Ort: E-Werk, Köln
Vorband: Phosphorescent

The National - Köln, 17.11.2010

Minuten danach war ich ein wenig enttäuscht. Das The National Konzert reichte in keinster Weise an den überragenden Auftritt der New Yorker vor fünf Tagen an der Ostsee heran und irgendwie auch nicht an das gestrige M.I.A. Konzert.
Tja, so kann es gehen, wenn man in verwöhnter Art Bands mehrmals binnen einer Woche sieht und die Tage dazwischen noch mit anderen Konzerten auffüllt. Doch bevor weiter Unverständnis aufkommt, es war kein schlechtes The National Konzert.
In Köln waren sie nicht überragend, sondern eben nur „sehr gut“.
Jetzt reicht es aber auch für diese Woche. Jeden Abend unterwegs, das ist ein zeittechnisches Problem, wie mir gestern sehr bewusst wurde. Nicht, weil der Schlafmangel über allem steht, nein, es sind eher die Minuten, in denen Dinge erledigt werden müssen, die fehlen. Das Paket von der Post abholen, Milch kaufen und Bananen, ein Geschenk für den Neffen, all die Kleinigkeiten eben, die man nur nach der Arbeit machen kann. Wenn jedoch um sieben Uhr das Auto oder die Bahn wartet, dann muss ich abwägen. Gestern senkte sich die Waage links, da, wo das Brot und die Milch liegen, und der Optiker.
Also war ich folgerichtig nicht pünktlich im E-Werk. Die Vorband spielte schon eine ganze Weile, als ich durch die Katakomben ging und die Treppe zur Konzerthalle nahm. Auf der letzten Stufe harrte ich erschrocken. Ganz schön voll heute Abend, ich hatte Mühe, ein Plätzchen abseits der Treppenstufen zu finden. Der Ordner blickte schon ganz irritiert. „So mitten im Treppenzugang kannste aber nicht stehen bleiben,“ schien er mit vollem Gesichtsausdruck zu denken.
Nun ja, im Laufe des Abends wurde auch er ruhiger.

Schön abseits vom Geschehen nahm ich die Vorband Phosphorescent, wie Radio hören wahr. Ihre Musik plätscherte im nirgendwo des Hintergrunds, die Geräuschkulisse von der Theke bzw. der hin- und hergehenden und sich dabei unterhaltenden Menschen dominierte deutlich.
„Man merkt, dass die Kings of Leon viele Platten verkaufen.“ Ein schönes abschließendes Fazit, das die Musik von Phosphorescent ganz gut beschreibt.
Ich stand noch im Durchgangsverkehr, machte aber so interessante Entdeckungen. Die junge Frau zum Beispiel, die ich bereits gestern Abend sah, war auch heute zugegen. (Musste sie auch arbeiten? Oder gibt es noch mehr positiv Bekloppte, die sich vor jede Bühne stellen, auf der Musik gemacht wird?). Natürlich traute ich mich nicht, sie nach ihren M.I.A. Eindrücken zu fragen.
Lustig waren auch die drei, die innerhalb weniger Minuten viermal an mir vorbei liefen, immer auf der Suche nach einem noch besseren Platz. Wenn es voll ist, dann ist es voll, möchte ich ihnen gerne sagen. Ich ließ es. Irgendwie war mir das auch alles egal, der ganz große gleich-endlich-The-National Druck war schon den ganzen Tag über nicht da.
Natürlich freute ich mich auf das Konzert, erst recht nach den famosen Eindrücken von der Ostsee, aber ich fieberte ihm nicht entgegen. Ich ließ es so auf mich zukommen.

Und es kam sehr gemächlich. „Runaway“, „Anyone’s ghost“ und „Mistaken for strangers“ eröffneten. Genau wie fünf Tage vorher. Soweit keine Veränderungen.
Was im E-Werk anders war, war der Sound. War es leise, oder hörte ich nicht gut genug?
Technisch makellos ausgepegelt, keine Frage, aber für meinen Geschmack einen Tick zu leise. Die Ansagen zwischen den Songs waren für mich gar kaum zu verstehen.
Dass alle sieben Musiker ihr Handwerk verstehen, sah und hörte man. Ihr Set spielten The National konzentriert und nahezu perfekt herunter. Fast zu perfekt, der Raum für Liveeskapaden war klein, und öffnete sich erst am Ende des Konzertes.
So fehlte ihnen ein der Schmiss, das Quäntchen Eier, das ihren Auftritt an der Ostsee zu einem überragenden Konzert werden ließ.
Wollten sie nicht, oder konnten sie nicht? Für beides habe ich mir Erklärungen ausgedacht.

