The year last.fm broke
Last.fm war so etwas wie mein Rettungsanker. Mein Logbuch im Dschungel der Konzertveranstaltungen. Meine Datenbank, mein Terminplaner. Mit last.fm habe ich meine Konzertbesuche archiviert und Wochen und Monate im Voraus die umliegenden Städte und deren Klubs nach Wochenendausflügen und lohnenswerten Konzerten durchforstet. Mindestens alle 6 Wochen saß ich Sonntagnachmittags vor der last.fm Eventseite, stellte meinen Suchradius auf Köln plus 150 km und klickte mich durch die aufgelisteten Veranstaltungen. Ich taggte besuchte Konzerte mit „ich war da“ oder „ich geh hin“, ich nutzte die Plug-ins für eine Balkendiagrammdarstellung meiner Konzertaktivitäten pro Wochentag, recherchierte lang zurückliegende Konzerte, um meine Liste peu a peu zu vervollständigen. Was, wann, wo? Schneller konnte ich das nirgends recherchieren. Wie viele Konzerte besuchte ich 2013? Last.fm wusste es, weil ich dort meine Daten pflegte. Eine eigene Exceltabelle musste ich nicht erstellen, alles war bei last.fm viel besser und einfacher aufgehoben.
Mitte des Jahres änderten die Betreiber das Seitenlayout, nahmen Modifikationen vor, die keine Verbesserungen waren. Und plötzlich war alles weg. Eine Suche nach Konzerten außerhalb des Wohnortes? Nicht mehr möglich. Alte Konzertbesuche dem eigenen Profil hinzuzufügen? Nicht mehr möglich. Die alten Plug-ins weiterhin einbinden? Nicht mehr möglich. Viele meiner Einstellungen waren weg. Einfach so.
Ich ärgerte mich nicht allein. Die Nutzergemeinde lief Sturm, bisher jedoch ohne Erfolg. Seit Monaten passiert bei last.fm nichts mehr. Es scheint so, als ob die Webseite im Stillstand verharrt. Und Stillstand im Internet bedeutet ein leiser Abschied. Und so nutze ich last.fm kaum noch, obwohl ich bisher keinen Ersatz gefunden habe (Songkick und all die anderen haben auch so ihre Kinken). Schade ist das. Und ärgerlich. Denn ich verlor auch die Übersicht. Einen Überblick über meine besuchten Konzerte 2015, ich habe ihn nicht mehr (auf die Schnelle).

Daher schreibe ich meinen Jahresrückblick aus dem Gedächtnis. Unabhängig von last.fm ist das vielleicht sowieso das Beste. Keine Statistik zwingt mich zum nachdenken, kein ‚ach ja, da war ich ja auch noch‘ Konzert verwässert meinen Jahreseindruck.
Denn und überhaupt, die guten Konzerte sind eh‘ im Kopf abgespeichert, die weniger guten auch. Alles, was dazwischen liegt, war schlussfolgernd nicht lebensentscheidend. Aber natürlich unterhaltsam. Und mehr muss ein Konzert vielleicht auch nicht leisten.

Die Gruppe der unterhaltsamen Konzerte 2015:

Deerhoof – Berlin, 16.02.2015
Archive – Köln, 04.03.2015
Starsailor – Bochum, 24.10.2015

Die unvergesslichen Konzerte 2015:
Unbedingt und definitiv dEUS in Ostende. Das Konzert des Jahres. Wenn man ein großer Fan einer Band ist, dann freut man sich über jedes Konzert, das man von seiner Lieblingsband besuchen kann. dEUS zähle ich zu meinen uneingeschränkten Lieblingsbands. Umso schöner, sie in einem eher ungewöhnlichen Rahmen in einem Konzertsaal in geringerer Lautstärke erleben zu dürfen. Dazu das alles in einem Küstenort voller Beton-Schönheiten und bei bestem Nordseewetter. Ein traumhafter Ausflug und ein wunderbares Konzert.

dEUS – Ostende, 12.12.2015

Unbedingt und definitiv Madonna. Endlich. Was mir in den 1990er Jahren nicht gelungen ist, wurde im November 2015 Wirklichkeit. Ich sah Madonna. Es war toll. Ich war glücklich. Juhu.

Madonna – Berlin, 10.11.2015

Unbedingt und definitiv das Primavera Sound Festival. Meine besten Konzerttage des Jahres finden immer im Mai und immer in Barcelona statt. Wie jedes Jahr unvergleichlich gut.

Primavera Sound Festival – Barcelona, 27.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 28.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 29.05.2015
Primavera Sound Festival – Barcelona, 30.05.2015

 

 

 

 

Unbedingt und definitiv Destroyer. Am Tag danach. Nach der Paris Sache. Eigentlich wollte ich zum Konzert, dann aber wieder auch nicht. Schlussendlich bin ich gefahren. Belohnt wurde ich vielleicht mit dem Konzert des Jahres. Destroyer zählen definitiv zu meinen Entdeckungen des Jahres, ihr Album Poison season ist unglaublich. Ich liebe „Bangkok“.

