Ort: Live Music Hall, Köln
Vorband: The Fog Joggers

Manic Street Preachers

James Dean Bradford kommt als erster auf die Bühne. Leise spielt er die ersten Takte von „Elvis Impersonator: Blackpool Pier“. Post-Punk, Hardrock. Irgendwas dazwischen. Die Manic Street Preachers stammen aus Wales, und ihr Rock war immer ein bisschen rauer als der der anderen britischen Bands. nein, Britpop waren die Waliser nie. Gerade in den Anfangsjahren hatten die Manic Street Preachers damit quasi ein Alleinstellungsmerkmal, erst mit dem in zwei Jahren 20 Jahre alt werdenden This is my truth tell me yours wurden sie poppiger.

Everything must go wurde 1996 veröffentlicht. Es ist das bis dahin erfolgreichste Album der Band, die Manic Street Preachers gewannen in diesem Jahr den Brit Award doppelt (bestes Album, beste Band) und sie waren das non-plus-Ultra der rockigeren britischen Popmusik. Mystery Ereignis inklusive: ihr Gitarrist und Songschreiber Richey Edwards verschwand ein Jahr zuvor auf unerklärliche Art und Weise und gilt seither als verschwunden.
Richey Edwards schrieb noch drei Songs von Everything must go. Lange war nicht klar, ob das Album von den übrigen Bandmitgliedern James Dean Bradfield, Nicky Wire und Sean Moore je fertiggestellt werden würde und ob die Band überhaupt weitermacht. Sie machten beides, wurden eine der populärsten Bands Großbritanniens. Everything must go wurde ihr Wegbereiter.
Im Mai feiert Everything must go 20. Geburtstag. Das wiederum ‘feiern‘ die Manic Street Preachers mit einer opulenten Konzerttour, auf der sie das Album in volle Länge spielen. Und sie spielen nicht nur die Songs des Albums, sie spielen die Songs auch in entsprechender Reihung. Das für und wider solcher Konzerte wird einem rasch offensichtlich: Was, wenn ein Album nur drei Hits hat und sonst nur Langweiler? Was, wenn die besten Stücke schon am Anfang des Albums kommen und im Konzert somit sehr früh gespielt werden müssen? Dramaturgisch ist das suboptimal. Den letzten Punkt entschärften die Manic Street Preachers ein bisschen dadurch, dass sie nach der Album-Session eine Hits-Session anschlossen.
Everything must go hat seine besten Songs direkt zu Beginn: „A design for life“ und „Kevin Carter“, was damals mein erstes absolutes Lieblingslied der Platte war, sind nach einer Viertelstunde durch. „Everything must go“ 10 Minuten später. Damit war für mich der Albumdrops fast gelutscht. Warten musste ich jetzt eigentlich nur noch auf „Australia“, mein zweites absolutes Lieblingslied der Platte. Ich tat dies mit wachsender Begeisterung, denn die längst vergessenen Stücke wie „Enola/Alone“ oder „Small black flowers that grow in the sky“ machten mir überraschend großen Spaß.
Mehr und mehr verabschiedete ich mich innerlich von meinem ursprünglich gefasten Plan, nur die Albumsequenz des Konzertes zu hören. Allein meine Gänsehaut bei „Kevin Carter“ wäre das ausreichende Argument gewesen, nicht vorzeitig zu gehen. Aber ich war etwas müde von den beiden Vorabenden und als ich im Vorfeld gesehen hatte, dass das Konzert zweigeteilt ist, erschien es mir eine gute Idee zu sein, nach Teil eins zu gehen.

„This was the Album minus 1”, die Album-Session ist beendet. Alle bis auf James Dean Bradfield haben die Bühne verlassen. Neben den beiden Urmitgliedern Nicky Wire und Sean Moore bildet sich die Band live zusätzlich aus einem Keyboarder und einem weiteren Gitarristen. Der Sänger steht nun etwas verlassen an seinem Mikrofon und klimpert ein paar Takte auf seiner Gitarre. Sind das Anklänge von Guns’n’Roses „Patience“? Höre ich da richtig? Ja, sie sind es.
Das klingt nicht nur absurd, das war es auch. James Dean Bradfield spielt „Patience“ nur kurz an, dann kommt die Band wieder zurück. Nicky Wire hat sich für den zweiten Hits-Teil der Show extra eine andere Jacke übergezogen und die Haare nachtoupiert. Jetzt sieht er noch mehr aus wie Sid Vicious.
„Suicide is painless“ ist der erste Hit, den die Manics präsentieren. Ich scharrte eigentlich schon mit den Füssen, entschied aber, hier noch nicht zu gehen. „Suicide is painless“ ist toll und weil ich diesen Song nun wirklich länger nicht mehr gehört hatte, blieb ich noch. Auch das nachfolgende „Motorcycle emptiness” nahm ich noch mit. Das ist einfach zu gut und zu tanzbar, um es auszulassen. Es wäre eine Schande, dieses zu tun!

Dann aber war es an der Zeit. Ich hatte an diesem Abend alles gehört, was ich hören wollte. Everything must go – also das Album – war mein Antrieb für diesen Konzertbesuch. Darauf freute ich mich, das wollte ich hören. Alles andere war mir nicht so wichtig. Mehr musste es nicht sein.
Danke liebe Manic Street Preachers. Wir sehen uns in 2 Jahren zur nächsten Albumtour. Dann freue ich mich auf „If you tolerate this“ und vor allem auf „Born a girl“.

Vor den Manic Street Preachers spielten die The Fog Joggers aus Krefeld. ‚Man würde ja nicht jeden Montag die Gelegenheit, vor den Manic Street Preachers zu spielen‘, so Sänger Jan Büttner. Ich kannte diese Band nicht.  Nach drei, vier Songs bekam ich eine Ahnung, wer auf der Bühne steht. Powerpop sagte man früher. Die Fog Joggers klangen wie eine dieser deutschen Jungsrockbands. Madsen, Sportfreunde Stiller. Zwischendurch erkannte ich einen Song, ich glaube aus der Fernsehwerbung. In der Summe: so verkehrt war das nicht.

Kontextkonzert:
Manic Street Preachers – Köln, 22.04.2012

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