Ort: Bürgerhaus Stollwerck, Köln
Vorband: Okta Logue

Portugal.The Man

Portugal. The Man verfolge ich seit ihrem Album “Waiter: „You Vultures!“. Das erschien 2006 und zeigte mir, dass auch 00er Jahre Rock eine glanzvolle Zeitlosigkeit haben kann. „Church mouth“, ihr zweites Album, hob die Messlatte noch einmal stark an. Seitdem veröffentlichen Portugal. The man Alben im Jahresrhythmus, 2013 stehen so sieben Alben auf der Habenseite. Ein irrsinniger Output, der sicher nur von dem Veröffentlichungswahn eines Rob Pollard überboten wird. Allerdings sehe ich die Qualitäten von Portugal. The Man derzeit weit grösser als die der letzten Guided by Voices Alben. Also war es eine leichte Entscheidung, sich auf ein Portugal. The Man Konzert festzulegen. Immerhin hatten wir die Amerikaner länger nicht mehr gesehen, und immerhin waren ihre letzten Konzerte herausragend spannend und kurzweilig. Beim Lesen der alten Berichte musste ich zwar sehr lachen, ob des Unsinns, den ich so schreibe, sie riefen mir aber auch die tollen Konzerte ins Gedächtnis zurück. Ha, dieser Blog erfüllt zu Hundertprozent seinen Dienst, denn genau aus diesem Grund habe ich ihn vor langer Zeit angelegt: Er möge mich an die vielen Konzerte erinnern und eine Art Konzertdokumentation sein. Was schrieb ich denn so über Portugal.The Man?

Wir einigen uns darauf, dass wir uns nicht einigen können und es keine Schublade gibt, in die Portugal.The man mit ihrem einsamen Prog-Rock hineinpassen. Einsamer Pro-Rock, auf diese zwei Begriffe können wir uns immerhin verständigen. (2007)
Und das man in seine Auftrittszeit von knappen 75 Minuten ganz viele Songs hineinpacken kann, zeigten Portugal.the man am allerdeutlichsten. Ich glaube, keine andere Band hat an diesem Wochenende mehr Songs gespielt als die fünf Männer aus Alaska. ,Ihr Rezept: Musik machen ohne Pausen und nicht labern. Oder wie Noel sagen würde: „Shut up and play ‚One‘.“ (2011)

Na, da hat sich ja in den Jahren nicht viel verändert. Gesprächig sind die vier Musiker immer noch nicht und das Ineinanderweben von Songs beherrschen sie nach wie vor perfekt. Da reicht ihnen niemand das Wasser. Nahezu unbemerkt stecken sie urplötzlich in einem anderen Song, lassen uns keine Atempause, sondern ziehen uns in den nächsten Hit. „Evil friends“, „Day man“, „So American“ und „People say“, en bloc. Das eine gleitet in das nächste. Applaus dann später, ein Ende der Songs gibt es nicht und so fehlt uns die Ruhe zum klatschen. Mehr als einmal frag ich mich, „geht das besser?“ Ich glaube nein, nicht im Indierock der ooer Jahre Was mir an diesem Abend wieder einfiel, und was ich – warum auch immer – zwischendurch blöderweise vergessen hatte – Portugal.The Man sind die Indierockband der letzten Jahre. Mehr Hits hat keine andere Band auf dem Kasten. Brachialkracher nannte ich „Church mouth“ vor Jahren. Das stimmt.
Leider spielten sie an diesem Abend nur andere Brachialkracher, das schöne „Church mouth“ ließen sie aus. Der einzige Wermutstropfen.

„Indie, Postcore, Electro-Pop, HipHop – und das alles im beschwingten 70er-Jahre-Retro-Soul-Kleid: Der Sänger und kreative Kopf John Gourdy mischt in seiner Genre-Zeichensprache neu und alt wie kein anderer, weshalb Portugal. The Man bisher erfolgreich außerhalb der Schubladen blieben. Aber wieso überhaupt lange kategorisieren, wenn das Hören einfach so viel Spaß macht?“

Ja, ihr schwer klassifizierbarer Rock ist irgendwie etwas Neues, Einzigartiges, Tolles. Für schöne 2 Stunden fesselten uns Portugal.The Man in einer sagenhaften Art und Weise, wie es nicht viele Musiker hinbekommen. Mit „All your light“ „So american“ „People say“ hatten sie die Wohlbefindlichkeitsatmosphäre schnell erzeugt. Und das, ohne besonders spektakulär aufzutreten. Gitarren, Schlagzeug, Keyboard. Manchmal kann alles sehr einfach sein. Ach, und “Sleep forever” von In the mountain in the cloud. Großartig! Die neuen Stücke fand ich live viel poppiger und weniger 60s lastig als die älteren Sachen. Auf Platte ist mir das gar nicht so aufgefallen. „Hip hop kids“ zum Beispiel. Wie locker und catchy es herüberkam, eine große schöne Überraschung.
Zum Ende des Abends bedankten sich Portugal.the man ausgiebig: Gerade in Deutschland hätte man sich ja schon für die Band interessiert, als sie in den USA und anderswo noch niemand hören wollte. Das hätte man immer im Gedächtnis und es wäre jedes Mal ein gutes Gefühl, in Deutschland live zu spielen.
Bei diesen Worten musste ich sofort an „Singles“ denken. Dort stellt die in Seattle nicht erfolgreiche Band Citizen Dick ernüchternd fest, dass ihr aktuelles Album in der heimischen Musikpresse ordentlich verrissen wurde, aber in Belgien auf einer Chartsposition einstieg. „Aber in Belgien sind wir groß,“ wie Matt Damon im Film verpeilt feststellt. Mittlerweile sind Portugal.the man auch in den USA und anderswo erfolgreich. Ihr aktuelles Album „Evil friends“ landete in den TOP 30. In nehme das mal als Erfolgsbeleg, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob Chartspositionen über Albenverkäufe noch irgendeine Aussage besitzen.
Live wissen sie jedoch immer zu überzeugen. Auch mein viertes Portugal.The Man Konzert ließ mich mit offenem Mund zurück. Ihr monotoner Rock begeisterte mich enorm. An dem guten Abend konnten auch die stickige Luft im Bürgerhaus und Okta Logue nichts ändern. Die Vorband passte musikalisch sehr gut zu Portugal.The Man, nur leider trafen sie mit ihrem Bluesrock überhaupt nicht meinen Musiknerv.
Zur Zugabe gab es das Beatles Cover „Helter Skelter“ in der typischen Portugal.the man Tonierung. Das spielen sie schon seit längerer Zeit live; unaufgeregt und gitarrenrobust haben sie es in “The Devil” integriert. Das gute Ende eines unterhaltsamen Abends.

„It’s complicated being a Wizard“ so heisst die zweite EP von Portugal.The Man. Es ist sicher auch kompliziert, Portugal.The Man zu sein. Stell dir vor, du machst die beste Indierockmusik der letzten 7 Jahre und keiner kriegt es mit.

Kontextkonzerte:
Portugal.The Man – Rolling Stone Weekender, 11.11.2011
Portugal.The Man – Köln, 25.09.2008
Portugal.The Man – Köln, 10.09.2007

Dieser Beitrag hat 4 Kommentare

  1. Anonym

    Super Konzert, großartige Band und eine tolle Zusammenfassung von dir!
    Weißt du zufällig noch, wie das erste Lied der Zugabe hieß?

  2. frank

    War das nicht The devil, dass dann in Heltker Skelter überging? oder kam da noch eins davor? Ach, ich weiss es nicht mehr…

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