Ort: Kantine, Köln
Vorband: The Penny Serfs

El Vy

In der Konzertnachbesprechung ging es nicht nur um ein Konzert. Es ging um zwei Konzerte. Genauer gesagt waren die beiden ausverkauften Palladium Konzerte der Kölner Band AnnenMayKantereit gefühlt das Hauptgesprächsthema. Die gerade gesehenen El Vy fanden nicht statt. Irgendwie schien jeder mehr Gesprächsbedarf daran zu haben, dass eine Band, die gerade einmal ein Album veröffentlicht hat, an zwei Abenden das Palladium ausverkauft. Ich kann und konnte dazu nichts sagen außer ‘warum nicht und warum ist das schlimm‘. Mein Wissen um die Band AnnenMayKantereit reicht einfach nicht aus, um darüber irritiert zu sein. Ich kenne die Single „Oft gefragt“, sie läuft ja andauernd im Radio, und vom bloßen hören kann ich mir schon vorstellen, dass das viele mögen könnten. Ob das darüber hinaus mögenswert ist oder gar sein sollte, ist mir im Grunde wurscht. Dann doch lieber ein bisschen was zu El Vy sagen. Oder sich erstmal folgendes fragen: Warum war eigentlich das Konzert kein Gesprächsthema? War es so schlecht, dass niemand darüber reden wollte? War es uns allen so gleichgültig oder war es gar so überragend, dass auf der Bühne schon alles gesagt wurde?
Ich denke, es war keines von allem. Ich denke, es gab vielleicht nur nichts zu erzählen, weil das Konzert alle Erwartungen und Vorstellungen genau getroffen hat und jeder ähnlich dachte. Ja selbst die gespielte Coverversion war keine Überraschung. Wir wussten Bescheid, weil das Internet Bescheid wusste. Mir kamen nach der knappen Konzertstunde spontan diese Dinge in den Sinn, und ich glaube die anderen dachten genauso: Ein Abend mit Matt Berninger Personenkult, ein zwei wirklich sehr gute Songs und ansonsten eine rundum solide Veranstaltung ohne nennenswerte Besonderheiten.
Klingt langweilig, war es aber nicht.

Vor El Vy trat eine Band auf, deren Musik ich während ihres Auftritts als Zukunft des Indierocks bezeichnet hatte. Also nicht nur gedanklich, sondern auch laut meinen Konzertnachbarn gegenüber, die daraufhin sehr verständnislos zu mir herüber blickten. Das ich damit nicht die Band meinte, schien nicht richtig angekommen zu sein. Nein, besonders aufmerksamkeitserregend fand ich The Penny Serfs auch nicht, aber auch nicht so super langweilig. Ich bildete mir sogar ein, den einen oder anderen Song zu kennen. Oder kam er mir nur bekannt vor, weil viel Bekanntes von den Amerikanern verwurschtelt wurde? Was sie unter anderem auch verwurschtelten, und was ich in letzter Zeit immer häufiger höre sind Softrock- und 1980er Jahre Rockanleihen und Keyboards. Und genau das meinte ich, als ich sagte, dass werde eine nähere Zukunft des Indierocks: Der Einbau von Softrockmelodien und -elementen. Ich glaube, dass davon zukünftig noch mehr im Indierock auftauchen wird.
Es ist an der Zeit, 30 Jahre später diese Musikthemen wieder aufzugreifen. Unabhängig davon, ob El Vy nun die Fine young cannibals (1988) covern oder nicht. „She drives me crazy“. Mein Lieblingslied auf The raw & and the cooked. Wobei die damalige Wahl schwer fiel, den “Good thing” und “Ever fallen in love“ sind auch nicht ohne. Ich hatte das Album auf Kassette, unser alter Opel City mit dem ich in jungen Jahren und mit frischem Führerschein durch das Münsterland düsen durfte, bot genau dieses eine Unterhaltungsmittel. Das Radio funktionierte irgendwie nicht richtig, weil erst der Steckanschluss hinter der Armaturenbrettverkleidung einen Wackelkontakt hatte und später die Antenne abgeknickt wurde. (Meine Mutter hörte beim Autofahren kein Radio, also war das Erneuern der Antenne kein Thema). Und so schepperten die Fine young cannibals, und die Christians (“Harvest for the world“, ein Riesenhit) – beides die einzigen Bands, deren Alben ich mir Ende der 1980er Jahre auf Kassette gekauft habe.) und aufgenommenes Zeugs durch die Lautsprecherbox in der Mittelkonsole.

