Ort: Huxley’s Neue Welt, Berlin
Vorband: Chasity Belt

Death cab for cutie

Warum man Death Cab For Cutie lieben muß, ist einfach. Die Washingtoner Band schreibt wundervoll-melodische Indie-Pop Lieder, die niemals langweilig, nervig, kitschig oder belanglos sind.

Das schrieb das Konzerttagebuch 2008 über das Death cab for cutie in der Kölner Live Music Hall. Ich weiss nicht, wie oft das Konzertagebuch danach noch die Band aus Washington gesehen hat, ich habe sie seither nicht mehr live erlebt. Einmal hätte sich die Gelegenheit noch ergeben, 2011 am Weissenhäuser Strand, als der Rolling Stone Weekender noch ein mir gut gesonnenes Programm bot, wir aber Portugal.the man spannender fanden. So war dies erst mein zweites Death cab for cutie Konzert. Ich freute mich sehr auf den Abend, denn es wurde mit uns auch mal wieder Zeit. Der Grund ist in den ersten Zeilen nachzulesen.
Doch a pro pos Konzerttagebuch. Ich sollte erwähnen, dass das damalige Konzert so einiges an Auswirkungen mit sich brachte. Also ein kurzer Rückblick.
Schon lange hatte ich das Konzerttagebuch beobachtet, seine Berichte gelesen und mich bei fast jedem Konzert im Kölner Raum gewundert, dass wir beide immer vor Ort waren. Also das Konzerttagebuch und ich. Ich fand das lustig, und es war erfrischend zu erfahren, wie andere ein Konzert empfanden. Abseits von mehr oder weniger objektiven Zeitungsberichten im Kölner Stadtanzeiger, die ich natürlich genauso gerne lese. Ein Alternativeindruck ist nie verkehrt; er korrigiert, relativiert oder unterstützt die eigenen Eindrücke.
Ungefähr zur gleichen Zeit, als ich anfing, aus den Vorläuferkonzertberichtansammlungen bei blockspiel.de und paulsboutique.de den aktuellen Blog pretty-paracetamol.de zu starten, begannen auch Christoph und Oliver, ihre Konzerterlebnisse zu veröffentlichen. So las ich jedes Mal nach, wie Christoph ein Konzert gefiel, ohne auf die Idee zu kommen, im Primeclub (so hiess das Luxor damals kurzzeitig), Gebäude 9, der Live Music Hall oder dem E-Werk herauszufinden, wer sich hinter diesem Namen verbirgt. Da meine eingesendeten Konzertberichte unbeantwortet blieben (Willst Du mitmachen? – so stand es und steht es immer noch auf ihrer Homepage und ich hatte damals einige Berichte eingereicht, jedoch nie eine Antwort bekommen. Undank ist der Welten Lohn.), hielt ich es für unhöflich, auf mich aufmerksam zu machen. Und so besuchte ich weiter Konzerte und freute mich schon im Voraus, darüber auf dem Konzerttagebuch zu lesen. Denn welchen Musikgeschmack und demzufolge auch zu welchen Konzerten das Konzerttagebuch geht, ließ sich von Christoph und Oliver nur schwer verbergen. Fakt ist, dass wir sehr oft vor der gleichen Bühne standen, nur unterschiedlich weit entfernt. Wie es dann genau zu unserem ersten Treffen bei dem 2008er Death cab for cutie Konzert kam, weiss ich gar nicht mehr so genau. Ist ja auch egal und auch wenn wir uns erst am Ende des Konzertes getroffen gesprochen haben, war dies unser erstes gemeinsam besuchte Konzert. Wer konnte damals ahnen, dass daraus im Laufe der Jahre eine lustige, interessante und schöne Freundschaft entstanden ist, die immer noch bestand hält. Seitdem haben wir unzählige Konzerte besucht und Konzerttourismus betrieben. Ich weiss nicht, ob ich ohne diesen Abend jemals das Primavera entdeckt hätte (ich glaub‘ aber schon), nach Glasgow zu My bloody Valentine und unzählige Male nach Brüssel ins AB und in die Botanique oder nach Eindhoven zu ichweissnichtmehrwem gefahren wäre. Ganz zu schweigen von den Pavement Abenteuerreisen. Ja, manchmal ist das Internet mit all seinen sozialen Netzwerken ein Segen.

