Ort: Gebäude 9, Köln
Vorband: Disco Doom

Built to spill

Built to spill sind so was wie alte Helden für mich. Seit Mitte der 90er verfolge ich das Treiben von Doug Martsch und seiner Bandkollegen. „There’s nothing wrong with love“ war mein Einstieg. Nach Jahren des Grunge und kurz vor Britpop waren die melodiösen Gitarren das non plus Ultra für mich. Neben Yo la tengo, die ich ungefähr zur gleichen Zeit entdeckte, waren Built to spill der richtige Soundtrack. Dazu konnte ich sehr gut für’s Studium lernen. Alles nicht zu aufregend, nicht zu verquer aber immer antreibend genug, um nicht als Fahrstuhlmusik abgekanzelt zu werden. Nächtelang habe ich „There’s nothing wrong with love“ und „Electr-O-Pura“ gehört. Der Besuch eines Built to spill Konzertes stand groß auf meinem Konzertwunschzettel, ich musste lange darauf warten. Seitdem versuche ich, jede ihrer Touren mitzunehmen. Nicht immer gelang mir das, beim letzten Mal, sie spielten im Bochumer Bahnhof Langendreer, schon. Und eben dieses Mal.
Als ich mich ins Gebäude 9 aufmachte (das übrigens gerade modernisiert wird, wie mir scheint. Ich erblickte unter der Decke neue Holzschächte – oder ich habe längere Zeit nicht mehr an die Decke geschaut) war ich überrascht, dass das Konzert nicht ausverkauft ist. Ich hatte irgendwie fest damit gerechnet. Dann aber auch wieder nicht, als ich daran denken musste, dass sie auf ihrer letzten Tour im noch kleineren Kulturbahnhof Langendreer spielten, und dieser auch nicht ganz voll war. Built to spill schienen sich als alternde Indieband aus dem Fokus gespielt zu haben. Das finde ich nicht tragisch. So bleibt man eben etwas unter sich. Ach je, diese alte Indieattitüde: Ich hab die Band entdeckt und mag sie, aber sie soll bitte von niemand anderem entdeckt werden und bloß nicht in größeren Hallen spielen müssen. Schon egoistisch, aber so sind Indiekonzertgänger nun mal.
Dumpfe, scheinbar monotone Gitarren, dazu der wimmernde Gesang Doug Martschs. So klingen Built to spill auch live, und wer sich nicht darauf einlassen kann, oder ein „fetzigeres“ Konzert erwartet, bekommt sehr schnell müde Beine. Built to spill sind eine klassische „Kopf nick“ Band, etwas für Rumsteher. So wie das sein muss und so wie ich es am liebsten mag: Rumstehen, seicht mit dem Kopf mitwippen und wegdösen. Das ganz große Tanzbein schwingen kann man zu ihrer Musik nicht -also ich zumindest nicht – und mitklatschen eigentlich auch nicht. Eigentlich, denn beim Blue Öyster Cult Cover „The reaper“ wurde ich eines besseren belehrt. Es findet sich halt immer jemand.
Doug Martsch ist Built to spill, oder BTS sind Doug Martsch. Wie man es sehen möchte. Die Musiker um ihn herum wechselten in den letzten 20 Jahren mehrmals. In Bochum fiel mir ein an den Fingern ganztätowierter Gitarrist auf, der dieses Mal nicht mehr Teil der Band zu sein scheint. Ist wurscht.
Im Vorfeld erfuhr ich von einem überragenden Konzert in München vor einer Woche, zwei Wochen. Ein Video des Auftritts gibt es im Videonetzwerk, und es bestätigt die Worte der Mail hundertprozentig. Wenn es in Köln genauso oder nur annähernd so wird, wird alles gut. Manchmal tue ich mich nämlich schwer mit Built to spill Konzerten. Dann gehöre ich auch zu denen, die müde Beine bekommen. Trotz allem Fantum. Wenn ich nicht in Form bin oder es aus anderen Gründen nervig ist, dann werden mir ihre Songs zu lang, dann werden die ewigen Gitarren und ausufernden Songs anstrengend. Dann werde ich hibbelig und kann mich nicht richtig auf BTS einlassen. Hier und jetzt war aber alles okay. Alles klappte vorzüglich, weil alles passte und weil „Carry the zero“ eines der besten Musikstücke für immer ist und mich in größte Verzückung versetzte. Dieser Mittelteil, der Nichtrefrain „A fraction of the sum, the middle and the front”. Großartig. „Keep it like a secret“ ist eines meiner liebsten BTS Alben.
Das vorangegangene „Liar“ hatte ich auch länger nicht mehr gehört. Mit „Carry the zero“ ein wunderbares Doppel.

Die Vorband Disco Doom wirkte unauffällig. Schweizer. Hatte ich die nicht schon einmal gesehen? Richtig. Bei meinem letzten Built to spill Konzert unterstützen die Züricher Built to spill ebenso. Im musikalischen Gleichklang mit Built to spill passten sie gut in den Abend. Ich fürchte, ich habe sie auch schon einmal gesehen. Gegen Ende bedankten sie sich bei Built to spill für das gemeinsame „saufen und rauchen“. Solche Anmerkungen finde ich dämlich, aber scheinbar klingt das für manche so nach Rock’n’Roll, das sie es unbedingt loswerden müssen. Gibt’s da nicht tollere Dinge, für die man sich bedanken könnte? Ich habe Unverständnis.

Built to spill starteten aus dem Instrumentencheck heraus ihr Konzert mit „Reason“. Ab da gab es keine langweilige Minute mehr. Weil alles passte, war ich direkt eingenommen von der einlullenden Stimme Doug Martsch. Und „Reason“, gleich einen Hit zu beginn. Traumhaft! Um mich herum machte sich eine glückselige Stimmung breit. Das Publikum war fein aufmerksam und hörte zu. Aufregende Zwischentöne gab es keine. „Sidewalk“ setzte das nächste Ausrufungszeichen, „Planting seeds“ das nächste. Diese Songs sind so unaufgeregt schön, dass nicht nur ich ihrem Zauber erliegen. Das Gebäude 9 fraß ihnen jetzt aus der Hand. Spätestens jetzt.
Built to spill Konzerte sind 2013 auch immer Cover Shows. Neben dem instrumentalen Metallica Hit „Orion“ spielten sie Captain Beefhearts „Abba Zabba“- es war der schwächste Song des Abends -, ein ewig langes und immer wieder neu einsetzendes „The Reaper“ (Blue Öyster Cult) und das beste Smith Cover aller Zeiten: „How soon is now“ beendete fulminant als letzte Zugabe den Abend.
Es war eine sehr gute Idee, dieses Konzert zu besuchen.

Kontextkonzerte:
Built to spill – Bochum, 16.10.2008
Built to spill – Köln, 18.05.2007

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