Bands: To kill a thing, Newton Falkner, Adna, Lisa Mitchell, King Creosote, Timbre Timbre, Clap your hands say yeah
Newton Faulkner kennt man. „Dream catch me“ kennt man. Singersongwriter Melodien.  Vor dem N-Joy Bus ist es rappelvoll, als der Engländer um 14 Uhr die Bühne betritt. Eine Gitarre, mehr braucht er nicht, um seine tolle Stimme zu unterstützen. „Dream catch me“ klingt famos, genauso wie sein schon etwas älteres Massive Attack Cover „Teardrops“, das anschließend den Moderator Jan Kuhlmann zu verbalen Jubelstürmen hinreißt und auch den Kiezrocker (Hamburger Original!) vorne rechts, der vorher noch laut rumkrakeelt hat, was das denn hier für eine Scheiße sei, zum Schweigen und applaudieren bringt. Ich bin beeindruckt davon, wie er den Massive Attack Bass nur durch Schlagen mit der flachen Hand auf den Gitarrenkörper so prägnant hinbekommt. „Teardrops“ auf der Akustikgitarre, das hat Charme. Musiker wie Newton Faulkner interessieren mich nur am Rand, aber auf einem Festival nehme ich sie für ein paar Songs gerne mit. Für ein Newton Faulkner würde ich nie Geld ausgeben. Genausowenig wie für To kill a thing. Oder doch? Folkrock ist definitiv zwar nicht meins, aber To kill a thing klangen irgendwie gut. Dabei habe ich die Band nur durch Zufall mibekommen. Denn was willste machen, wenn du gerade das Tagesprogrammheft abgeholt hast, dumm rumstehst um es zu studieren und noch nicht weißt, was du nun wirklich am Nachmittag so sehen willst? Bei mir siegt dann immer die Bequemlichkeit und ich schaue mir das an, was vor meiner Nase passiert. Das waren in diesem Fall To kill a thing.

Danach war klar, der heutige Weg führt über Lisa Mitchell und Ray’s Reeperbahn Review zu King Creosote und Clap your hands say yeah. Vielleicht geht ja auch noch ein bisschen Liam Gallagher, der als special guest tags zuvor angekündigt worden ist und zur Primetime im Docks spielen sollte. Terminlich würde das Konzert gut zwischen King Creosote und Clap your hands say yeah passen.  Wichtig ist mir das aber nicht. Und das Übel und gefährlich in der vierten Etage des Hochbunkers wollte ich mir auch noch angucken. Timbre Timbre wären eine gute Gelegenheit.

Auf dem Weg ins Molotow sehe ich noch zwei Songs von Adna. Die Schwedin erinnert ein bisschen an Daughter, ich muss sie mir auf dem Dortmunder Way back when im Klubrahmen ansehen. Auf der Astra Bühne auf dem Spielbudenplatz verlor sich ihr Auftritt dummerweise ein bisschen.

Lisa Mitchell bespielt zu Kaffee und Kuchen den Hinterhof oder Biergarten des Molotows. Die wievielte Frau mit Keyboard ist sie eigentlich, der ich auf diesem Festival zusehe?
Lisa Mitchell lebt in Australien und ist Programmteil des australischen Nachmittags im Molotow. Ich hatte ich mich im Vorfeld für Australien und gegen Kanada entschieden. Kanada Tag ist im St. Pauli Klubheim, mit einer Handvoll kanadischer Bands. Nebenbei bemerkt ist Kanada das diesjährige Partnerland des Reeperbahnfestivals. Mir war aber nicht nach Kanada und so sehe ich, wie Lisa Mitchell hinter ihrem Keyboard sitzt und schöne Indiesingersongwriter Musik spielt, das die knappe halbe Stunde Spielzeit schnell erfliegt.

Direkt im Anschluss eile ich zum Schmitt Theater, die tägliche Show Ray‘s Reeperbahn Review beginnt pünktlich um 17 Uhr. Und die möchte ich mir doch zu gerne angucken. Die Schlange ist noch nicht allzu lang, als ich den Spielbudenplatz erreiche. Ray Cokes wuselt mit einem Kameramann zwischen den Leuten umher. Lustig, beschwingt, gut aufgelegt, so wie man ihn aus den 1990ern von seinen MTV Shows her eben kennt. Auch ich musste etwas länger überlegen: MTV‘s Most Wanted hieß die Show, die der Engländer seinerzeit moderierte. Eine Stunde lang wird er im Schmitt Theater das Reeperbahnfestivaltreiben launisch kommentieren und musiklasche Gäste interviewen. Mir gefällt es sehr, und die geplante Stunde, die von Ray Cokes leicht überzogen wird, vergeht wie im Flug. Seine musikalischen Gäste sind so Vielfältig wie das Reeperbahnfestival selbst: Amadou & Mariam aus Mali, die Libanesin Yasmine Hamdan, Isaac Gracie und Matt Maltese.

Nach der Show wird die Abendplanung abgesprochen. Ins Imperial Theater? Gerne. Mal das Übel und gefährlich von innen sehen? Warum nicht. Ach ja, und Clap your hands say yeah.

