Ort: Lanxess Arena, Köln
Vorband: Caribou

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„Penny, ich bin Physiker, ich habe fundierte Kenntnisse über das gesamte Universum und alles, was darin ist.“
„Wer ist Radiohead?“
„Ich habe bedeutende Grundkenntnisse über die WICHTIGEN Dinge des Universums.“
(Big Bang Theory, Staffel 2 Folge 18)

Wie kann ich einen perfekten Abend beschreiben? Ich weiß es nicht, vielleicht will ich ihn auch gar nicht groß in Worte fassen. Dass, was Radiohead, und davor Caribou abgeliefert haben, war nicht mehr und nicht weniger als das Konzert des Jahres. Ein kleines Konzert einer großen Band in einer großen Halle. Wow!
Warum ‚kleines Konzert’“‘? Weil es mir nicht als Stadionkonzert vorkam, was uns Radiohead zweieinhalb Stundenlang boten. Aus mehreren Gründen fühlten wir uns eher in einen kleineren Konzertsaal versetzt. Lag es daran, dass wir vorne standen, lag es daran, dass Radiohead keine große Bühnenshow aufboten oder lag es einfach daran, das Thom Yorke es schaffte, die Arena Arena sein zu lassen und Gefühle von Nähe und Intimität versprühte, die man diesem hibbeligen kleinen Mann gar nicht zutrauen würde?
Es lag sicherlich an allem. Wenn sich die Videoplatten wie eine zweite Decke über die Köpfe der Band absenken, wird das Hallendach ganz nah, der Raum nach oben sehr klein. Es schmeckt dann nach Kellergewölbe und Flaschenbier, weniger nach Nachos und Pfandbechern mit Henkel. Bei „15 steps“ setzten sie dieses Stilelement ein und just ab diesem Zeitpunkt, war ich völlig gefangen. Sprachlos und paralysiert vom Rest des Abends.
Ich habe Radiohead unterschätzt, sehr unterschätzt. Vorher unterhielten wir uns noch darüber, ob Radiohead wirklich so wichtig sind, wie ich nicht glauben wollte, dass sie es sind. Nachher, oder besser gesagt nach zwei Stunden und einem famosen „Weird fishes“ muss ich alle Gedanken revidieren. Radiohead sind so bedeutend, wie man nur sein kann. Punkt.
Das erwähnte „Weird fishes“ und „Reckoner“ waren meine herausragenden Momente. Auf der Zugfahrt heim ließ mich dieser Intimgedanke des Konzertes nicht los. Wieso schaffen das Radiohead? Klar, wenn Coldplay Konfetti, Zweitbühne und Feuerwerk einsetzen, ist der Intimgedanke schnell verflogen. Wenn Muse das Klavier unter der Hallendecke aufbauen, auch.
Also weniger Schnickschnack gleich Intimität? So einfach ist es wohl auch nicht, ein bisschen was muss die Band noch dazutun und ein bisschen muss der Moment auch magisch sein.
Mit Caribou fing es schon gut an. Fünf Songs spielten die vier Mannen um Dan Snaiths. Was nach wenig klingt, waren immerhin fast fünfunddreißig Minuten Spielzeit; ein annehmbarer Wert für eine Vorband bei einem solchen Konzert. Vorne am Bühnen Rand standen sie eng beieinander, Schlagzeug und Keyboard nahezu umringend. So, wie man sie sich vorstellt. Mit „Odessa“ und „Sun“ endete ihr Set größtmöglich.

Der Kölner Stadtanzeiger umschreibt es heute Morgen passend:

Zuvor eröffnete Dan Snaiths, Doktor der Mathematik, mit seinem Elektro-Projekt Caribou. Vier Mann, die eng beisammenstehen und wie ein Körper grooven.

