Ort: Palladium, Köln
Vorband: Tamie T.

Fever RayFever Ray sind mir nur bekannt als quasi Nachfolgeband der schwedischen Elektropopband The Knife. Nachdem die Geschwister Karin und Olof Dreijer 2014 The Knife auflösten, machte Karin Dreijer einfach alleine weiter. Beziehungsweise konzentrierte sie sich ab da auf ihr Soloprojekt Fever Ray, ein erstes Album Fever Ray als Fever Ray hatte sie bereits 2009 veröffentlicht; zu einer Zeit, als The Knife noch existierten. Im letzten Jahr erschien dann relativ kommentarlos Plunge, das zweite Album von Karin Dreijer als Fever Ray.
Soweit die Discographie der Schwedin, die in der Elektro- und  Avantgardepopwelt eine große Nummer ist.

Ursprünglich hatte ich das Fever Ray Konzert nur halbherzig auf meiner März Konzertagenda. Ich würde bzw. könnte sie auch noch in Barcelona sehen, warum also ins Palladium. Als ich dann aber Mitte letzter Woche Konzertentzugserscheinungen hatte und am Wochenende keine anderen Termine anstanden, rückte auch Fever Ray wieder in meinen Fokus. Auch, weil zeitgleich im Gebäude 9 eine andere, durchaus interessante Konzertveranstaltung angesetzt war: Escape with Romeo und The invisible spirit, eine aus historischer Sicht (1990er Jahre Indiediscobesuche) durchaus interessante Sache. Ein günstiges Fever Ray Ticketangebot auf Ticketswap ließ mich jedoch, spontan und ohne groß nachzudenken, zugreifen. Mir war mehr nach großer Halle als nach kleinem Klub. Okay, also Fever Ray. Wenn es an anderen Kriterien mangelt, warum nicht.

Auch auf die Gefahr hin, mich lächerlich zu machen: was mich beim Fever Ray Konzert erwartet, ich hatte keinen Plan. The Knife habe ich nie gesehen und überhaupt, so stark stecke ich nicht drin in der schwedischen Elektropopwelt, als dass ich mich mit den Statements von Fever Ray vorher beschäftigt hätte. Erst nach dem Lesen der Konzertberichterstattung vom Berliner Konzerte Tage zuvor im Berliner Tagesspiegel bekam ich eine Ahnung darüber, was mich erwarten könnte. Dort hieß es u. a.:

Es geht auf „Plunge“ viel um Sex, queeren, oft harten Sex, der als widerständige Kraft gegen die Hetero-Norm gefeiert wird. „Every time we fuck we win“, singt die 42-Jährige, die sich als genderfluid bezeichnet und in einem ihrer wenigen Interviews freimütig von ihren Tinder-Dates mit Frauen gesprochen hat. In Videos zu den neuen Songs tritt Fever Ray als glatzköpfiges Grinsewesen mit dunkel umrandeten Augen und überschminktem Mund auf. Diesen Look hat sie auch für ihren Auftritt in der ausverkauften Columbiahalle gewählt. Sie trägt kurzrasierte Haare, hohe weiße Schnürstiefel, eine kurze, nach Babywäsche aussehende Hose und ein T-Shirt mit der Aufschrift „I love Swedish girls“, wobei „Swedish“ durchgestrichen ist. Zwei ebenfalls wie in den Videos kostümierte Sängerinnen begleiten sie, dazu zwei Schlagzeugerinnen und eine Keyboarderin, die ihre Instrumente tatsächlich spielen. Zusätzliche Spuren – vor allem Beats – kommen von Festplatte.

