Ort: Stadthalle Mühlheim, Köln
weitere Band: The Clientele

Teenage Fanclub

Ihr dudelsack-eskes „Is this music?“ war sehr oft das letzte Lied auf meinen Kassetten-Mixtapes. Es zu nehmen bot sich an, weil das Instrumentalstück so herrlich eintönig klingt und ich es unkompliziert an die Restspielzeit des Kassettenbandes anpassen konnte. Egal ob zwei Minuten oder drei Minuten Restlaufzeit, „Is this music?“ ließ sich jederzeit wunderbar ausblenden.
So habe ich in den 1990ern Jahren sehr viel Teenage Fanclub Musik unter meinen Bekannten und Freunden verstreut. Ob es was geholfen hat, weiß ich nicht. Ich zumindest fand die Band aus Schottland toll, „Radio“ war und ist eines meiner Lieblinge. Überhaupt gefiel mir das zugehörige Album Thirteen besser als das Teenage Fanclub Durchbruchalbum Bandwagonesque. Damit stehe ich wohl etwas einsam dar, denn generell – so las ich – wird just dieses Album als eines ihrer schwächeren bezeichnet. Thirteen ist lärmiger, nicht so poppig weichgespült und irgendwie amerikanischer. Sicher ist das genau der Kritikpunkt, frei nach dem Motto: jetzt müssen also Teenage Fanclub nach Grunge klingen. Das ist natürlich Unsinn, auch wenn man oberflächlich auf diesen Gedanken kommen könnte. Und Dinge kritisieren ist oftmals leichter als Dinge gut finden. Mir passte Thirteen genauso gut wie Bandwagonesque, und mit dem nachfolgenden Grand Prix hatten mich die Schotten endgültig.
Und als Norman Blake in einem Video einen Dufflecoat trug, wollte und musste ich auch einen solchen Mantel haben. Aber es war gar nicht so einfach, in Deutschland einen zu bekommen. So ganz ohne Internet gelang mir das auch nicht; erst Jahre später entdeckte ich in einem British-Shop ein solches Exemplar. Aber immer noch war ich Teenage Fanclub Fan und der Mantel wurde gekauft.

Duffle Coats bekommt man nun nahezu jeden Herbst, Teenage Fanclub sieht man dagegen nur alle Jubeljahre live. Zuletzt gelang es mir auf dem Rolling Stone Weekender vor 4 Jahren, erstmals sah ich Norman Blake, Raymond McGinley, Gerard Love und Francis MacDonald vor ganz vielen Jahren (1995?) in einem Doppelkonzert mit Buffalo Tom im Theater am Rudolfsplatz in Köln. Eine Wahnsinnskombination, ein toller Abend. Ich erinnere mich bruchstückhaft sehr genau.

Teenage Fanclub spielen beim Week-End Fest!
Als ich das hörte, stand mein Besuch fest. Das Week-End Fest, ein nach niederländischer Tradition aufgebautes Indoorfestival, findet bereits zum vierten Mal statt und ich bin zum ersten Mal in der Stadthalle Köln-Mühlheim. Ein Nachkriegszweckbau, der seinen Charme im Detail bereithält: dunkler Parkettbogen, goldgelbe Vorhänge, atemberaubende Deckenlichtkonstruktionen im 60er Jahre Stil, holzvertäfelte Wände. Also der perfekte Ort für ein wahrhaft außergewöhnliches Festival. Zeitlose Architektur-Eleganz mit dem süßen Geruch nach ü60 Tanzabenden.