Radiohead starten mit drei Schlagzeugaufbauten in den langen Abend. Indirekt sind damit die Rahmenparameter gesetzt. Es soll eine Klangreise sondergleichen werden, ein Indiekonzert im Stadionformat.
Radiohead machen keine Mitklatschmusik und bieten keinen Bühneenschnickschnack im Grossformat. Wohl nur ganz selten sieht man in einer großen unbestuhlten Konzertarena so unbeweglich stehend und faszinierend starrende Menschen im Innenraum. Ungläubige Augen, offenen Münder, kontrolliertes Kopfschütteln im Takt nerviger Radiohead Sounds der letzten beiden Alben, es war immer das gleiche Bild, das ich erblickte. Gut, die beiden Teenagermädels vor uns ausgenommen, die waren anders unterwegs. Alle anderen ließen sich scheinbar genauso gerne wie ich faszinieren von einem zappelig tanzenden Thom Yorke und solide auftrumpfenden Gebrüdern Greenwood.
Was für ein Unterschied zu meinen letzten Liveerlebnissen mit Radiohead. Im E-Werk vor vielen Jahren waren sie noch die wilden Gitarrennerds, die einen überrollten und im Höhepunkt abrupt stehen ließen, oder in Oberhausen, als ich ähnlich verschnupft und erkältet wie gestern die Elektrophase der Band dazu nutzte, um entspannt auf einem Sitzplatz den größten Teil des Konzertes medikamentös dahinzudämmern.
Gestern war es irgendwie von beiden etwas, aber alles wirkte gereifter und etablierter. Will sagen: Radiohead haben die Jahre genutzt, um still und heimlich eine sehr große Band zu werden.
„The daily mail“, irgendwann im Zugabenteil eins gespielt, ist die Blaupause für vieles an diesem Abend. Thom Yorke sitzt am Klavier, den Rücken halb der Menge zugedreht und spielt die ersten Töne. Auf den Videoleinwänden wird sein Gesicht gezeigt, wie es sich fast in das Mikrofon gräbt. Es ist still in der Arena, alle starren gebannt auf die Bühne.
Dann setzt die Band ein, dann bricht der Jubel los. Einer von vielen magischen Momenten. Grossartig!
Das Konzert ist eine runde Sache. Wenn Thom Yorke ein Keyboard benötigt, wurde es reingetragen, wenn er sein Klavier braucht, wird es an den Bühnenrand geschoben. Den Fluss mindert all das nicht. Alles erscheint so selbstverständlich und leicht, erscheint ohne Stargetöse.
Ich studiere gerade die Setlist, die wirkt abgedreht. Gestern Abend sagte ich, dass ich spontan nur fünf Songs kenne. Beim Lesen der Songtitel komme ich nicht einmal auf diese fünf. Zu selten habe ich die letzten Alben gehört und zu lange ist das her. Egal, es spielte keine Rolle, nie wirkten (scheinbar) unbekannte Songs so vertraut und bekannt.

Oder wie Penny treffend fragte: ‚Wer ist Radiohead?‘ und Sheldon Coopers Antwort hätte lauten müssen: ‚Eine er wichtigsten Bands des Universums.‘

Konzert des Jahres!

Setlist:
01: Bloom
02: Lucky
03: 15 Step
04: Morning Mr. Magpie
05: The National Anthem
06: The Gloaming
07: Separator
08: Reckoner
09: Pyramid Song
10: These are my twisted words
11: Nude
12: Identikit
13. Lotus Flower
14. There There
15: Feral
16: Bodysnatchers
Zugabe I:
17: Weird Fishes/Arpeggi
18: Full Stop
19: The Daily Mail
20: Myxomatosis
21: Paranoid Android
Zugabe II:
22: How to disappear completely
23: Everything in Its right place
24: Idioteque

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. Gudrun

    Was für ein schöner Bericht! Das Bild oben ist auch toll. Ich glaube, ich hätte mich gegen Radiohead-Konzert entschieden hätte ich die wahl gehabt – und nach dem Bericht hätte ich es bereut… So kann ich mich einfach mitfreuen, dass Christoph und Du einen schönen Abend hattet (und noch ein paar andere).

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