Ort: Tanzbrunnen, Köln
Vorband: St. Vincent

The National

Ein The National Konzert, das so gar nicht hätte sein dürfen. Zumindest, wenn es nach meinen Vorstellungen abgelaufen wäre. Aber es ging in diesem Fall nach anderen Gesetzmäßigkeiten. Und das war gut so. Was war passiert?
Nun, ich habe The National vor einigen Jahren in kurzer Zeit sehr oft gesehen. Damals kam es mir beim letzten Konzertbesuch in Köln so vor, als ob ich mich satt gesehen hätte. Die Band konnte mich nicht so recht begeistern, das Konzert beeindruckte mich nicht mehr so wie die früheren Auftritte. Alles war so Vorhersehbar und damit langweilig. Dieses „Vanderlyne…“ zum Schluss, der Ausflug von Matt Berninger bei „Mr November“ ins Publikum. So diese Sachen halt. Da verhält sich The National nicht anders als zum Beispiel Elbow, die genauso großartig sind wie die New Yorker, mit denen ich aber live die gleichen Problemchen habe wie mit The National. Kennste ein Konzert, kennste alle.
Daher mied ich die Amerikaner. Ich hatte tatsächlich keine Lust sie zu sehen. Ich mied sie auch vor 2 Wochen auf dem Primavera in Barcelona. Ich wusste ja, dass ich sie zwei Wochen später am Kölner Tanzbrunnen erneut sehe, also bloß kein erneutes Sättigungsgefühl aufkommen lassen.
The National Konzerte, ach nö, muss nicht sein. Das neue Album kaufte ich natürlich trotzdem, allerdings hörte ich es kaum. Der erste Hördurchgang zeigte sich doch etwas Dröge, und so verschwand die CD schnell im Regal unter N. und N ist ziemlich weit unten, da krame ich nicht unbewusst mal eben so rum. Aus den Ohren, aus dem Sinn. Erst am letzten Montag, so als Konzertvorbereitung, kramte ich es nochmals wieder hervor. Keiner der Songs kam mir irgendwie bekannt vor.
Aber da waren ja noch „Mistaken for strangers“ und die anderen Boxer Sachen, die ich so toll fand. Und auf einmal freute ich mich wieder auf ein The National Konzert, auf dieses The National Konzert am Tanzbrunnen.
Das hatte auch etwas mit der Vorband zu tun. Auf der aktuellen Tour begleiten die Mannen um Annie Clark von St. Vincent die Berningers und Co.. St. Vincent sind eine Band, die ich auch irgendwie mag.
Die Veranstaltung roch somit nach einem unterhaltsamen Doppelpack, nach einem schönen Abend unter beton-esken Pilzdächern auf dem Open Air Platz am Rhein. Mitunter kann ich mich auf meine Nase verlasen, den ja, der der Abend hielt voll und ganz, was er versprach. Er wurde ein Konzerthöhepunkt, sehr wahrscheinlich eines der besten fünf Konzerte, die ich in diesem Jahr gesehen habe bzw. sehen werde. Und wer ist schuld? Matt Berninger war schuld.

