Ort: Kassette, Düsseldorf
Vorband:
Codeine und Come sind ein Begriff, nehme ich an. Chris Brokaw spielte in beiden Bands, Schlagzeug bei Codeine, Gitarre bei Come. Derzeit spielt er ein paar Konzerte in Europa, eines davon in der Düsseldorfer Kassette. Kassette? Was ‘n das für ‘n Klub? Nun, die Kassette ist kein Club, es ist vielmehr ein Bar/Café, in der auch Konzerte stattfinden. Ohne Eintritt, aber mit wanderndem Hut, in den bitteschön jeder einen Obolus nach Belieben für den Musiker hineinlegen darf. Klingt nicht nur nach einem guten Konzept, es ist auch eines. Ich hoffe nur, dass sich die Sache für beide Seiten auch rentiert.

Zufällig erfuhr ich von diesem Konzert, als ich am Donnerstag einen Aushang in der Kassette entdeckte. Chris Brokaw, Sonntag 17 Uhr, stand auf einem kleinen weißen Zettel, der an der Fensterscheibe des Ladens klebte. Da mich Come sehr und Codeine ein bisschen interessieren, interessierte mich dieser Aushang und ich beschloss, am Sonntag vor Ort zu sein. Schließlich ist „Off to one side“ von Come eines meiner Allzeit Lieblingslieder. Und überdies wäre ein sonntägliches Konzert zur späten Kaffee und Kuchenzeit doch eine feine Sache. Da hat man meist ja sonst nix besseres zu tun.
Die Kassette ist gut besucht, als ich leicht verspätet dort eintreffe. Chris Brokaw sitzt bereits neben seinem Verstärker auf der Bühne. Ahh, Bühne ist zu hoch gegriffen. Vor dem großen Fenster ist ein erhöhter Bodenbereich, auf dem das Musikerequipment aufgebaut ist. Also ein Verstärker, ein Gitarrenständer und der Stuhl, auf dem der Sänger Platz genommen hat. Auch das Publikum sitzt: auf Stühlen, Hockern, Sesseln und Sofas oder auf dem Boden. Es ist eine gemütliche Atmosphäre. Sonntag, lazy, Sonntag. Dazu passt akustische Gitarrenmusik perfekt. Chris Brokaw mag sicher schon drei, vier Songs gespielt haben, ich habe den Eindruck, dass alle Anwesenden bereits im Konzert angekommen waren. Und auch ich bin zügig gefangen von den Gitarrensongs. Der Abend verspricht schon nach wenigen Minuten, ein wunderbarer Abend zu werden.
Es ist ein Konzert, das ich mir genauso vorgestellt habe. Ja, manchmal gehe ich mit Erwartungen in ein Konzert, mit vagen Hoffnungen darauf, dass das und das so sein mögen. Für dieses Konzert hatte ich folgende Erwartungen: Ich wünschte mir einen ruhigen, gitarrengetragenen Spätnachmittag, vielleicht im Sitzen, vielleicht im Stehen. Die Gitarre sollte dabei im Idealfall traurig und melancholisch klingen, aber auf jeden Fall ruhig und unaufdringlich. Und wenn sie elektrisch wäre, wäre das nicht schlimm, akustisch ginge aber auch in Ordnung. Oft werden solche Erwartungen nicht erfüllt, aber an diesem Nachmittag hätte es nicht besser sein können. Alle meine Wünsche wurden Realität, es war beinahe unheimlich.

Die Setlist bzw. das Konzert schienen zweigeteilt. Zu Beginn spielte Chris Brokaw auf seiner Akustikgitarre, die nach einer guten halben Stunde aus der Hand legte und gegen die elektrische Gitarre eintauschte. Damit kam aber nur ein bisschen mehr Lautstärke in die Kassette, die Songs blieben natürlich eher leise und sentimental. Ich kannte überraschenderweise einen Song, „Into the woods“, woher weiß ich gar nicht. Einen weiteren hätte ich kennen können: „My idea“, das Brokaw zusammen mit Evan Dando geschrieben hat und das auf der Baby i’m bored Platte veröffentlicht wurde. Ich habe es aber nicht erkannt.

Noch eine Anmerkung zum Katalog des Sängers. Der ist bombastisch. Neben den Alben mit Come und Codeine verzeichnet die Musikseite Wikipedia 27 Solosalben/EPs seit 2002. Eine Menge Holz, auch ohne die fünf Soundtracks, an denen er im selben Zeitraum mitwirkte. Chris Brokaw scheint ein Vielarbeiter zu sein. Und doch gehört er zu den großen unbekannten Indiehelden. In der Kassette sind vielleicht 80 Leute zugegen. Hinsichtlich seines Gesamtwerkes und seinem Stellenwert innerhalb des amerikanischen Indies viel zu wenig, wie ich finde.

Nach zwei Zugaben war das Konzert um halb acht zu Ende. Tatort? Ach, lieber noch ein bisschen in der Kassette rumsitzen und den Sonntag ausklingen lassen. Es war so entspannt und schön, die Stimmung wollte ich noch ein bisschen konservieren.

Kontextkonzert:

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