Death cab for cutie also. 2008 hatten sie nach den Veröffentlichungen von Transatlanticism (2003), Plans (2005) und Narrow Stairs (2008) ihre Hochzeit. Alle drei Alben haben unzählige Hits, „The sound of settleing“, „Different names for the same thing“, „I will follow you into the dark“, „Your heart Is an empty room“, „Bixby Canyon Bridge“, „Cath…”, „I will possess your heart”. Ach, ich könnte noch unzählige weitere aufzählen. Ihr wisst, was ich meine: diese Band ist groß!
Kintsugi ist ihr achtes Studioalbum. Chris Walla, obwohl nicht mehr live mit dabei, hat es noch mit eingespielt. Chris Walla war neben Benjamin Gibbard eine songschreibende Stütze von Death cab for cutie. Live wird er auf dieser Tour, nachdem er vor einigen Moanten die Band verlassen hat, durch zwei Musiker an Gitarre und Keyboards ersetzt. Das Stammpersonal von Death cab for cutie besteht seither nur noch aus Benjamin Gibbard, Nicholas Harmer und Jason McGerr.
Wir hatten vorher noch überlegt, wie und ob sich das Fehlen von Chris Walla auswirkt. Immerhin ist er wichtig. Doch ich spüre kein Loch. Die Band wirkt eingespielt, als ob sie schon jahrelang zusammen wären. Benjamin Gibbard kommt hibbelig auf die Bühne. Seine Körpersprache wirkt unsicher hektisch. Ist das die Nervosität der ersten Minuten eines Konzertes? So dachte ich mir. Man muss sich ja erst eingewöhnen, akklimatisieren. Also ich müsste das. „Crook teeth“ ist das einzig ältere Stück der ersten Minuten, es hilft dem Publikum, in das Konzert zu finden. Das ist allerdings größtenteils Fan, so dass viele gar nicht dieses hineinfinden benötigen. Die Stimmung ist top, sie springt auf die Band über. Death cab for cutie bleiben schnell, hibbelig und rockig. Von wegen Indiepop und so. „Black sun“ und „The new year“ spielen sie im Doppel so rasant, dass mir fast schwindelig wird. Vom seichten Indiepop ist nichts zu hören. Das hier klingt eher wie ein ausgewachsenes Rockkonzert. Benjamin Gibbard ist dazu immer noch hektisch hibbelig unterwegs. Er movt und groovt und steht kaum ruhig. ‚Atme doch mal durch die Nase‘, möchte man ihm sagen. Komm doch mal runter. Vielleicht ist er ja immer so, denke ich später noch kurz, soviele Konzerte habe ich mit ihm ja noch nicht gesehen. Nach einer guten Stunde ist es dann an der Zeit, etwas runterzukommen. „I will follow you into the dark“ schleicht sich in die Halle, Gibbard sitzt zum ersten Mal im hinteren Teil der Bühne am Piano. Seine Stimme, die so einzigartig wie toll ist, hallt durch den Saal. In seine Stimme muss man sich verlieben, kein Weg führt daran vorbei. Sie passt so perfekt zu den Tunes (Gibbard benutzt in seinen Ansagen das Wörtchen tune statt song), wie sonst vielleicht noch Matthew Caws Gesang zu Nada Surf. Womit ich denn auch die beiden Indiepop Masterpieces der 1990er Jahre genannt hätte.

If there’s no one beside you – When your soul embarks – Then I’ll follow you into the dark

Es bleibt nur kurz melancholisch, “I will possess your heart“, ähnlich schön, eigentlich ähnlich träumerisch, startet mit einem langen Instrumentalintro und Metallica-Bass. Das ist viel wilder als auf Platte, der Bassist spielt nicht nur knietief sein Instrument, er kniet dabei auch fast auf der Bühne. Was in den folgenden 8 Minuten passiert, ist unbeschreiblich. Der Song wächst in ungeahnte Höhen, die Band spielt enorm großartig und laut. “I will possess your heart“ ist für mich das Kernstück des Konzertabends, was danach noch kommen mag ist eigentlich egal. Es folgen aber noch „Cath..“ und „Bixby Canyon Bridge“, so ganz egal ist mir das dann doch nicht. Beides sind absolute Lieblingslieder.
Nach knappen hundert Minuten ist das Spektakel vorbei. Zur Zugabe kommt Benjamin Gibbard erst allein auf die Bühne, singt nur zur verstärkten Akustikgitarre „Your heart is an empty room“ so hinreißend, dass sich der halbe Saal zu dem Zuschauer umdreht, der laut mit seinem Kumpel sprechend, seine tolle Stimme lobt. „Transatlanticism“ beschließt nach zwei Stunden Konzert.
Wow!

Chasity Belt ist die Vorgruppe. Und wie so oft hilft der Zufall: vor zwei Tagen unterhielten wir uns noch über die Frauenband aus Seattle, die nach Sleater-Kinney auf Dreampop klingen. Sie sollten im Monarch spielen, man hätte hingehen sollen, war aber schlussendlich zu kaputt. Nun kommen sie quasi einfach so mit dazu. Toll! Chasity Belt sind super!

Setlist:
01: No room in frame
02: Crooked teeth
03: Why you’d want to live here
04: Black sun
05: The new year
06: The ghosts of Beverly Drive
07: Title and registration
08: Little wanderer
09: No sunlight
10: Company calls
11: President of what?
12: You’ve haunted me all my life
13: Summer skin
14: I will follow you into the dark
15: I will possess your heart
16: Good help
17: You are a tourist
18: Cath…
19: Soul meets body
20: Bixby Canyon Bridge
Zugabe:
21: Your heart is an empty room
22: A movie script ending
23: Doors unlocked and open
24: Transatlanticism

Kontextkonzerte:
Death cab for cutie – Köln, 10.07.2008 / Live Music Hall

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