Ort: Kulturkaufhaus Dussmann, Berlin
Vorband:

Die höchste Eisenbahn

Das biste einmal in Berlin, sitzt ahnungslos im Café des Kulturkaufhauses Dussmann und schon befindet du dich mitten in einem Indie-Konzert einer der heißesten Bands Deutschlands. Ah, so geht also Hauptstadt.
Die höchste Eisenbahn spielt ein Kurzkonzert in Lagerfeuerbesetzung und wir haben das Glück, dass sie das an einem Freitag tun, an dem wir zwei Stunden zuvor in Berlin angekommen sind. Als ich von dem Konzert einige Tage zuvor las, stellte ich es vage auf den Freitagabend Plan. An Anreisetagen weiß man ja nie so genau, ob und wann und wie man seinen Zielort erreicht. Zuviel Planerei im Vorfeld verpufft leicht im ersten Autobahnstau und es setzt unterbewusst eine künstliche Hektik ein, die niemand braucht. Also war die Absicht, wenn Berlin zeitig erreicht würde, gegen Abend im Kulturkaufhaus Dussmann vorbeizuschauen. Da die fahrt überraschenderweise nahezu perfekt verlief, waren wir denn doch früh genug in der Hauptstadt, um vom Frankfurter Tor aus gemächlich mit der U-Bahn in Richtung Friedrichstrasse zu fahren. Das Kulturkaufhaus Dussmann liegt mitten in Mitte und bietet auf fünf Etagen Bücher und Musik und anderen Kram. Im Untergeschoß befindet sich, wie es mittlerweile für einen großen Bücherladen Pflicht ist, ein Café. Das Cafe im Dussmann nennt sich Ursprung – eat-drink-dream  und bietet neben einem vertikalen Garten auch eine kleine Veranstaltungsbühne.
Als wir gegen 18 Uhr das Cafe betraten, war von der Bühne allerdings noch nichts zu sehen. Auf unsere Nachfrage erklärte uns die Bedienung, dass gleich die linke Wand beiseitegeschoben würde, und den dahinterliegenden Konzertraum freigäbe. Wenn wir uns hier hinsetzen würden, sie zeigte auf einen Tisch und Stühle, dann würden wir aber auch vom Cafe aus sehr gut sehen und müssten nachher nicht in den Saal umziehen. Gesagt getan, etwas ermattet von der langen Autofahrt war uns eh nach so wenig Bewegung wie nötig zumute.
Also bestellten wir Kaffee, Cookie, Currywurst und warteten der Dinge. Gegen kurz vor 19 Uhr wurde die bereits erwähnte Wand weggeschoben und es kam ein gar nicht so kleiner Konzertraum zum Vorschein, der mit mehreren Stuhlreihen ausgestattet war. Tingelt die höchste Eisenbahn in Deutschland durch kleinste Klubläden (in Köln spielten sie zum Beispiel im vielleicht halb so großen Studio 672), so ist der Veranstaltungssaal des Dussmann schon schnell zu klein. Bis ins Café stehen die Leute, um die wohl derzeit interessanteste deutsche Band bei ihrem Konzert zuzuschauen. Über den zeitrahmen hatten wir vorher nur grob spekuliert, vier, fünf Lieder vielleicht, dazwischen etwas Gerede, so stellte ich es mir vor. Natürlich war es ganz anders.
Nach einem 10 minütigen Interview, geführt von Milena Fessmann vom Radiosender radio1 (die schönste Känguru-Frage dabei: „Warum nennt ihr euer Album „Schau in den Lauf Hase“? Antwort: „Ähh, weil ein Lied so heißt?“) zu Beginn des Abends, spielte die höchste Eisenbahn acht wunderbare Songs und es wurde eine wunderbare Stunde bester Unterhaltung. Leider war die Beschallung des Caferaumes nicht ganz so gut, so dass es uns schwerfiel, dem Interview zu folgen (auch hörten wir später die Gesangsstimme nicht wirklich laut und verpassten Zwischenansagen und Geschichten).

