Ort: Botanique, Rotonde, Brüssel
Vorband: Vega

Samstag Nachmittage auf der Autobahn. Regnerisches Schmuddelwetter lädt uns förmlich dazu ein. Wie andere Gleichaltrige treffen wir uns an einem Parkplatz am Autobahnkreuz der A1 und A4, lassen einen Wagen stehen und fahren gemeinsam weiter. Unser Ziel ist aber nicht das Heim- oder Auswärtsspiel unserer Lieblingsfussballmannschaften, unser Ziel heißt Botanique, unser Auswärtsspiel in diesem Jahr ist School of seven bells. Der Fußball ist aber Thema. Der FC führt 1:0 und es gab drei rote Karten. Wieso? Weshalb? Gerechtfertigt? Auch Telefonate konnten keine abschließende Klärung bringen. Der Kommentar, den wir von einem Sky Gucker hörten, beruhigte uns nur kurz: „Das war nix, das war ein Witz.“

„Das ist so ‘n Männerding, oder?“ fragte mich vor Wochen ein Bekannter, dem ich von meinen / unseren Konzertausflügen erzählte. Seine Frage war nicht provokant gemeint, dafür mag er selbst zu sehr Musik und Konzerte, aber sie irritierte mich dennoch. Denn normalerweise sind Männerdinge überhaupt nicht mein Ding, aber ich glaube, in diesem Fall hat er nicht ganz unrecht. Fantum könnte man es weniger genderbezogen auch nennen. Oder Hobby.

Die Rotonde der Botanique ist eine der angenehmsten Konzertorte, die ich kenne. Daher stand es zu keiner Zeit zur Diskussion, an diesem Nachmittag nach Brüssel zu fahren. Im Gegenteil, die knappen 2 Stunden Autofahrt waren ein großer Spaß, Langweile kam nicht auf. Und da der Verkehr überschaubar dicht war, passte unser Zeitplan perfekt. Parken, Essen, Konzert. Diese Reihenfolge ließ sich bequem einhalten. School of seven bells gehören zu der Sorte Band, die man sich als Fan gitarrenlastiger Indiemusik zu jeder Zeit gefahrenlos ansehen kann. Allein mit ihrem Debütalbum „Alpinism“ verfügt das Duo Alejandra Deheza und Benjamin Curtis (Alejandra Zwillingsschwester Claudia hat bekanntermaßen vor einiger Zeit die Band verlassen) über genug Hits, um ein Konzert bedenkenlos gut und begeisternd über die Bühne bringen zu können.
Da sie in den letzten zwei Jahren zwei weitere Alben veröffentlicht haben, ist auch genug Songmaterial da, um mehr als eine Stunde Konzert durchzustehen. Die Fahrt sollte sich ja auch lohnen, obwohl, ein lohnenswertes Konzert ist ja nicht an seinerSpieldauer festzumachen. Ob sich ein Konzert lohnt oder nicht, entscheidet sich bei anderen Dingen.
School of seven bells spielten an diesem Abend lohnenswerte 75 Minuten. Ihr Konzert war zwar, das sollte ich fairerweise sagen, nicht ganz so euphorisierend unterhaltsam wie eine Woche zuvor der Big Deal Abend, aber immer noch jeden Tropfen Benzin und jeden Cent Parkhausgebühren wert. Auf der Bühne sind School of seven bells zu viert, ein Schlagzeuger und eine Keyboarderin komplettieren die SviiB Livekonstellation. Musikalisch und optischer Fixpunkt ist natürlich Sängerin Alejandra Deheza. Und wie so oft bei Sängerinnen, redeten wir auch diesmal über die Frisur. Unser einhelliges Fazit: Die Pagenfrisur passt perfekt und wird als schönster Frauenhaarschnitt nur noch von Justin Frischmanns asymmetrischen Schnitt geschlagen. Klassisch und zeitlos elegant, genau wie ihre Musik. Genau wie die Kurzhaarfrisur sind sowohl Elastica als auch School of seven bells musikalische Evergreens.

In den 75 Minuten standen die Songs des aktuellen Albums „Ghostory“ klar im Vordergrund. Gut die Hälfte des Sets machten sie aus. So ganz konnten sie mich aber nicht überzeugen. “ Lafaye“ gehörte zwar zu den besten Konzertaugenblicken, aber sehr oft hatte ich das Gefühl, dass die ein oder andere Gitarre mehr in der Liveumsetzung den neuen Stücken gut gestanden hätte. Gerade auch dann, wenn Alejandra ihre Gitarre aus der Hand gab, erschien mir Benjamin Curtis Gitarre allein zu dünn, was die Keyboards nie so ganz kompensieren konnten. Das Ende des Konzerts war herausragend. Die Single und das davor platzierte „ILU“, SviiB bestes Lied, waren absolute Höhepunkte. Ebenso der letzte Song „My cabal“, den sie in wunderschönen Noisegitarren ausklangen ließen. Ein guter Abschluss, der noch durch 2 Zugaben abgerundet wurde.
„Vorgruppe ist eine lokale belgische Band.“ Mit diesem Wissen setzten wir uns auf die hinteren Stufen der Rotonde. Der Bühnenaufbau sah nach Digitalism aus. 2 Keyboards und drei Reflektorwände. Oh je, was mag uns da erwarten. Es roch verdächtig nach belgischem Eurodisco, als die drei Jungs von Vega die Bühne betraten. Die Botanique Homepage erklärt:

„Le style de Vega est un mélange de sons électroniques précis et minimalistes et un piano soul, funky et disco. Vega c’est une bonne dose de dynamisme et d’énergie, tantôt mélancolique, tantôt festive et dansante. Les sons parfois sombres et répétés sont transfigurés par le lyrisme et la légèreté de la voix du chanteur. Une formule imparable pour faire la fête.“

Nun, mich haben die belgischen Vega überzeugt. Nicht wegen ihrer spannenden Musike, die ist vorhersehbar und gutbekannt, aber die Art und Weise wie sie ihren 80er Sounds umgesetzt haben, fand ich beeindruckend. Das war unaufgeregt und fern jeglicher übertriebener Hippness und aufgeregtem Cool-sein-müssens. Vega wirkten sehr sympathisch und ihr Erasure-Camouflage-Yazoo gar nicht mal so schlimm, wie es sich anhört.
Die Belgier haben Talent und machen Musik, mit der sie wunderbar funktionieren. Es sollte aber keiner auf die Idee kommen, sie als Support von Erasure oder anderer 80er Jahre Bandrevivals zu buchen. Die Erasures dieser Welt wären darüber nicht erfreut, denn Vega würden sie gnadenlos mit ihren eigenen Sounds an die Wand spielen.
Ein hüpfendes Kölner Gloria ist für Vega durchaus drin, darin waren wir uns, trotz unterschiedlichem gut-findens-Grad am Ende ihres 40 Minütigen Konzertes einig. CSD Organisatoren, Ohren auf.

Multimedia:
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