The Clientele, die Band, die ich vor Teenage Fanclub sehe, liefern den passenden Soundtrack. Die Band spielt mit wenig Esprit großartige Songs und für einen kurzen Moment stelle ich mir die Szenerie eines leeren Saales vor, in dem einsam ein Rentnerpaar zwischen verwahrlosten Stühlen einen langsamen Foxtrott tanzt. In meiner Vorstellung passt das ganz gut, The Clientele, die Anfang der 2000er Jahre Alben veröffentlichte und seit 2011 quasi stillgelegt ist, machen unaufgeregten britischen easy listening, klassische britische Popmusik im gemächlichen Musiktakt. Oder wie man so sagt: Pullunder-Pop. Den, mit dieser wunderbaren Pling-Pling Gitarre, die ich so mag und die auch Teenage Fanclub, Cast, The La‘s und andere Bands haben. Nur spielen The Clientele die Pling-Plings viel ruhiger und langsamer; geradezu bedächtig schlendern sie durch ihren Auftritt.
Jeder Song hat ganz wunderbare Melodien und ist für sich ein Hit, auf Konzertlänge allerdings wirken die Songs auf mich zu gleichklingend. Das mag am Erstkonsum liegen, gestaltet sich im Konzert allerdings als etwa anstrengend.
Das scheinen auch andere so zu empfinden, im Verlauf des Sets wird es vor der Bühne leerer und die Gespräche aus dem Foyer deutlicher hörbar. Ich habe mir jedoch fest vorgenommen, ein Clientele Album zu kaufen. Vor dem Konzert erfuhr ich von einer Best-of Scheibe, die alles Wichtige beinhalte. Die sollte ich kaufen.
Zur Musik von The Clientele kann ich war nicht joggen, und sicher auch nur bedingt tanzen. Aber sie hat andere Einsatzmöglichkeiten: als Soundtrack für nächtliche Autofahrten, gemütliche Gespräche oder für Sonntagnachmittage. Und solche Musik kann ich immer gebrauchen.

Teenage Fanclub sind Teenage Fanclub.
Der Saal ist wieder voller und erstmals an diesem Abend sind auch die ersten Reihen gut besetzt. Auch Teenage Fanclub haben diese Pling-Pling Melodien, aber ihre Songs bieten mehr Abwechslung. Würden die Schotten ihr Hitalbum Grand Prix en bloc spielen, müsste ich das, was ich über The Clientele sagte, auch hier sagen: auf Konzertlänge zu eintönig.
Aber sie haben eben auch Bandwagonesque und Howdy! (mit dem wunderschönen „I need directions“) und Songs from Northern Britain mit dem ebenso schönen „Start again“. Und Shadows und Man-made. Und Teenage Fanclub haben mit Norman Blake, Gerard Love und Raymond McGinley drei Sänger und Songschreiber, die sich die Songs im Konzert aufteilen. Langeweile gibt’s so auf der Bühne nicht. Weder musikalisch noch optisch.

Aus jedem der Alben spielen sie mindestens einen Song, die Setlist erreichte höchste Höhen und es wird ein wundervolles Best-of Konzert. Neben einem schönen neuen Song vom im nächsten Jahr erscheinenen neuem Albums, waren „Baby Lee“ und „Sometimes I don’t need to believe in anything“ die aktuellsten Songs im Set, „Everything flows“ vom Debütalbum A catholic education der älteste. Es ist jedoch müßig, jede einzelne Schönheit anzusprechen, kurz gesagt: es war ein Genuss für jeden Teenage Fanclub Fan.
Als letzte Zugabe spielten sie „What you do to me“. „What you do to meeee, what you do to meeeee“, wenn gar nichts mehr geht, geht immer noch die endlose Refrainwiederholung! Wunderschön!

Es war die perfekte Werkschau, mit einer Ausnahme: Von meinem liebsten TFC Album Thirteen spielten sie nichts. Kein „Hang on“, kein „Radio“. Blöd, es war dies jedoch nur ein klitzekleiner Wermutstropfen, den ich auf der Rückfahrt wegmachte, indem ich die CD in noch zulässiger Lautstärke hörte.

Was man mag wird einem erst so richtig bewusst, wenn man es sieht. Himmel, es war mir selbst unheimlich, wie viele Textpassagen ich noch im Kopf hatte, wie viele Lieder ich nach den ersten Tönen wiedererkannte. Ist das das sichere Zeichen, Fan zu sein? Verflucht, ja.

Also, wenn ich ein Mädchen wäre, wäre ich gerne ein Teenage Fanclub Girl! Oder wie Liam Gallagher sagt:

„The second best band in the world.“

Boah, und wie großartig war „Verisimilitude“!!!

Fotos:

Kontextkonzert:
Teenage Fanclub – Rolling Stone Weekender Ostsee, 12.11.2010

Video:

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