„Eigentlich ist er ganz umgänglich“, sagen Eltern meist, wenn sich ihr Kind in besonderen Situationen besonders verhält. Natürlich kenne ich den The National Sänger nicht abseits der Bühne, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass er dort genauso verpeilt und unwirsch daherkommt, wie er sich auf der Bühne gibt. Ich glaube, die Musik und der Wein machen dort was mit ihm.
Wie ein Tiger in einem Käfig rennt er von links nach rechts und von rechts nach links. Umtriebig ist er, immer in Bewegung. Dabei schlägt er sehr oft seine Fäuste gegeneinander oder mit der einen Hand gegen das Mikrophon oder das Mikrophon gegen seinen Hinterkopf. Schmerzt das eigentlich nicht? Matt Berninger ist ein komischer Kauz. Bei „Squalor Victoria“ schlich er zum ersten Mal über die gesamte Bühnenbreite und kuschelte mit vollkommener Hingabe an das rechts am Bühnenrand aufgehängte Werbeplakat für die The National Filmdokumentation Mistaken for strangers, die im Sommer in den Kinos anläuft. Und das blieb nicht sein einziger Kuschelanfall.
„It’s still daytime“ sagt Matt Berninger, der in besten Momenten aussieht wie Jürgen Klopp, irgendwann gegen neun Uhr, als ihm die Abendsonne immer noch ins Gesicht scheint.
Konzerte am Tanzbrunnen fangen traditionell sehr früh an, um früh zu Ende zu ein. Lärm und Anwohner, das passt nie und in diesem Fall nur soweit, dass um 22 Uhr der Lärm beendet sein muss. St. Vincent begann um 18.45 Uhr, für mich viel zu früh. Eine Zeit, die ich nicht schaffe. Arbeiten und so. Ich traf gegen kurz nach sieben am Tanzbrunnengelände ein, und entdeckte einen noch sehr übersichtlich gefüllten Konzertort. Aha, scheinbar können auch andere um diese frühe Zeit noch nicht. Im Laufe des Abends sollte es besser werden, randvoll wurde es jedoch bei weitem nicht.
Komisch eigentlich, der letzte The National Auftritt im E-Werk war weit vorher ausverkauft, und ich habe nur bedingt gute Erinnerungen an dieses übervolle Konzert. Vielleicht liegt es mit an der letzten Platte, die nicht nur ich schwächer finde. Zu tranig, zu langsam die Songs, Worte, die ich auch während der Umbaupause von meinen Begleitern hört, die viel größere National-Fans sind als ich. „Aber live spielen sie die Sachen viel zackiger“, nun gut, ich warte mal ab.
Um kurz nach acht begannen The National und es passierte das, was mir nicht so oft passiert und daher ein untrügliches Zeichen ist. „Start a war“, der erste Song des Abends, war gerade mal ein paar Takte alt, als ich eine leichte Gänsehaut verspürte. Überrascht von mir selbst erschreckte ich mich. Was war das? Hier waren noch keine 5 Minuten vergangen, und schon soll es so gut sein, dass ich eine Gänsehaut bekomme? Es wäre sehr abwegig, ab diesem Moment etwas anderes über das Konzert zu sagen, als dass es wunderschön und großartig war.
„Anyone‘s ghost“, „Afraid of everyone“, „Squalor Victoria“ waren die nächsten Songs, die ich direkt erkannte. In der Zwischenzeit hatte sich die Band akklimatisiert und Matt Berninger lief zur Höchstform auf. Klirr, das Mikrofon schlug gegen den Mikrofonständer; batsch, die Weinflasche landete unmotiviert fallengelassen halb neben dem Flaschenkühler. Der Abend fluppte wie von selbst. Selbst die ruhigeren neuen Songs machten sich nicht negativ bemerkbar.
In der Zugabe „Mr November“ dann der zweite Kuschelausflug. Wie üblich nahm Berninger das Bad in der Menge. Erst links am Bühnenrand, gegen Ende des Songs dann kam er auf unsere Seite rüber gelaufen. Scheinbar zielstrebig lief er an uns vorbei in Richtung eines Pärchens, dass am Rand angelehnt an eine kleine Betonmauer stand und schmieg sich unversehens an den Oberkörper des Jungen. Der guckte etwas verdutzt aus der Wäsche, nahm dann aber seine linke Hand und strich Matt Berninger tätschelnd über den Kopf. „Ist ja alles nicht so schlimm“, sagte diese Geste und ja, all das war auch nicht schlimm. Im Gegenteil, es war ganz große Klasse!
Obligatorisch folgten danach noch „Terrible love“ und das sehr schlimme „Vanderlyle Crybaby Geeks“ was in diesem Moment selbstverständlich gar nicht so schlimm wirkte.
Das standardmäßige Ende eines nicht ganz standardisierten The National Konzertes.
Toll!

Kontextkonzerte:
The National – Köln, 17.11.2010  / E-Werk
The National – Weissenhäuser Strand, 12.11.2010
The National – Köln, 27.11.2007 / Luxor
St. Vincent – Köln, 19.11.2011 / Luxor

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