Ort: Kantine, Köln
Vorband:

Metric

2009. Als ich Metric zum letzten Mal live sah, war es anders. Damals stand die Band aus Kanada vor ihrem Durchbruch, spielte Indiepop an der Grenze zum Mainstream und füllte das Luxor gerade einmal zur Hälfte. Mittlerweile müssen Emily Haines und Kollegen im großen Popgeschäft angekommen sein, zumindest in den USA. So mein Kurzfazit nach einem ziemlich genau handgestoppten 90 Minuten Metric Stadionrockkonzert in der Kölner Kantine.
2015. Sehr früh im Jahr entschied ich mich zu diesem Konzertbesuch. Metric sind nicht so oft in Deutschland. Da muss ich die Gelegenheit nutzen. Die letzte Tour ist gefühlt Jahrzehnte her, ein einzelnes Konzert fand seither nur in Berlin statt.
In den letzten Tagen unterhielt ich mich sehr oft über Konzerte, Konzertfahrten und -besuche. Das wieso weshalb warum stand dabei allerdings nicht zu Debatte, eher das, was einen so bewegt, wenn er ein Konzert besucht, was er mitnimmt, welche Erwartungen man hat, wie sich die Vorfreude äußert. All die kleinen Nebensächlichkeiten, die auch mich vor und während eines Konzertbesuches beschäftigen. Das Fazit unter all dem lautete unison: Ein Konzert ist ein Konzert ist ein Konzert. Es kann mich nie enttäuschen. Es gibt immer irgendwas, was interessant ist, was Spaß macht, was den Ticketkauf und all den Aufwand rechtfertigt. Egal ob die Band nun einen guten Tag erwischt hat oder nicht. Natürlich ist die Musik und der Musiker der wichtigste Bestandteil eines Konzertbesuches, aber er ist nicht der einzige. Manchmal ist es genauso wichtig, oder gar wichtiger, mit wem man ein Konzert besucht, was Drumherum so passiert und wie man das alles erlebt. Passt es, oder passt es nicht. Eine Band kann noch gut sein, wenn der Nebenmann oder die Anreise nervig waren, wird es nie und nimmer ein gutes Konzert. Andersrum ist es genauso: Verlebt man vor und nach dem Konzert ein paar schöne Augenblicke, dann ist das, was auf der Bühne passiert, schon fast wumpe.
An diesem Freitag waren die Voraussetzungen klar. Ich hatte grundsätzlich keine Erwartungen an das Konzert und auch keine an die Begleitumstände. In der Kantine war ich lange nicht mehr, die Konzerte dort liefen etwas abseits meines Musikhorizontes und ich konnte mich überhaupt nicht an den Ort erinnern.
‚Ach, das ist ja schön hier‘, positiv überrascht wurde ich von dem Konzertsaal und dem gesamten Gebäudekomplex. So sah das hier nochmal aus. Gemütlich. Da das Konzert zwar gut besucht, aber nicht überlaufen war, legte sich sofort eine ruhige und entspannte Stimmung auf den Abend. Es störte auch nicht, dass ich ein paar Minuten zu spät kam. Anstoß war laut Aushang um 19.30 Uhr, ich war um kurz nach acht vor Ort. Eine mögliche Vorband wollte ich mir schenken. Da ich mit meinen Metric Konzertplänen alleine da stand, also niemand Bekanntes antreffen würde, schien mir das eine gute Option. Und so wichtig war mir das Konzert nicht, es unbedingt aus Reihe eins bis fünf sehen zu müssen.
Eine Vorband gab es aber scheinbar nicht. Um viertel nach acht war es ruhig auf der Bühne, das Equipment für Metric stehen fein säuberlich aufgebaut: die beiden mit Flokati verkleideten Keyboards, das Schlagzeugset im Hintergrund, die Windmaschinen. und nichts deutete darauf hin, dass vorher eine Band gespielt hatte. Aufgrund des Zeitplans mit nachfolgender Ü40 Disco war auch keine mehr zu erwarten.