Grundsätzlich ist es unfair, einen Festivalauftritt mit einem regulären Konzert zu vergleichen. Meistens ist ein Solo-Konzert das bessere Erlebnis. Die Soundabmischung ist besser, das Publikum konzentrierter, die Spannung größer. Hier ist es möglich, sich als Band so zu geben, wie man rüberkommen möchte. Man muss sich keinem Haupt-Act unterordnen, und gegebene Bedingungen hinnehmen. Man kann alles selbst gestalten.
Meine Schlussfolgerung: The National bevorzugen live die leiseren Sounds und gedrückteren Töne zu ihren bedrückenden Songs. Das passt natürlich hervorragend zu dieser Band, die lieber gut gekleidet arbeitet und dabei Wein trinkt, als in Bierlaune zu Werke geht.
Vor Tagen erzählte mir jemand, The National seien womöglich eine bessere Festivalband. Nun, das bleibt Ansichtssache, aber mir gefiel der rohere „Festivalauftritt“ besser.
Also, sie wollten nicht.

Neben dem Soundding fiel mir noch was auf. „Oh,“ dachte ich, „sie wirken etwas müde und kaputt.“ So war ich mir auch ziemlich sicher, dass Matt Berninger in Köln nicht durchs Publikum laufen wird. Wie seine Nebenmusiker strahlte er den anderorts dargebotenen Elan in Köln nicht aus. Er wirkte angeschlagen. Nun, er machte es trotzdem (zu „Mr November“) und das E-Werk freute sich.
Also, sie konnten nicht.

Die Setlist war nahezu gleich mit der and der Ostsee. The National spielten viele ältere Sachen, darunter alle meine Boxer-Lieblinge. Gegen Ende kamen dann noch ein paar großen Momente. Das von allen gern gehörte und wundervolle „Fake Empire“ und ein gutes „Terrible love“ setzten dem Abend die Krone auf. Bei letzterem beließ es Matt Berninger dabei, auf dem Absperrungsgitter hin und her zu balancieren. Ein zweiter Publikumsgang war nicht drin.
Das Finale kannte ich schon. Als letzte Zugabe spielten The National „Vanderlyle“ in einer semi-unplugged Session am Bühnenrand. Das Publikum durfte, ja musste mitsingen, und machte dieses mal hervorragend (wie die drei Mädchenstimmen hinter mir verrieten) und mal suboptimal. Ich hatte meine Samstags-Hausaufgaben für heute nicht gemacht und vergessen, den Text zu lernen. Das war aber vielleicht auch besser so.

Es war ein gutes, aber kein überragendes Konzert. Aber gleich, wie die Umstände auch sein mögen, the National sind eine Band, die man sich jederzeit live angucken sollte.
Wundervolle Musiker, tolle Sounds, feine Show.

P.S.: Wie Matt Berninger während des Singens immer wieder seine Fäuste aneinanderschlägt, ist für mich die Geste des Konzertjahres 2010.

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
The National – Weissenhäuser Strand, 12.11.2010
The National – Köln, 27.11.2007

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. konsipura

    Meine Erklärung ist, dass es ein wenig am Publikum lag. Ich hatte irgendwie die ganze Zeit das Gefühl, er würde gern etwas mehr Energie vergeuden, aber irgendwie fehlte das Publikum als Ventil … die Kommunikation hat irgendwie nicht so recht geklappt, der Funke wollte nicht so recht die Masse ergreifen. Exemplarisch, der leichte Vanderlyle-Rohrkrepierer am Ende. Die Band hat alles gegeben. Aber manchmal wills halt einfach nicht 100prozentig …
    Deiner Rezi kann ich in diesem Sinne nur voll zustimmen.

    konsi

    ps: danke für die bestätigung meiner entscheidung nicht mehr zu Amy McDonald zu gehen und schönen Abend in der Zeche Carl …

Schreibe einen Kommentar