Destroyer – Köln, 14.11.2015

Unbedingt und definitiv Sleater-Kinney. Scheinbar braucht seit einigen Jahren jedes Konzertjahr seine Reunion. 2015 waren Sleater-Kinney an der Reihe. Dreimal sah ich die Damen, zweimal fand ich es überragend: Antwerpen und Berlin waren sagenhaft. Ihr Festivalauftritt in Barcelona konnte dagegen nicht anstinken. Machte aber nichts, denn auf dem Primavera gab es wie immer andere Stimmungsaufheller, und 2015 auch Ride. Oh Ride, sie waren gut, verdammt gut! Und nebenbei gesagt die zweite Reunion des Jahres.

Sleater-Kinney – Berlin, 18.03.2015
Sleater-Kinney – Antwerpen, 21.03.2015

Unbedingt und definitiv Evan Dando. An diesem Abend bekam der Lemonheads Sänger nicht genug. Unspektakulär wurde sein Konzert angekündigt (er würde ein paar Songs auf der akustischen Gitarre spielen) und ich war nur vor Ort, weil an diesem Abend in Berlin nichts Spannenderes anstand). Vorsichtige Schätzungen am Tag danach gingen von 60 Songs aus, die Evan Dando im Berliner BangBang Club gespielt hat. Es war der Wahnsinn, ein nie aufhören wollendes Konzert. Von Evan Dando hätte ich das als allerletztes erwartet.

Evan Dando – Berlin, 17.03.2015

Und sonst?
Stars, Interpol, Waxahatchee. So begann das Jahr im Januar. Viel besser geht es eigentlich nicht. Das Frühjahr hielt den Level mit den besagten zwei Sleater-Kinney Konzerten, einem entfesselt aufspielenden Benjamin Booker, sagenhaft lauten Swans und einem grandiosen Ghostpoet.

Benjamin Booker – Dortmund, 10.03.2015
Ghostpoet – Köln, 08.05.2015
Swans – Dortmund, 15.05.2015

Alles war super, aber nichts gegen diese eine Woche im November: 6 Konzerte in 6 Tagen. Ich beneide mich selbst sehr um diese eine Woche. Ursprünglich wollte ich nur Madonna sehen, aber nach und nach häuften sich die anderen Konzerte um diesen Termin, so dass aus einem Konzertabend sechs Stück in Folge wurden. Da passte aber auch alles: Stadionkonzert, kleiner Laden, Lieblingsbands, altes und neues. Sowas sollte ich wahrlich öfter machen.

Death cab for cutie – Berlin, 09.11.2015
Madonna – Berlin, 10.11.2015
New Order – Berlin, 11.11.2015
Chelsea Wolfe – Berlin, 12.11.2015
Built to Spill – Köln, 13.11.2015
Destroyer – Köln, 14.11.2015

2015 war auch irgendwie das Jahr der Festivals. Primavera, klar. Das geht seit Jahren immer. Aber ich entdeckte auch neue Festivals. Das umsonst und draußen Ding gleich hinter der Grenze in Maastricht. Gemütlich und übersichtlich, aber mit gutem Bandaufgebot. Sophia waren an einem Freitagabend ein guter Co-Headliner und aus zeitlichen Gründen leider die einzige Band, die ich beim Bruis Festival sehen konnte. Oder die erstmalig stattfindende PopKultur im Berliner Berghain mit Hinds, Isolation Berlin, Neneh Cherry und Schnipo Schranke. Für Berlin untypisch gut organisiert und überraschend unaufgeregt, dafür mit vielen tollen neuen und jungen Bands.

25 Jahre Cityslang Festival – Bochum, 15.08.2015
Pop-Kultur Festival – Berlin, 26.08.2015
Pop-Kultur Festival – Berlin, 27.08.2015
Bruis Festival – Maastricht, 04.09.2015

Im November dann noch Utrecht. Das Le Guess Who! Das Le Guess Who! Das Le Guess Who! Wow! Was für ein super Indoor-Festival. Die vier Tage im Konzertkaufhaus der Tivoli Vredenburg vergingen wie im Rausch. Musikalisch abwechslungsreich, enorm unterhaltsam. Da will ich wieder hin! Unbedingt.

Le Guess Who? – Utrecht, 19.11.2015
Le Guess Who? – Utrecht, 20.11.2015
Le Guess Who? – Utrecht, 21.11.2015
Le Guess Who? – Utrecht, 22.11.2015

2015, auch du warst ein gutes Konzertjahr. Dafür sorgten auch Benjamin Clementine, Grant-Lee Phillips und Sufjan Stevens.

Sufjan Stevens – Essen, 19.09.2015
Grant-Lee Phillips – Köln, 10.10.2015
Benjamin Clementine – Köln, 10.12.2015

Ach ja, meine meistgesehene Band 2015 waren übrigens PiNS aus England. Sachen gibt’s.

Sleater-Kinney – Berlin, 18.03.2015
Sleater-Kinney – Antwerpen, 21.03.2015
PINS – Berlin, 25.09.2015
Best Coast – Köln, 02.11.2015

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