Morgens machte ich meine Abendplanung öffentlich. Beim täglichen Gezwitscher fragte ich kleinlaut „Laura Veirs im Stadtgarten oder KDD auf arte?!“. Diese mehr rhetorische Frage veranlasste die Bloggerkollegen von den whitetapes zur Antwort: „laura veirs, schließlich geht die dame ja bald in mutterschutz“ und Freund Eike prustete gar entrüstet (also wie man so per Tastatur prusten kann): „also, bitte! was auch immer kdd ist, laura geht vor!“.
Nun, KDD ist der Kriminaldauerdienst, eine der besseren, wenn nicht die beste deutsche Polizeiserie im Fernsehen. Ich empfehle dringend ein Auge zu riskieren (sehr großartig: Manfred Zapatka als Polizist Jan Haroska). Das der Vollständigkeit halber.

Aber die beiden haben natürlich recht: Laura geht vor!
Laura Veirs ist eine Zufallsentdeckung. Vor einigen Jahren hörte ich einen ihrer Songs, „Galaxies“, und war sehr angetan. Kurz darauf, wie das dann immer so ist, spielte sie im Kölner Gebäude 9. Aus Neugierde fuhr ich hin, und war noch stärker angetan. Seitdem verfolge ich interessiert das Tun der jungen Frau aus Portland, sah sie live noch das ein oder andere Mal, und war von Konzert zu Konzert mehr angetan.
Ich habe ja so was von keiner Ahnung, wie man sich im letzten Drittel einer Schwangerschaft fühlt, aber einfach stelle ich es mir nicht vor. All das extra Gewicht, die körperlichen Belastungen müssen groß sein, schon daheim, in vertrauter Umgebung, mit Lieblingssofa und bequemen Bett. Und wie ist das erst unterwegs? Nicht, dass die Betten in der Fremde pauschal als unbequem zu bezeichnen sind, aber jede Nacht woanders, Tage im Tourbus, Abende auf der Bühne. Laura Veirs, im „siebten oder achten Monat schwanger or whatever“ ist unterwegs. Erst in Europa, jetzt räumlich begrenzter in Deutschland und anschließend noch vier Wochen in den USA. Ich habe höchsten Respekt.
“July Flame“, ihr mittlerweile siebtes Album, ist dieser Tage erschienen. Und nun die Tour zum Album. Die Termine standen lange fest, groß war die Vorfreude. Das Studio 672 im Kölner Stadtgarten ist nicht sonderlich groß, 100 bis 150 oder 200 Leute (ach, ich kann schlecht schätzen) mögen im Saal sein, als ich kurz vor Konzertbeginn eintraf. Bekannte Gesichter sah ich keine, das schmuddelige Wetter hatte sie scheinbar von der Anreise abgehalten.
Laura Veirs und Band kamen aus Brüssel. “Der große Vorteil am touren in Europa seien die kurzen Wege“, erzählte sie irgendwann. “Zweieinhalb Stunden von Brüssel nach Köln, das sei toll, da hätte man noch viel Zeit. In den USA seien sie oft acht Stunden unterwegs, und ein Konzert nach einer solch langen Autofahrt sei manchmal eine Qual.“ Wenn es nach ihr ginge, würde sie die USA teilen. Washington, Oregon und Idaho könnten ein Land bilden, Cascadia könne es heißen (in Anlehnung an den Cascadia State Park?!), und dann würden sie nur dort touren, und in Europa. Laura scheint sich wohl zu fühlen auf dem alten Kontinent. Sie erwähnte noch irgendwas von gutem Feedback und nettem Publikum und so.
Bevor Laura Veirs ans Mikrofon trat, überließ sie die Bühne zweien ihrer drei Bandmitglieder. Nelson (aka „The old believers“) und Eric (aka „Cataldo„) eröffneten den Abend. Erst Nelson, der ursprünglich aus Alaska stammt, und anschließend Eric. Jeweils solo und mit Gitarre. Akustisch, elektrisch oder in Banjoform, ganz nach Belieben. Mal zum mitwippen, mal zum schmunzeln, mal zum langweilig in die Gegend gucken. Leicht zu erraten: amerikanischer Folkpop war angesagt. Da beide aber unterschiedliche Stilrichtungen verfolgten, ich mir zumindest einbilde, unterschiedliche „Herkunftsformen“ erhört zu haben, war die knappe Stunde unterhaltsam.
Dann Laura Veirs. Zuletzt hatte ich sie auf ihrer Solo Tour gesehen, was einen durchaus berechtigten Charme hat. Aber mir sind Bandkonzerte lieber als Soloartisten, und daher freute ich mich, dass sie diesmal nicht alleine unterwegs ist. Auch finde ich, dass ihre Songs im Gruppengewand noch schöner klingen. Ihre Band bestand aus den bereits erwähnten Nelson und Eric, sowie der Violistin Alex.
Alex spielte denn auch meistens Violine, aber manchmal auch Keyboard. Eric spielte manchmal Bass, oft Becken und kleine Trommel und nie Keyboard. Nelson spielte manchmal Keyboard, selten Becken und kleine Trommel und oft Gitarre. Es gab ein munteres Plätzewechselspielchen, an dem nur Laura Veirs nicht teilnahm. Sie blieb bei Gitarre und einmal Banjo.
Ein Veirs Konzert gleicht einem Veirs Album. Auf den ersten Blick ist es nett und unscheinbar, aber nach ein zwei Stücken entwickelt es einen so enormen Charme, eine so lockere Leichtigkeit, dass es unmöglich ist, nicht in den Bann gezogen zu werden. Diese kleine junge Frau mit hübscher Brille schafft es, mit feinen Folkpopsongs eine betuliche und harmonische Stimmung aufzubauen, die mich jeglichen Alltagsstress vergessen ließ. Und die Ihresgleichen sucht! Gebannt lausche ich ihren Songs, “Live is good blues“ und das catchy “July Flame“ mit der wunderschönen Gitarrenlinie sind erste Aufhörer. Zwischendrin schnallt sie sich das Banjo um, und singt einen Song aus ihrem Seitenprojekt „Two beers, Veirs“: „The Coo Coo Bird“, oder „The Cuckoo“ ist ein alter englischer Folksong und ihr “Seitenprojekt“ eine Hommage an alte Folksongs. Die 2008 veröffentlichte EP Two beers, Veirs (also das “sideproject“) ist voll mit solchen traditionals.