King Creosote macht Spaß. Nicht nur, weil sein Auftritt im Imperial Theater mit Pharaonenstauen, altägyptischem Zeugs wie Papyrusollen und Steinsäulen die lustigste Bühnendeko aufweist (das normale Programm des Theaters ist das Stück ‚Der Fluch des Pharaos‘), sondern weil der Schotte musikalisch voll überzeugte. Kurzweilig, weil mit vielen Geschichtchen und Anekdoten versehen, war sein Set, sein Repertoire scheint auch riesengroß. Mehrere Dutzend LP Veröffentlichungen hat King Creosote auf der Habenseite, erfahre ich während des Konzertes.

Warum an diesem Tag das gesamte Festival nur über Liam Gallagher spricht, verwundert mich ein bisschen. Da scheint die Marketingstrategie von Warner voll und ganz aufgegangen zu sein. Manchmal ist es wirklich sehr einfach: Verpacke einen Künstler, der musikalisch ohne seinen Bruder wenig bis gar nichts zu bieten hat (ich war auf mehreren Beady Eye Konzerten und hab mir das angehört, ich darf das also sagen) als special guest und mache ein riesen Brimborium um das Konzert, schon wollen alle hin. Und genau, schon wollen alle hin. Hoffnungslos lang ist die Schlange vor dem bereits vollen Docks, als dort noch die zuvor angesetzte Band dort spielt. Warum also 45 Minuten warten, wenn es eh keine Chance gibt, reinzukommen, um sich anschließend 10 Minuten Liam Gallagher (oder LG, wie hier alle sagen) anzugucken. Mehr braucht es nämlich nicht, um sich ein Bild zu machen und zu merken, dass seine Songs sehr dünne sind und sein Britpop schnell langatmig wird. Ich hatte nie die wirkliche Absicht, Liam Gallagher zu sehen, so lässt mich das alles völlig kalt und mit null Ärger Im Bauch, aber mit Hunger, geht’s erstmal zur Fischbude.

Also Fisch im Brot und ab ins Übel und gefährlich. Und dann Clap your hands say yeah. Nach Plan geht es weiter.
Das Übel und gefährlich ist einer der Klubs, den ich dem Namen nach kenne, aber sonst nix über ihn weiß. Es liegt sehr spektakulär in der vierten Etage eines Hochbunkers, eine Etage drüber gibt es eine schöne Terrasse mit guter Aussicht, die Etagen darunter gehören Musikläden und Büros. Dummerweise gibt es nur einen Aufzug, der nahezu jeden dazu zwingt, die Treppen bis zur vierten Etage zu benutzen. Timbre Timbre sind einen kurzen Blick wert. Das es dann nur ein sehr kurzer Blick wird, liegt an der enorm dicken Luft im Bunker, die mir, erst recht nach dem kräftezehrenden Treppenaufstieg, fix Schweißperlen auf die Stirn triebt und mich schneller als gedacht wieder an die frische Luft zieht.

Gut, dann auf zum Knust, das fußläufig in einem relativ neuen Gebäudekomplex beheimatet ist. Wäre ich Hamburger Konzertgänger, wäre das Knust mein Lieblingsklub. Der Saal hat eine schöne Deckenhöhe, die Akustik ist gut, das Klima dank Klimaanlage gut temperiert. Die Größe des Saals wirkt auf mich perfekt und an den Konzertraum grenzt eine Bar/Café mit vielen Sitzgelegenheiten, ohne dass sich beide Rume stören. Ja, hier kann man sicherlich toll Konzerte genießen und anschließend noch ein bisschen rumhängen.

Ehrlich, Clap your hands say yeah habe ich seit Some loud thunder nicht mehr wahrgenommen. Drei Alben sind seither erschienen. Die Band hat über die Jahre bis auf Sänger und Songschreiber Alec Ounsworth keine Konstante, so lese ich im Programm. Dinge, die an mir völlig vorbeigegangen sind. Some loud thunder ist mittlerweile 10 Jahre alt, aber „Satan said dance“ ist in meinem Kopf immer noch präsent, wie ich nach den ersten Tönen überraschend feststelle. Muss wohl ein großer Hit, denn nur große Hits bleiben bekanntlich im Ohr kleben. Bei „Over & over again“ ist es nicht anders. Die Kopfstimme von Alec Ounsworth hat sich nicht geändert, und auch die mir unbekannten Songs, die alle neueren Datums sein müssen, klingen vertraut typisch nach Clap your hands say yeah: vertrackt und tanzbar. New Yorker Indierock eben.Zu den alten Hits tanzt das gesamte Knust. Die Band scheint eine feste und verschworene Fanbase zu haben, viele sangen oder grölten mit. Die Stimmung war zeitweise sehr ausgelassen, dass es Alec Ounsworth schon ein bisschen zu viel wurde. Irgendwie schien er leicht genervt, als immer wieder der Refrain von „Is this love“ gesungen wurde. Es ist halt schwierig, wenn die neuen Songs nie die Beliebtheit und Größe der alten Songs erreichen. Frag nach bei Maximo Park.
Das Konzert war gut und ein perfekter Konzertabschluss des Freitags. Auf dem Rückweg riskieren wir noch einen kurzen Blick ins Molotow. Die Indiedisco im Hinterhof klingt vielversprechend, aber der Tag war lang und morgen kommt ja noch ein Reeperbahnfestivaltag.

Kontextkonzerte:
Clap your hands say yeah – Köln, 14.09.2011 / Gebäude 9

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