blick von Adam Franklin dazu gesehen haben muss. Der Sänger schaute sehr irritiert und wirkte im Ganzen nicht glücklich.
Sicherlich, der Saal war für eine Band wie Swervedriver zu groß, keine Frage. 600 Leute ziehen sie auf dem Kontinent nie und nimmer. Das wissen sie wahrscheinlich selbst und wirkten daher während ihres Sets abgeklärt routiniert und wenig überrascht. Wenn keine große Stimmung da ist, vermeidet man einfach Stille und kloppelt die Songs ohne große Pausen hintereinander weg. Das machten Swervedriver und so waren sie mit ihrem Albumset nach 50 Minuten durch. Ich fand es gut, aber viel Spaß macht es nicht, einer Band zuzuschauen, wenn um einen herum kaum Begeisterung für die Musik aufkommt. Der betrunkene twentysomething, der zu „Never lose that feeling“ mit erhobenen Händen vor der Bühne tanzte, zählt nicht als Stimmungskanone. Der war einfach nur dicht.

So verpuffte der tolle Auftritt von Swervedriver leider irgendwo im nichts. Blöd, denn die Rückkehr zu Mezcal Head und in das Jahr 1993 war gut.

Kontextkonzerte:
Swervedriver – Le Guess Who? Festival Utrecht, 20.11.2015

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