Ich positionierte mich gemütlich im vorderen Bereich und wartete auf den Konzertbeginn. „Sind aber ganz schön viele Männer hier“. Hinter mir begann ein Gespräch zwischen drei Leuten, dass ich unfreiwillig mitbekam. Bei Beach House wird der ein oder andere von ihnen auch sein, eine Information, die mich in meinem Glauben unterstützte, Metric immer noch in die richtige Musikerkategorie eingeordnet zu haben. In die des Indiepop. Denn ja, eigentlich kenne ich die Kandier nicht, oder nicht mehr. Grow up and blow away sowie Fantasies markieren den Zeitrahmen, in dem ich Metric verfolgte. Das ist nun schon über sechs Jahre her. Die beiden letzten Alben Pagans in Vegas und Synthetica sind mir vollkommen unbekannt. Sind Metric also immer noch dieser Indiepop von „Help, I’m alive“ oder sind sie mittlerweile irgendwas zwischen Indiepop und Formatradio, also in der belanglosesten Schublade aller Kategorien des Pop, angekommen?
Ich wusste es wirklich nicht, ich war sehr gespannt.
Am Publikum konnte ich es nicht ausmachen, es ist enorm unterschiedlich. Also warte ich mal darauf, was auf der Bühne passiert. Als das Licht ausgeht erscheinen vier Gestalten in Bären- und Fuchskostümen, und leuchten der Sängerin Emily Haines den Weg. Nachdem die Bärchen die Bühne verlassen haben startet der Opener „Lie lie lie“ und ich sehe die Sängerin genauer. Sie sieht toll aus! Natürlich! Sie trägt einen pfauenartigen Umhang, an dessen Ende leuchtende Lämpchen die Pfauenaugen symbolisieren. Das ist schon mal die ganz große Show. In den nächsten 85 Minuten wird Emily Haines noch ein paar Mal ihren Umhang wechseln. Madonna würde vor Neid erblassen!
Musikalisch ist es Poprockig. Nicht zu seicht, nicht zu wild. „Help, i’m alive“, das Metric Stück, an das ich die beste Erinnerung habe, kommt früh als drittes oder viertes Stück. Der Abend nimmt nun langsam an Fahrt auf, und es wird eine kleine Stadionshow. Das Bühnenlicht ist enorm hell, die Sängerin immer gut ausgeleuchtet. Ihre Mitmusiker bleiben dezent im Hintergrund, nur ab und an wagt sich Gitarrist und Co-Bandgründer James Shaw an den Bühnenrand. Dann wird es mir für einige Minuten enorm poppig-peinlich, seine Gitarrensoli sind mir einen Tick zu lang und etwas zu häufig. Die Soli stören aber nur wenig, denn von Minute zu Minute wird mir klarer, wie viele heimliche Hits die Band mittlerweile hat: „Satellite mind“, „Black Sheep“ oder “Collect call” von der Fantasies Platte zum Beispiel, oder „Gold guns girls“ sowie die aktuelleren „Youth without youth“, „Synthetica“ und „The Shade“.
Das Konzert rutscht in einem durch. Nach nahezu jedem Song verlässt Emily Haines kurz die Bühne, um mit leicht verändertem Outfit wiederzukommen. Zu – ich glaube – “Celebrate”, einem feinen Melt- Festival Elektrostampfer trägt sie einen seidenen Umhang, die Windmaschine vor ihr bläst ihn permanent in die Höhe. Die Band trägt dazu mit kleinen Leuchtdioden versehene Brillen. Es ist der Höhepunkt der Stadionrockshow. Hier ist alles bis auf das kleinste durcharrangiert. Metric liefern ein Popcornkonzert bester Güte. Ich fühle mich damit leicht überfordert, genauso wie mit dem nachfolgend auf Deutsch übersetzten Songzeilen von „Cascades“. Emily Haines singt sie von einem Zettel ab, nur begleitet vom Gitarrenspiel James Shaws.
Nach ziemlich genau einer Stunde ist das Konzert vorbei. Es folgte ein ausufernder Zugabenblock mit vier Songs und der – trotz Bärchenparade zu Beginn – irritierendsten Performance des Abends: Emily Haines steht am Bühnenrand, ein Ventilator bläst ihr so ins Gesicht, dass ihre Haare nach hinten wehen. In diesen Minuten sieht sie aus wie Helene Fischer. Der Song klingt ähnlich. Wie gesagt, ein absurder Augenblick.
Das abschließendes „Breathing Underwater“ ist dann wieder versöhnlicher. Es markiert das endgültige Konzertende eine Viertelstunde vor Discobeginn.
Und in welche Schublade gehören Metric jetzt? Um ehrlich zu sein, ich habe keine Ahnung. Oder, um es in Anlehnung an den Schlusssatz des literarischen Quartetts zu sagen: ich sehe betroffen den Vorhang zu und alle Fragen offen.
Vielleicht sollten sie Madonna supporten. Das würde passen. Nein, nicht vielleicht!

Kontextkonzert:
Metric – Köln, 05.05.2009 / Luxor

Fotos:

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