In Verbindung mit diversen Livevideos rief das Spannung und eine Art Vorfreude in mir hervor. Mein irritierendstes Konzert bis dato war Peaches vor einigen Jahren, vielleicht wird das hier noch irritierender.  Neugierde war somit da, aber auch ein Grundmaß an Erwartung. Eine intensive, unterhaltsame Liveperformance sollte es jetzt bitte schön schon sein. Das, was ich im Internet sah und las, wollte ich unbedingt auch im Palladium geboten bekommen.
Der Begriff Performance trifft dabei ganz gut, denn Fever Ray ist keine Band, die auf ihren Instrumenten klimpert. Instrumente spielen eher eine nebensächliche Rolle. Etwas spöttisch las ich, dass zur ersten Zugabe Karin Dreijer und zwei ihrer Tanzkolleginnen zwar mit Gitarren am Bühnenrand stehend „If I had a heart“ spielen, man aber die Gitarren gar nicht hören würde. (Interne Anmerkung: Auch The Knife spielten auf Konzerten fake Instrumente.) So dominierten optisch die tänzerische Performance und der Symboltanz das Bühnengeschehen.
Passt auch besser zur Musik, die ich alseiner Mischung aus Electro, Techno und Avantgarde bezeichnen möchte.

Cat woman, muscle woman, eine als Zombieclown geschminkte Karin Dreijer, dazu eine weitere Tänzerin, das sind die Protagonistinnen, auf die ich von schräg vorne einen Blick habe. Dazu kommen noch zwei weitere Musikerinnen. Beim letzten Song der Vorband Tamie T. hopste die Fever Ray Gang schon auf der Bühne umher. Da sah ich sie alle.

Tamie T. ist, nebenbei bemerkt, ganz gut anzuhören. Ihre Elektrobeats begleiteten mich auf den letzten Metern ins Palladium. Durch die Mauern des Backsteinbaus dröhnte der Bass. Ich nahm einen späteren Zug, an einem Samstagnachmittag gibt es auch noch andere Dinge zu erledigen, und so kam ich erst während ihres Sets im Palladium an.

Die Halle ist zu diesem Zeitpunkt noch erschreckend leer. Leider wird es im Laufe des Abends nur unwesentlich voller. Der erwartete Hype um Plunge und damit eine starke Konzertnachfrage sind offensichtlich nicht so hoch ausgefallen, wie es die Veranstalter erwartet haben. Kurz die Straßenseite ins kleinere E-Werk wechseln ging an diesem Abend auch nicht. Nebenan spielten Level 42 zum Tanztee. Dieses Konzert war übrigens das Hauptgesprächsthema in der Straßenbahn nach Mühlheim.
So blieb der Oberrang geschlossen und das letzte Innenraumdrittel leer. War das der Grund, warum die Stimmung nicht so recht in Wallung kam? Vielleicht. Es lag aber auch an der Musik. Die aktuellen Sachen wurden für meinen Geschmack zu seicht vorgetragen, driften zu sehr in eine Art Beliebigkeitspop. Die Bongos und Latinosounds erinnerten mich mehr an Madonna‘s „La isla Bonita“ als an die Düstersynthies vom ersten Album Fever Ray. Das war so nicht meins. Einzige Ausnahme blieb „Concrete walls“, für mich der beste Song des Abends. Hier drückte der Bass, hier blieb die Bühnenshow dezent im Hintergrund und die Bühnenbeleuchtung aus. „Concrete walls“ hatte die größte Wucht und Spannung. Und an beidem fehlte es den anderen Songs. Hinzu kam, dass das Konzert für mich nie so recht in Fluss kam. Die Pausen zwischen den Songs erwiesen sich schnell als Stimmungskiller. Ein paar instrumentale Übergänge wären hier sicherlich hilfreich gewesen, die dann und wann kurz aufkommende Tanzstimmung in den ersten Reihen in den nächsten Song hinüberzuretten. Denn die ersten Reihen tanzten nicht viel. Um mich herum sah ich hauptsächlich beobachtende Leute. Weiter hinten im Palladium wurde allerdings getanzt, sinnbildlich mit dem Rücken zur Bühne.

Es war also nicht das überragend gute Konzert. Als nach einer Stunde das reguläre Set zu Ende ging und die erste Zugabe „If I had a heart“ in den letzten Tönen lag, verließ ich das Palladium. Der Abend blieb für mich Stückwerk, die frühe Bahn zurück war wichtiger als der zweite Song der Zugabe.

Schade, es hätte eine lustig düstere Elektro-dance Veranstaltung werden können. Das wurde es jedoch nicht. Vielleicht hatte Fever Ray nur einen schlechten Tag. Oder ich, weil ich die Schönheit des Konzertes nicht erkannt habe.

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