Ort: Club Bahnhof Ehrenfeld, Köln
Vorband:

Robert Glasper Trio

Vor einigen Jahren schrieb ich, nachdem ich mit einem Arbeitskollegen während einer Dienstreise ein bluesiges Jazzkonzert eines obskuren Schlagzeugers und seiner Band besucht hatte, dass ich wohl für Jazz noch nicht alt genug sei.
In meiner theoretisierten Lebens- und Musikwelt war es nämlich so, dass ich mein Interesse für Jazz nicht vor 40, eher mit Mitte 40, aufkommen lassen wollte. Das hielt ich für ein geeignetes Alter, um mich mit diesem komplexen und verrückten Musikgenre näher zu beschäftigen. Jazz, das klingt nach Erfahrung, nach Bescheid wissen, nach bestuhlten Konzerten in mucksmäuschen stiller Atmosphäre. Vor 10 Jahren fühlte ich mich dazu noch nicht bereit. Dieser Abend im Blues Alley bestätigte meine Theorie und ich war irgendwie froh darüber. Zwar fand ich das Konzert schön und interessant, aber es reichte nicht, um dranzubleiben.
Das liest sich nach allerlei schlimmen Vorurteilen. Doch schon während meines ersten Jazzkonzertes auf erwähnter Dienstreise musste ich einige meiner Ansichten revidieren. Okay, der Club war bestuhlt, man saß an Tischen, aß vor Konzertbeginn ein Süppchen oder einen anderen Snack, bis irgendwann die Teller abgeräumt wurden, das Licht sich verdunkelte und Musik gespielt wurde. Aber es war nicht so abgehoben ‚elitär‘, nicht so Bescheid wissend arrogant wie gedacht. Natürlich gab es Rollkragenpulloverträger im Publikum, aber bei meinen Kraftwerkkonzerten gab es die in größerer Anzahl.
Dass mich der Abend damals nicht restlos begeisterte, lag an der Musik. Die Suppe war toll, aber die schlagzeuglastigen Songs waren nicht diese Art von Jazz, die mir unter dem Begriff Jazz vorschwebte. ‚Diese Art von Jazz‘, ich glaube man merkt, dass ich nicht viel Ahnung vom Fach habe.
In den Jahren danach verschwand mein Interesse ein wenig, in den letzten zwei drei Jahren blühte es aber verstärkt wieder auf. Ich bin jetzt eben in dem Alter und ich wollte dem Ganzen noch eine Chance geben. Nicht, dass ich aus dummer Ignoranz was tolles verpasse.
Doch wie den Einstieg finden? Welche Platten kaufen? Einen 5-Euro Tchibo Sampler wollte ich mir nicht zulegen, eine Best-of Jazz 6 CD Box auch nicht. Beides scheint mir zu oberflächlich, unwürdig, ungenau.
Ich fragte also einen Arbeitskollegen, der tiefere in der Jazzsache steckte und steckt als ich. Also der sich damit auskennt, ich stecke ja überhaupt nicht drin. Er empfahl als Einstieg zwei Klassikern: Miles Davis Kind of Blue und John Coltrane A love supreme. Damit könne ich nix falsch machen.
Und richtig, damit machte ich nichts falsch! Beide Platten gefielen mir spontan und kamen meiner Vorstellung von Jazz sehr nahe: Klavier und Blasinstrumente. Ja, so sollte Jazz für mich klingen. Nicht dieser experimentelle Schnickschnack. Doch wie fortfahren? Ich schnupperte etwas weiter, sah auf dem letzten Primavera Colin Stetson und versuchte, John Zorn’s „Naked city“ zu verstehen. Auch legte ich mir David Axlrod zu. Aber all dieses machte nicht so viel Spaß wie die alten Sachen von Coltrane oder Davis. Und so ging’s in dieser Richtung weiter. Der nächste Plattenkauf wurde dann doch ein Sampler, Roads of Jazz. Sechs CDs unterschiedlicher Stilrichtungen und einer Menge textlicher Erläuterungen, die ich jedoch bis heute nicht gelesen habe. Mir gefielen die Songs des Classic Jazz und New York Modern Jazz auch so. Schön lesen brauchte ich sie mir nicht. (Falls das auch überhaupt geht.)

Und wie kam es jetzt zu diesem Konzertbesuch? Der Name Robert Glasper tauchte bisher ja kein einziges Mal auf. Auch nicht auf dem 6-CDs-Sampler. Nun, besagter Arbeitskollege schrieb mir eine Mail und machte darin folgenden Vorschlag.