Die höchste Eisenbahn trat in Lagerfeuerbesetzung an. Neben den beiden Sängern Francesco Wilking und Moritz Krämer bedient Max Schröder das Schlagzeug. Zur vollständigen Eisenbahn fehlt an diesem Abend Bassist Felix Weigt. Musikalisch machen sie das, was man von einer Besetzung wie dieser erwarten dürfte, setzt sich die Eisenbahn doch aus Musikern von Bands wie Tele (Francesco Wilking), Kid Kopphausen (Moritz Krämer, Felix Weigt), Der Hund Marie oder Tomte (Max Schröder) zusammen. Deutscher Pop mit lustig, ernsten, verquirlten Texten, oder wie es die Ankündigung formulierte:

„Eine deutsche Super-Gruppe, die musikalisch mit Alternativ-Pop-Kleinoden glänzt und in den Texten ganz groß unterwegs ist.“

Die höchste Eisenbahn hat Ende letzten Jahres ihr erstes Album veröffentlicht, „Schau in den Lauf Hase“. Ich habe es zugegeben noch nicht ganz so oft gehört. Mir steht derzeit nicht der Sinn nach dieser Art von Musik. Der Vorteil für diesen Abend lag somit darin, dass ich relativ frisch in das Dussmann Kurzkonzert gehen konnte. Ich hatte kein „hoffentlich spielen sie das“, aber eben auch kein leises Mitsummen oder ein breites Grinsen bei den ersten Takten eines Songs. Dazu kannte ich die Stücke zu wenig. Einzig „Body & Soul“ und „Was machst du dann“ erkannte ich im Laufe der Dreiviertelstunde wieder. Aber das störte wenig, denn musikalisch liegen die höchste Eisenbahn und ich fast auf einer Welle. Einzig die beiden Mundharmonikasequenzen fand ich weniger spannend. Etwas schade und das sehr kleine Haar in der Dussmannsuppe war, dass wir die Zwischenansagen von Francesco Wilking akustisch nicht immer ganz verstanden haben. Dazu saßen wir zu seitlich an der Bühne, sie schienen jedoch sehr lustig und unterhaltsam gewesen zu sein, wie das Szenengelächter aus dem bestuhlten Konzertraum vermuten ließ. Zu nahezu jedem ihrer Songs hatte er eine kleine Geschichte parat, so wurde zum Beispiel „Was machst du dann“ mit den Worten „Mit dem nächsten Lied wollten wir die Charts angreifen, aber die Charts haben sehr dicke Mauern. Daher…“ angekündigt und „Body & Soul“ barg eine Geschichte über ein Haarshampoo aus den 80ern, von dem der Song seinen Namen hat. Herrlich!

Und so spielte sich die höchste Eisenbahn durch die nächsten gut 40 Minuten, hatte großen Spaß und bot große Unterhaltung. So wurde es ein kurzweiliger Abend mit sieben Songs vom ersten Album. Einzig der Abschlusssong „Vergangenheit“ kam nicht von „Schau in den Lauf, Hase“. Er liegt auf der EP veröffentlicht und ist laut kleinem Selbstgespräch von Moritz Krämer der allererste Song, den er mit Francesco Wilking zusammen geschrieben hat. Judith Holofernes, die in dem Lied gefeatured wird, war allerdings nicht im Dussmann. Dabei wohnen doch alle Musiker in Berlin, sie hätte ja vorbeischauen können.
Für ihr reguläres Konzert in einigen Wochen im Lido gäbe es noch ein paar Tickets, erwähnte der Moderator der Veranstaltung. Wer also auf den Geschmack gekommen sei, könne ja nachlegen. Heute ist der Lido Gig ausverkauft, lese ich gerade. Die höchste Eisenbahn hat nachhaltigen Eindruck hinterlassen.

Ob es ein weiteres höchste Eisenbahn Album geben wird, darüber hängen wohl derzeit einige Fragezeichen. „Also wir hätten Bock“, sagte die Band im Interview. Klingt ganz so, als ob sie es nicht allein entscheiden könnten.

Setlist:
01: Body & Soul
02: Der Himmel ist blau (wie noch nie)
03: Aliens
04: Isi
05: Was machst du dann
06: Pullover
07: Raus aufs Land
08. Vergangenheit

Kontextkonzert:


Fotos:

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Video:

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