Das Konzert war nicht langweilig, aber es war irgendwie unspektakulär, weil ohne Überraschungs- oder aha Moment. Matt Berninger läuft auch bei El Vy wie ein aufgescheuchter Vogel auf der Bühne hin und her, den obligatorischen Ausflug ins Publikum verkneift er sich allerdings, obwohl er, so sah es aus, beim letzten Song „Need a friend“ kurz davor stand. Es war bis auf zwei Ausnahmen ein seichter Mitwippabend. Ich hatte die Platte vorher durchgehört, überschwänglich war ich nicht. Das war schöner Indiepop und das war die markante Stimme Berningers. Der schönste und einprägendste Song des Albums ist „Return to the moon“. Vielleicht, weil es das National-eskste Stück ist und direkt sehr vertraut wirkt. „Return to the moon“ war auch im Konzert ein Hit. Weil es auch einfach gut und tanzbar ist, sicher aber, weil es etwas rockiger und lärmender daherkam als die anderen Songs.
Die zweite Ausnahme war das Cover. Wow, wie perfekt und treffsicher es rüberkam war phänomenal. Die Gründe dafür, warum ich es so toll fand, waren irgendwie die gleichen wie bei „Return to the moon“: es war schmissiger als der Rest. und dass Matt Berningers Stimme ein übriges tat, ist klar. Sie passt einfach perfekt zu dem Stück der Fine young cannibals, auch wenn es gegen Ende von „She drives me crazy“ in eine kleine Schreiorgie ausartete. Überhaupt Matt Berninger. Der Alkohol, so sagt man gerne bei The National Auftritten, wo er ordentlich Wein bechert, muss erst wirken. Und wenn er wirkt, dann ist Matt Berninger wie ein besoffener Thekenkumpel. Nett, unberechenbar, anhänglich. Dann kommt er an den Bühnenrand, sucht engen Kontakt zu den ersten Reihen und singt, den Kopf viel zu nah an den anderen Köpfen, seine Songs. Ganz so, wie Besoffenen einem zu nahekommen, wenn sie was zu erzählen haben. Jeder kennt das, und je nach Alkoholfahne ist das nicht besonders angenehm. Ob es in den ersten Reihen angenehm war, wo man überdies aufpasssen muss, das man nicht aus Versehen den umgewippten Mikrofonständer ins Gesicht bekommt, weiß ich nicht. Ob in der weißen Tasse, die er mit auf die Bühne brachte, auch ein Pausentee plus war, ist anzunehmen. Auf mich wirkte Matt Berninger nach einer knappen Stunde anders als zu Konzertbeginn.
Sein El Vy Projektgruppenkollege Brent Knopf spielt und agiert dagegen dezent im Hintergrund. Er ist auf der Bühne das genaue Gegenteil von Berninger. Eher ruhig, eher unaufgeregt, eher einfach. Zwei extrovertierte Musiker würde die Band auch nicht verkraften. Das Keyboard, das auf einem spacig aussehenden Ständer am Bühnenrand steht, und die Gitarre gehören ihm. Ab und an auch die zweite Gesangsstimme. Komplettiert wird die Band live mit einen weiteren Gitarristen und einem Schlagzeuger.
So ist die Musikgeschichte des Abends schnell erzählt. El Vy haben mit Return to the moon genau ein Alben veröffentlicht und spielen dies auch. Song für Song. Plus der Coverversion macht das zwölf Stücke für den Konzertabend. Nach 45 Minuten verabschieden sich die vier ohne Zugabe. „Sie haben halt nicht mehr“ heißt es. Und das stimmt. Gott sei Dank haben die beiden nichts von ihren Mutterbands gecovert.

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