Hi Frank,
falls du Lust und Zeit hast (und inzwischen alt genug für Jazz bist):
Robert Glasper Trio,…

Natürlich hatte ich Zeit und Lust. Natürlich sagte mir der Name Robert Glasper Trio nichts. Eigentlich fand ich ihn sogar recht bescheuert für eine Band. Klang das nicht nach Tralafitti Jazz, nach irgendeiner Wald-und-Wiesen-Combo? Ja, Namen machen Bands, und dieser klang für mich erst einmal wenig vertrauenerweckend.
Schnell merkte ich aber, das ich Vertrauen haben sollte. Robert Glasper, Grammy Gewinner, Rapper’s Liebling, Buddy von Jay-Z und maßgeblich beteiligt an Kendrick Lamars letzter Platte To pimp a butterfly. Es dauerte nur wenige Google Suchklicks, bis ich so schlau wurde.
Und neugieriger. Ich hörte mir was von Glasper an und es gefiel mir. Das war der Jazz, den ich toll finde, der leicht und eingängig daherkommt. Robert Glasper spielt Klavier, von einem Bass und Schlagzeug begleitet. Nichts weiter. Und überhaupt nicht anstrengend oder unverständlich.
So entdeckte ich sein letztes Album Covered und war leicht erschrocken, als ich die Berichte dazu las. Coverversionen von Popschlagern und Lieblingsliedern? Das klang jetzt aber doch sehr nach Starbucks Jazz. Die Idee zu diesem Album kam ihm beim IPod shufflen. Uahhh, jeder Satz den ich über Covered las, machte es nicht besser.
Trotzdem blieb ich dran, weil die Songs so schön klangen und weil ich immer wieder auf ein Stück zurückkam: „Reckoner“ von Radiohead.
„Kommen da Run DMC auf die Bühne?“ eine durchaus berechtigte wie auch nicht ganz ernst gemeinte Frage meiner Konzertbegleiterin. Robert Glasper, Vicente Archer und Damion Reid sehen denn auch mehr nach HipHop als nach E-Musik aus. Wir stehen in der Nähe der Garderobentreppe und sehen, wie es sich der übrige Begleitclan, ich vermute Freundinnen und Buddies, am Treppenaufgang bequem machte. Der Getränkenachschub wurde zuvor sichergestellt, als eine auf Eis gelegte Sektpulle in die Garderobe gebracht wurde. Nun war es an der Zeit, diese peu à peu leerzumachen. In den Songpausen höre ich das Rascheln der Eiswürfel in den Pappbechern.
Die Musiker starten mit Coverversionen. „Sign o‘ the times“ (Prince)und “I don’t even care” (Macey Grey)eröffneten den Abend. Eigentlich und normalerweise sind Cover die schlechteren Songs, und ich mag sie nicht sehr. Aber ‘Cover mögen‘ hin oder her, dass hier war verdammt gut.

Sie würden sehr viel von Covered spielen, aber auch ältere Sachen, so die kurze Ansage des Bandvorstehers Glasper. In den anschließenden Minuten schaltete das Trio in den Autopiloten Groove. Es gab wirklich keine Sekunde, die von den folgenden 100 Minuten langweilig war.‘Groovy, groovy, jazzy, funky‘ besungen es De la Soul, und genauso fühlte sich dieses Konzert an. Hier war der Jazz nicht weit weg vom Hiphop. Glasper spielte fulminant, seine Kollegen auch. Das Schlagzeug klang zwar mitunter etwas laut, aber es war dabei nie aufdringlich und scharf gespielt, sondern wog im unhektischen Klang des Basses. Robert Glasper saß am Flügel, gesponsert vom Klavierhaus Klavins wie das angestrahlte Label auf der Vorderseite zeigte. Es sei das erste Mal, dass ein Flügel auf der Bühne des Club Bahnhof Ehrenfeld stünde erfuhren wir vorab vom Conférencier. Vielleicht machen sie das jetzt ja öfter, denn der Club war voll.
Ich weiß nicht, wie viele Songs das Trio gespielt hat, welche von welchem Album stammen oder welche Eigenkompositionen waren und welche nicht. Selbst wenn es alles Cover gewesen sein sollten, es waren keine Peinlichkeiten darunter. Auch der eingestreute Kurzauftritt eines Rappers, den ich allerdings eher überflüssig fand, tat nicht weh. Groovy, groovy, jazzy, funky eben. Alles.
Etwas nervig fand ich vielleicht ein 15minütiges Zwischengeplänkel, als Robert Glasper immer wieder Songs am Klavier anspielte, darauf wartete, dass die anderen beiden Musiker einstiegen und dann kurze Zeit später abbrach und neu ansetzte. Dafür gibt es bestimmt einen Jazzfachbegriff. Da ich aber von Jazz keine Ahnung habe, kenne ich ihn nicht. Ich kann auch nicht sagen, ob die Töne akkurat waren, ob das Spiel sauber war, der Klang perfekt war. All diesen nerdigen Jazzkramtalk, den kann ich nicht unterstützen. So dick bin ich nicht drin. Was ich aber sagen kann ist, dass ich einen tollen Konzertabend hatte, bei dem ich eine Menge neuer Sachen gehört habe.
Und wie mein Arbeitskollege richtig bemerkte: „Wenn es einem gefällt, ist’s doch gut.“ Es war sehr gut!

Kontextkonzerte:
Larry Coryell Power Trio – Washington DC, 27.03.2008 / Blues Alley
Billy Cobham Spectrum – Washington DC, 11.09.2008 / Blues Alley

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