Ort: König Pilsener Arena, Oberhausen
Vorband: Sarah Hartmann

Ellie Goulding

Ich empfinde es als kompliziert, anderen Menschen meine Begeisterung für Konzertbesuche plausibel darzulegen: wie, mal eben nach Brüssel zum Konzert fahren? Oder sonst wo hin. Das ist einerseits schwer zu erklären, andererseits ebenso schwer nachzuvollziehen.
Mindestens genauso schwierig war es, jemandem aus meinem Freundes- und Bekanntenkreis zu erklären, warum ich ein Ellie Goulding Konzert besuche. ‘Was du dir auch immer antust‘, zusammengefasst gingen alle Kommentare in diese Richtung. Aber das hält mich ja nicht ab; und genauso wie der Häme gegenüber M’donna, Jay-Z oder Pink Konzertbesuchen stand ich diesen Lästereien entspannt gegenüber: Ich nenne es Neugierde, ihr nennt es Unverständnis.
Ellie Goulding spielt gefühlt in der gleichen Liga wie die genannten Musiker. Mögen ihre Hallen auch (noch) kleiner sein, showtechnisch geht es bereits zu wie bei den ganz Großen. Tänzer, wenn auch nur vier, Fahnengedöns, ein Akustikpart, Laufsteg ins Publikum, dreimaliger Wechsel des Bühnenoutfits und Konfetti zur Zugabe. Lil‘ Madonna, musste ich zwischendurch denken. Die Bühnenshow ist tadellos choreografiert, aber leider auch überraschungsarm. Gerade im ersten Abschnitt fehlen die Hits. Die jungen Mädchen und ihre Freunde merken das nicht, durch die gnadenlosen Fanbrille betrachtet ist alles toll und jeder Augenblick ein Foto wert. Und damit haben sie recht!
Das Konzert beginnt früh, ein sehr gutes Zugeständnis der Veranstalter an die vielen jungen Fans. Um viertel vor zehn verlasse ich wieder Halle. 100 Minuten Ellie Goulding sind vorbei. Ich gehe zugegeben mit gemischten Eindrücken. Es wäre übertrieben, wenn ich sagen würde, das hier war das Konzert des Jahres. Es wäre aber auch übertrieben, den Abend als einen vertanen Abend abzutun. Ich fasse es mal so zusammen: das Konzert war nicht rund. Die sekundenlangen Ruhepausen zwischen den Songs machen in einem Klub wenig, in einer ausverkauften 12000 Personen Arena jedoch nehmen sie jedwede Stimmung. Es ist ein bisschen so, wie wenn ich zuhause am Computer die nächste mp3 anklicke und warten darf, bis die Datei geladen ist und abgespielt werden kann. In diesen Augenblicken passiert wirklich nichts, niemand sagt vielleicht ein Wort oder so. Beim Madonna Konzert zum Beispiel war das anders, ist weiß nur leider gerade nicht mehr, wie es war.
Dazu wirkte Ellie Goulding auf mich überhaupt nicht so, als ob sie sich sicher fühlt. Sie wirkt bemüht. Ihre Tanzeinlagen sehen angestrengt aus, auf der sehr großen Bühne, die überdies eine Menge Platz bietet (die drei Backgroundsängerinnen und die vier Musiker haben weit hinten ihren Platz), scheint sie verloren. Vielleicht hatte sie auch nur einen schlechten Tag, ganz fit war sie, wie sie selbst kurz erzählte, nicht. Eine Erkältung oder so. Und vielleicht auch etwas Herzschmerz ob ihrer Trennung von Dougie Poynter. Die Gala berichtete das gestern.
Nichtsdestotrotz, dadurch ging für mich einiges an Flair und Atmosphäre verloren. Denn, so denke ich, wenn man sich schon große Bühnen aussucht, dann muß man diese auch füllen.

Wie war das eigentlich vor ein paar Jahren, als ich Ellie Goulding als neuen „BBC Sound 2010“ im Doppelkonzert zusammen mit Delphic (ebenso ein „BBC Sound 2010“) im Rahmen der 1live ‘Eine Nacht in Essen‘ in einem kleinen Klub sah? Damals kam sie mit einer Gitarre, einem Loopgerät und einem Synthesizer und spielte die Songs ihres ersten Albums Lights. „Starry eyed“ und „Under the sheets“ waren grosse Songs und Lieblingslieder, Ellie Goulding saß in einer Reihe mit Indiepopsingersongwritermädchen wie Kate Nash. So richtig sagte mir das zwar nicht zu, aber in meiner Erinnerung fand ich es auch nicht so schlimm, wie ich es seinerzeit schrieb. Ein Vergleich zu damals verbietet sich natürlich, aber interessant ist es allemal, Entwicklungen und Veränderungen von Musikern mitzubekommen.
„Starry eyed“ und „Under the sheets“ spielte sie an diesem Abend übrigens nicht, überhaupt ist das erste Album bis auf eine Akustikversion von „Lights“ – im Doppel mit „Lost and found“ der vermeidlich ‘heimelige Part‘ des Konzertes nur in Gitarrenbegleitung von einem der Tourmusiker – vollkommen außen vor. Die ganz frühen Sachen scheinen nicht ins Glitzer, Glamour, Stadionkonzertkonzept zu passen. Dafür natürlich „Something in the way you move“ (kennt jeder aus dem mit fünf goldenen Himbeeren ausgezeichneten und damit offiziell schlechtestem Film des Jahres) oder das im Radio auf- und runtergespielte Calvin Harris Cover „I need your love“. Beides große Mainstreampopsongs, die hier perfekt funktionieren.
Der dreißig Jahre jüngere Konzertbesucher neben mir ist zumindest hellauf begeistert und enorm textsicher. Später sehe ich ihn nochmal draußen, seine Mutter, die offenbar auch in der Arena war, sagte ‘ich habe dich die ganze Zeit beobachtet‘. Der Satz war ihm sichtlich unangenehm, er erwiderte nur leise ‘es war so unglaublich gut‘. Das Konzert hatte damit seine Aufgabe erfüllt.

Kontextkonzert:
Ellie Goulding – Essen, 07.05.2010

Ellie Goulding

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