Geschickt zitieren oder dumm kopieren? The Pains of being pure at Heart spalten die Indiegemeinschaft. Die einen wollen lieber die Originale sehen und hören, die in diesem Fall Namen haben wie „My Bloody Valentine“, „The Jesus and Mary Chain“, Ride oder Slowdive haben, während die anderen und ich die Renaissance des Endachtziger- Anfangneunziger Indie sehr wohlwollend entgegennehmen.
Interpol waren die Wegweiser, ihr 2002er Debüt „Turn On the Bright Lights“ ließ zum ersten Mal kleine Nostalgiegefühle aufkeimen. Es folgten Reunionkonzerte von „My Bloody Valentine“ oder „The Jesus and the Mary Chain“, und nachdem im letzten Jahr Bands wie Film School (werden hierzulande sehr unterschätzt), White Lies oder Glasvegas es entgültig geschafft haben, Shoegaze und C86 ins Gedächtnis zurückzurufen, legen TPOBPAT nun radikal nach.
Sind sie wirklich diese imaginäre Supergroup meiner frühen Indielieblinge, wie überall zu lesen ist? Ich kenne ihr selbstbetiteltes Debütalbum noch nicht, nur die YouTube Schnipsel, die in all den Musikblogs verlinkt werden. Aber die reichten mir, um die Pains in den richtigen Kontext zu stellen und sie zu meiner neuen Lieblingsband zu erklären.
Einzeln hatte ich die Referenzen alle schon gesehen. Damals, „My Bloody Valentine“ im E-Werk, ein bis heute sehr prägendes Konzerterlebnis mit einer 20 minütigen Rückkopplungsschweinerei am Schluss eines einstündigen Sets, das so laut war, dass mir noch Tage danach die Ohren dröhnten. Oder Ride im Kölner Wartesaal, als wir auf dem Rückweg diverse 1. April Scherze der Gemeindeverwaltung zunichte machten. Oder Slowdive, Lush und ach wie sie alle hießen.
Und 2009 all diese Bands gebündelt in einer. Geht das?

Es herrscht eine gespannte Atmosphäre im Kölner Luxor. Das Konzert wurde wegen der regen Nachfrage vom kleinen Blue Shell ins nicht ganz so kleine Luxor geupgradet. Und der Laden ist sehr gut gefüllt. Alle sind da. Alle wollen den Indie – Hype des Jahres unbedingt live erleben.
The Pains of being pure at Heart, vier junge Menschen aus New York, die gestern mit Gitarrenverstärkung antraten, zaubern uns ein wohlwollendes Shoegaze schmunzeln ins Gesicht.
Die Band, die im Laufe des letzten Jahres durch ihre Single und EP Veröffentlichungen mehr und mehr Beachtung fand, spielt dieser Tage ihre ersten Deutschland Auftritte.
Bassist Alex, Schlagzeuger Kurt, Keyboarderin Peggy und Frontmann Kip erfinden das Rad nicht neu. Bei jedem ihrer Songs schießen mir in den ersten 10 Sekunden abwechselnd Gedanken wie „Ah ein Ride cover“, „Ah, ein My Bloody Valentine“ Cover, oder „Ah, ein Jesus and the Mary Chain Cover“ in den Kopf, aber schnell ist der Gedanke wieder weg und die Freude über eine junge Band, die die alten Klassiker geschickt für sich vereinnahmt, schleicht sich langsam aber stetig in den Vordergrund.
Macht das den Erfolg der Pains aus? Dieses Zurückholen der fast schon in Vergessenheit geratenen Feedbacks und Gitarren, diese live sehr konsequente Umsetzung der My Bloody Valentine Sounds? Das verlangen danach scheint groß zu sein. Live funktioniert es sehr gut, und digital kann es nicht viel anders sein. Wie hab ich irgendwo gelesen: Hinter einem Vorhang aus klirrenden Gitarren, Feedbacks und Reverbs. Damit ist alles beschrieben.
Die Gitarrenwand ist in einer Linie am Bühnenrand aufgebaut. Das Schlagzeug steht da, wo es traditionell hingehört: im hinteren Bereich mittig. Sänger Kip schaut apathisch ins nichts, Peggys Augen sind durch den geraden Pony verdeckt, man sieht ihr Gesicht kaum. Yoko Ono Style. Bassist Alex und sein Gitarrenkollege wirken konzentriert und im Lärm versunken. Die Band passt optisch optimal zur Musik.
Das Luxor ist begeistert. Man kann den Jubel nicht hören, nur fühlen. Es bleibt kaum eine Lärmpause für den aufbrausen wollenden Applaus. Die ersten drei Songs spielen TPOBPAH in einem durch. Damit ist das erste Drittel des Konzerts schon fast erreicht. Dass der Abend kurz wird, verrieten die Vorberichte anderer Konzerte. Was sie nicht erzählten, war die durchweg hohe Qualität des Sets.
Wie viele Hits passen in 40 Minuten? Die Pains schafften 11, und zeigten, wo die Gitarren hängen.
Zwei neue Stücke („103“ und „Higher than the stars“) war auch dabei. Aber für mich war ja fast alles neu. Und auch nicht. Denn vertraut kam mir alles vor. Die Songstrukturen unterscheiden sich ja auch nicht allzu sehr. Der Kritiker könnte hier einwerfen: „Kennste einen, kennste alle. Das ist doch fad“. Stimmt zwar, aber fad ist es deshalb noch lange nicht. Ein anderes f -Wort ist passender: fabelhaft!
Der schon zu oft erwähnte Kontext war allgegenwärtig, aber die Pains kopieren nicht, sie zitieren geschickt (um die Eingangsfrage zu beantworten). Sie hauchen dem alten Shoegaze ihre eigene Note ein. Luftiger und sanfter klang das, weniger getragen und schwermütig als bei ihren britischen Kollegen aus den 90ern. Und auf ihre Schuhe haben sie auch nicht geschaut!
Ich wiederhole mich nur zu gern: The Pains of being pure at Heart sind eine wundervolle Band, ihre Konzerte unbedingt empfehlenswert. Ich empfehle, das Album in angemessener Lautstärke (also laut) über Kopfhörer zu hören. Wer dann nicht versteht, versteht es niemals. Manchmal reichen 40 Minuten als perfekter Moment. Die Revolution startet hier!

Zusatz: Nachdem heute Nachmittag die CD zweimal hintereinander weg gehört habe fiel mir auf, dass es gestern Abend nicht ganz so luftig und leicht – oder soll ich sagen Teenage Fanclub -lastig – klang. Bestimmt auch wegen des zusätzlichen Gitarristen Christoph Hochheim.

Setlist:
01. Doing All the Things That Wouldn’t Make Your Parents Proud
02. This Love Is Fucking Right!
03. Young Adult Friction
04. Come Saturday
05. The Tenure Itch
06. Stay Alive
07. 103
08. Everything With You
09. The Pains Of Being Pure At Heart
Zugabe:
10. Higher Than The Stars
11. Gentle Sons

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Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. -Christoph-

    Das Foto ist so, wie das Konzert war! Konzertbild des Jahres!
    Und ein Bericht, bei dem ich immer wieder „ja ja“ gesagt habe!

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