Das Kuckuckslied blieb nicht die einzige Fremdinterpretation des Abends. Kurz vor dem fulminanten „I can see your tracks“ gab es den Fleetwood Mac Song „Never going back“. Man hörte, dass es kein Laura Veirs Song ist. Die Stücke läuteten das Ende des regulären Sets ein. Laura Veirs hatte ihre Ankündigung wahr gemacht. “Wir spielen hauptsächlich Songs des neuen Albums“, sagte sie zu Beginn. Und tatsächlich, bis auf den Mittelblock um “Silo Song“, “Little Deschutes“ und “Summer Is The Champion“ kam das gesamte Album zum Einsatz.

Blieb noch eine Frage offen: Junge oder Mädchen? „Wir wissen es nicht, und wollen es auch nicht wissen“, entgegnete Laura.
Hoffentlich hört der Nachwuchs später nicht deutschen Schlager oder David Hasselhoff (ach, ist das gleiche!). Es wäre den Eltern nicht zu wünschen.

Setlist:
01: Carol Kaye
02: Cast a hook
03: Spellunking
04: Live is good blues
05: Sun is king
06: Where are you driving
07: The Coo Coo Bird
08: Wide-eyed, legless
09: July Flame
10: Make something good
11: Through the glow
12: To the country
13: Never going back
14: I can see your tracks
Zugabe:
15: Sleeper in the valley
16: Rapture

Multimedia:
Fotos: frank@flickr

Kontextkonzerte:
Laura Veirs – Toronto, 24.05.2008
Laura Veirs – Köln, 18.04.2007

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. e.

    schöner bericht, frank! der mich noch mehr hadern lässt, dass laura nicht bei uns auftaucht. sehr ärgerlich. aber vielleicht hat sie gehört, dass das münchner publikum nicht ganz so euphorisch ist. im übrigen wurde das neue album sehr schön mit weiteren songs garniert, tolle setlist. hätte mir auch viel freude bereitet.

    1. frank

      Danke sehr! Freut mich, dass er dir gefällt.

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